Evergreen: Neuer Feiertag.

Gesetzliche Feiertage sind populär. Gelegentlich entsteht der Eindruck, wenn Politikern nichts mehr einfällt, dann kommen sie uns mit einem neuen Feiertag.

Dieser Eindruck kann täuschen. So bei Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Sie wünscht den 500. Jahrestag der Reformation am Dienstag, den 31. Oktober 2017, „wie in anderen Bundesländern auch in NRW als Feiertag“. *1) Aber nicht aus Mangel an Einfallsreichtum, dazu ist ihr weit vorausschauendes Machtkalkül zu offensichtlich.

Frau Krafts Begründung: „Wir stehen diesem Vorschlag der evangelischen Kirche positiv gegenüber … Die Epoche der Reformation habe Europa nicht nur in religiöser Hinsicht, sondern auch in der Bildung, Kultur und Politik nachhaltig geprägt und weltweit Spuren hinterlassen“. *1)

Nimmt man die von der Ministerpräsidentin benannte Prägekraft historischer Ereignisse zum Maßstab, könnten wir im Rheinland und an der Ruhr fast jede Woche feiern, gedenken oder trauern. Letzteres mag für manche Aspekte (Bauern, Türken, Juden) des Erbes Martin Luthers oder der geschichtlichen Folgen der Reformation gelten … Aber Frau Kraft bezieht sich auch auf den sicher wohlbegründeten Vorschlag von Dr. h. c. Nikolaus Schneider, Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Wirft bei dieser Initiative die NRW-Landtagswahl im Frühjahr 2017 bereits ihren Schatten voraus? Oder die Bundestagswahl einen Monat vor dem Reformationstag? Die Landtagswahl muss Frau Kraft eindrucksvoll gewinnen, um bei der Bundestagswahl Kanzlerkandidatin der SPD zu werden.

Und hier setzt das Unbehagen nicht weniger Bürger an.

Als Muslime Ende März 2013 forderten, einen gesetzlichen Feiertag für ihren Glauben einzuführen, kamen ablehnende Reaktionen von der CDU. Ebenso von Krafts Arbeitsminister Guntram Schneider: „Eine Ausweitung der gesetzlichen Feiertage (sei) ´wirtschaftlich nicht finanzierbar`. In Nordrhein-Westfalen leben die meisten Muslime in Deutschland.“ Manche Zeitungen hatten die Forderungen des Zentralrats der Muslime als „Begehrlichkeiten“ kommentiert. *2)

Kalkulierte die Ministerpräsidentin Kraft schon Anfang März 2013 mit solchen „Begehrlichkeiten“ bei ihrer lutherischen Feiertags-Initiative? Dann wäre zu erwarten, dass sie – um die muslimischen Wahlberechtigten gegen die CDU zu mobilisieren – vor der NRW-Landtagswahl 2017 einen weiteren religiösen, einen islamischen Feiertag vorschlägt. Nachdem sie die Debatte um religiöse Feiertage mit „Luther 2017“ vorausschauend eröffnet hat.

Ist der von der Ministerpräsidentin angeregte Feiertag für den 31. Oktober 2017 Indiz für ein „System Kraft“? Damit ist hier gemeint: Gleichgültigkeit gegenüber den Kosten des Machterhalts und des politischen Nutzens für ihre Regierung. Aktuelle oder künftige Steuerzahler, die Wirtschaft oder Menschen, die den Arbeitsplatz verlieren, könnten mit diesen Kosten belastet werden.

Beginnen wir mit der Gleichgültigkeit gegen Bedenken aus der Wirtschaft: „Die NRW-Arbeitgeber warnten … vor den Kosten eines solchen Tages, an dem vonseiten des Gesetzgebers die Arbeit ruhen soll. Das, so die Arbeitgeberseite, werde alleine NRW rund eine halbe Milliarde Euro kosten.“ *1)

Da kommt bei Bürgern die Sorge auf, dass dieses „System Kraft“ auch die NRW-Haushaltspolitik bestimmen könnte.

Wird der NRW-Haushalt bis zur Landtagswahl 2017 ohne Neuverschuldung auskommen? Oder wird Frau Kraft ein defizitäres Budget fahren, um vor den Landtagswahlen wieder mit neuen Schulden „in soziale Gerechtigkeit zu investieren“? Jeder ökonomisch halbwegs informierte Bürger weiß, die Rechnung bleibt nicht aus: „There’s no such thing as a free lunch“.

