Konjunktur 2013.

Professor Peter Bofinger fand sich ganz vorn auf einer Liste angesehener Ökonomen, die im Juli 2012 Europa „schlafwandelnd in Unheil unabsehbaren Ausmaßes“ treiben sahen (INET, 23 July 2012).

Das lag an der alphabetischen Reihenfolge der Unterzeichner des dramatischen Aufrufs (vgl. Blog 25.07.2012). Auf der Liste fand sich allerdings kein Name der wirklich bedeutenden Vertreter empirischer Konjunkturforschung, wie z.B. Professor Wolfgang Franz, ZEW, oder Professor Kai Carstensen, IFO.

Nachdem die Horror-Warnung in der Ferienzeit ohne weiteren Schaden verhallte und sich überdies als verfehlt erwies, versuchte es der geschätzte Hochschullehrer Bofinger jetzt erneut. Diesmal drohte er nicht, uns die Sommerferien zu verhageln, sondern die Weihnachtstage und den besinnlichen Jahreswechsel.

„Bofinger: Rezession im Euroraum wird sich fortsetzen. Wirtschaftsweiser prognostiziert trübe wirtschaftliche Aussichten für 2013“ betitelt dradio.de am 22.12.2012 ein Interview mit Professor Bofinger, das Jürgen Zurheide führte.

Wer sich derzeit die Mühe macht, die professionellen Konjunkturforscher zu konsultieren, trifft allerdings auf durchaus positive Einschätzungen.

„Vorsichtiger Optimismus bei Konjunkturerwartungen … Die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland sind im Dezember 2012 um 22,6 Punkte gestiegen und stehen nun bei 6,9 Punkten. Hiermit steht der Indikator zum ersten Mal seit Mai 2012 im positiven Bereich. Der deutliche Anstieg des Indikators drückt die Erwartung der Finanzmarktexperten aus, dass sich die Konjunktur in Deutschland bis zum Frühsommer 2013 stabilisiert.“ (ZEW, Pressemitteilung, 11.12.2012). Und IFO-Konjunkturexperte Professor Kai Carstensen erwartet, „dass es 2013 klar aufwärts geht“ (focus.de; 19.12.2012).

Und dennoch, zum Fest kommt uns Herr Bofinger mit der Brüning-Keule: „… Anstatt die Konjunktur zu stabilisieren, destabilisiert die Fiskalpolitik die Konjunktur. Und wir haben da eine Konstellation, die so ein bisschen ähnlich ist wie Anfang der 30er-Jahre in Deutschland. Da hatten wir ja den Reichskanzler Brüning, der in der schwersten Weltwirtschaftskrise massiv gespart hat. Der hat tatsächlich nahezu kein Defizit gemacht, so stark hat er gespart, aber er hat natürlich die Wirtschaft in eine katastrophale wirtschaftliche Lage gebracht!“

Trotz amerikanischer „fiscal cliff“-brinkmanship zeigt Bofinger uns, wie vorbildliche Krisenpolitik zu machen ist: „Ja, ich glaube, die USA zeigen ja, wie man das machen kann. Man muss eben versuchen, den Ausstieg des Staates aus der Verschuldung zeitlich zu strecken, das nicht zu abrupt zu machen.“ Und dann glänzt er noch mit wirtschaftshistorischen Kenntnissen. Nicht nur mit dem Hinweis auf die Brüning-Politik. Sondern auch, indem er uns weismachen will, dass der späte Ludwig Erhard – mit „Formierter Gesellschaft“ und „Wohlstand für alle“ als Phraseologe von der eigenen Partei abserviert – für ein „Wachstumsmodell“ in der heutigen Globalität herhalten könne.

Von einem bedeutenden Ökonometriker, Professor Heinz Gollnick, Universität Hamburg, erinnern sicher Studenten jener 1960er Jahre die Ironie, mit der er von Schlecht-Wetter-Propheten sprach. Irgendwann bekämen sie allesamt zwangsläufig Recht.

Warum verhält sich der „Wirtschaftsweise“ Peter Bofinger wie ein Regenmacher? Professor Paul Krugman,Träger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften, warnt vor der Neigung zum Prophezeien (When Prophecy Fails, New York Times, Dec. 23. 2012).

Krugman erinnert an sozialpsychologische Untersuchungen aus den 1950er Jahren im Zusammenhang mit der Vorhersage von Katastrophen. Das Ergebnis war der Buch-Klassiker „When Prophecy Fails“ mit der folgenden These: Unabweisbarer Fehlschlag einer Prophezeiung führe keineswegs zu Abkehr. Im Gegenteil, die wahrhaft Gläubigen würden noch inbrünstiger und erst recht härter im Werben um Anhänger.

Sollte dieser Hinweis Professor Krugmans nicht allen zur Warnung gereichen, deren Leidenschaft die Vorhersage ist?

Nachtrag 7. Jan. 2013: Fürs Neue Jahr hat sich Professor Bofinger offenbar vorgenommen, von Vorhersagen zu Rezepten zu wechseln (DTS-Meldung 06.01.2013). Danach halte der „Wirtschaftsweise“ ein „Lohnplus von fünf Prozent … über alle Branchen hinweg“ für empfehlenswert und notwendig. Das erscheint mir als einem „Amateur-Ökonomen“ wirklich stark. Denn träfe Bofingers oben referierte Vorhersage zu, also wacklige Konjunktur 2013, dann könnte dies Patentrezept zu steigender Arbeitslosigkeit in Deutschland führen. Wieso dies einen Aufschwung im Süden der Euro-Zone erleichtern würde, bleibt Herrn Bofingers Geheimnis. Angenommen Bofingers Rezept bewirke, dass durch Tarifkonflikte und Lohnkostendruck konjunkturelle Stagnation und wachsende Inflation, also Stagflation, befürchtet würde. Diese Möglichkeit kann wohl auch Herr Bofinger nicht ausschließen. Würden bei solcher Unsicherheit mehr Tourismusleistungen, Lebensmittel, Wein oder Produktionsgüter aus Südeuropa nach Deutschland importiert werden? So fragwürdig der Segen der massiven „Lohnplus“-Empfehlung des Wirtschaftsweisen auch wäre, Bofinger bestätigt Prof. Krugmans These: Der wahrhaft Gläubige wird noch härter beim Werben um Anhänger, wenn seine Prophezeiungen daneben gehen. Folgerichtig sucht Professor Bofinger mit seiner erstaunlichen Lohnforderung jetzt wohl Anhänger bei den Gewerkschaften.