Echt Peer oder echt SPD?

Von Berlin bis New York liest man von den Fettnäpfchen, in die Peer Steinbrück tritt. Das Presseecho soll ihm mal einer aus der Opposition nachmachen.

Sein Bekanntheitsgrad wächst und Medien werden sich um Interviews mit ihm reißen. Wer will denn auch zur Bundeskanzlerin, die gnadenlos „on message“ ist, mit trüb-nüchternen Mitteilungen.

Mit den heuchlerischen Bekenntnissen zu finanzieller Bescheidenheit aus SPD-Kreisen und von Grünen wird der Fiasko-Start nicht besser. Auch nicht mit holpriger, wenn auch sachlich zutreffender Verteidigung des Frauen-„Bonus“ der Kanzlerin und des Vergleichs der Gehälter von Bundeskanzler und Sparkassendirektoren in NRW.

Die Hoffnung dieses Bürger-„Journalisten“, dass mit der Kür Steinbrücks als Kanzlerkandidat am 9. Dezember 2012 die Arbeit eines professionellen Wahlkampfteams auf Hochtouren laufe, war … echt SPD eben.

Sigmar Gabriel macht Helmut Schmidt für Peers Kandidatur verantwortlich. Hannelore Kraft will bei „dieser Sturzgeburt“ nicht dabei gewesen sein. Und der sympathische Ralf Stegner stellt klar, dass „Beinfreiheit“ für Steinbrück auf Pirouetten im Rahmen linker Positionen zu beschränken sei: Hoffnungslos kollektivistische Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik durchtränkt von politischer Korrektheit, eine SPD anscheinend ohne jedes Gefühl für die große Mehrheit der 42 Mio. Erwerbstätigen, die durch Leistung und Weiterbildung nach Wohlstand und Aufstieg strebt. So etwa hatte Tony Blair den abgestanden linken Geist der von ihm überwundenen „Old Labour“ charakterisiert.*)

Dagegen steht Peer Steinbrück. Aber echt SPD: Statt Gerhard Schröders Agenda-Projekt, das noch heute die deutsche Wirtschaft stärkt, statt der Schuldenbremse im Grundgesetz, die nicht zuletzt Peer Steinbrücks Verdienst ist, folgt Rot-Grün dem absurden Jubel Trittins, „Zeit der Austeritätspolitik vorbei“, und einer womöglich religiös eingefärbten Agenda-Kritik von Frau Göring-Eckardt.

Auch die absehbare Folge solch verschwommener Politik beschreibt Tony Blair aus seinem Erfahrungsschatz als „Gefahr für alle progressiven Parteien“. Statt eines Bündnisses zwischen dem Spitzenkandidaten und den wählenden Bürgern bekommen wir eine Allianz zwischen Partei-Delegierten und Anhängergruppen gegen den Kandidaten (S. 201). Das haben Helmut Schmidt und Gerhard Schröder als Bundeskanzler erleben müssen, das droht Peer Steinbrück bereits als Kandidat.

Folgt man den Ideen, die Tony Blair mit seinem erfolgreich durchgekämpften New Labour-Projekt verband, drängen sich schmerzhafte Fragen auf.

Welcher Bürger, der etwas leisten und erreichen will, der sparen, Vermögen erhalten und aufbauen, der für seine Familie vorsorgen will, welcher Bürger, der die rot-grünen Steuerdrohungen durchdenkt, welcher Bürger der „solidarischen Mitte“ unterstützt solche Politik?

Beifall für höhere Einkommen- und Kapitalertragsteuer gibt es allerdings auch – z.B. von Kirchenführern, die Geld zur Regulierung von Missetaten oder Misswirtschaft in ihren Organisationen brauchen. Denn die „Kirchensteuer“, die vom Staat an die Institutionen des Glaubens abgeführt wird, beträgt bekanntlich derzeit etwa 10% der beim Bürger – soweit Mitglied einer Kirche – erhobenen Einkommen- bzw. Kapitalertragsteuer.

Bei aller Sympathie und allem Vertrauen gegenüber Peer Steinbrück, viele sehen da bereits einen herausragenden Mann auf verlorenem Posten. Tony Blairs Analyse auf die deutsche Opposition übertragen: Die Allianz rot-rot-grüner Gruppierungen gegen den Spitzenkandidaten Steinbrück wird schon deutlich erkennbar.

Wo bleibt denn das SPD-Wahlkampf-Team, das ein Programm für die arbeitende, sparende, vorsorgende Mitte unserer Gesellschaft formuliert, für das Steinbrück „Beinfreiheit“ einforderte? Wo bleibt die Kommunikations-Kampagne, die auf die Regierungsparteien, ihre Widersprüche und Schwächen zielt – „mit einer durchschlagenden Mischung von Kritik, Hohn und Bombast“? (Blair, S. 99). Dazu braucht man natürlich einen neuen Bodo Hombach …

Da die SPD-Führung ihren Peer und seine in Hamburg nicht seltene Neigung zu Klönschnack und Sabbel kennt: Wo bleibt die Rundum-Betreuung des Kandidaten durch´Spin-Doctors`, die dafür sorgen, dass seine Botschaften, gut gewürzt natürlich, die Medien und die Öffentlichkeit begeistern? Das hatten Tony Blair und sein Genie für Kommunikation und Strategie, der größte Spin-Doctor Großbritanniens, Alastair Campbell, vorgeführt: „You campaign in poetry. You govern in prose.“**)

*)Tony Blair, A Journey, London 2010, S. 99.

**) A.a.O., S. 200, nach Mario Cuomo von Tony Blair zitiert.