Deshalb erwarten Bürger von einer verantwortungsbewussten Regierung, dass mit Prioritäten entschieden wird: Mehrausgaben für ein prioritäres Ziel A erfordern Minderausgaben bei einem nachrangigen Ziel B. Ökonomen sprechen dann von Opportunitätskosten für Ziel A in bezug auf Einschränkungen bei Ziel B.

Bis spätestens 2020 muss bekanntlich die Schuldenfinanzierung beendet, die „Schuldenbremse“ auch in NRW umgesetzt sein. Bleibt dann eine Titanenaufgabe für den Nachfolger im Amt, um dies in den verbleibenden zwei Jahren zu leisten? Treibt diese Perspektive den Wunsch des Wechsels von Frau Kraft nach Berlin?

Wie beurteilen Fachleute die derzeitige Haushaltspolitik in NRW?

2013 wird für den Landeshaushalt NRW kalkuliert: € 60 Mrd. Ausgaben, € 45 Mrd. Steuereinnahmen, € 11.6 Mrd. Sonstige Einnahmen und € 3.4 Mrd. neue Schulden. Dh. 5,7 % Budget-Defizit in einer Zeit maximaler Steuereinnahmen und – krisenbedingt und damit vorübergehend – außergewöhnlich niedriger Zinsausgaben. In solcher Situation fast das Doppelte des Maastricht-Kriteriums von 3 %, damit ein Land überhaupt zur Euro-Zone zugelassen werden darf!

Dazu stellt das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen nach kritischer Analyse insgesamt fest: „Von einem konsequenten Konsolidierungskurs der Landesregierung in diesem Jahr kann damit nicht die Rede sein.“ *3) (S. 3)

Die Forscher des RWI konstatieren wegen der Schuldenbremse „immensen Konsolidierungsbedarf“ und fordern:

Die Landesregierung sollte „die Haushaltskonsolidierung intensivieren. Je später sie damit beginnt, desto schwieriger wird es, im Jahr 2020 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorzulegen … Sollen einzelne Ausgabekomponenten wie die investiven Ausgaben in Human- und Sachkapital gesteigert werden, muss dies auch durch Einsparungen bei anderen, in erster Linie eher konsumtiven Ausgaben „finanziert“ werden. Die Landesregierung steht damit vor der Aufgabe, zur Finanzierung von neuen vorrangigen Projekten auch Einsparpotentiale bei nachrangigen Projekten zu benennen – nur dann kann von einer nachhaltigen Finanzpolitik die Rede sein.“ *3) (S. 5)

Wird die derzeitige „nicht-nachhaltige“ Finanzpolitik bis zu den Landtagswahlen 2017 fortgesetzt, kumulieren neue zusätzliche Schulden für den Nachfolger oder künftige Generationen als NRW-Erblast der Regierungszeit Hannelore Krafts. Und natürlich neue Steuerlasten.

Deshalb weckt der von der Ministerpräsidentin angeregte Feiertag für den 31. Oktober 2017 ebenso wie ihre Haushaltspolitik Sorge und Misstrauen gegenüber einem „System Kraft“ mit Folgekosten für jene Menschen, die für die Methoden des Machterhalts der Landesregierung Kraft werden zahlen müssen.

Der Reformator Martin Luther bedarf keiner politisch motivierten Feiertage. Berufene werden am 31. Oktober 2017 zum hoch ragenden Luther-Monument in der ganzen Welt beitragen.

Luther hat zwischen dem Reich Gottes und dem Reich der Welt unterschieden. „Das Leben umfasst zwei Herrschaftsbereiche: das eine ist das Reich Gottes, das andere das Reich der Welt … Das Reich Gottes ist ein Reich der Gnade und Barmherzigkeit. Aber das Reich der Welt … verwirklicht .. sich auch durch Macht.“ *4)

Möge die Ministerpräsidentin Kraft durch Macht und politische Herrschaft für „Gerechtigkeit im Leben der Welt“ wirken. Indem endlich nachhaltig finanzierte Landeshaushalte durchgesetzt und neue Schulden vermieden werden. Indem die Aufgaben des Hier und Jetzt die Zukunft und die kommenden Generationen dadurch achten, dass exzessive Kosten des Machterhalts für Frau Kraft diesen Generationen nicht aufgebürdet werden, sondern ihnen erspart bleiben. Indem endlich nachhaltig mit Prioritäten regiert und entschieden wird.

Durch solche Gerechtigkeitspolitik würde die Ministerpräsidentin dem Reformator Luther größere Ehre erweisen als durch einen Feiertag.

*1) http://www.koeln-nachrichten.de/neues-aus-nrw/gesetzgebung/gesetzgebung-news/article/rot-gruene-landesregierung-will-einmaligen-feiertag.html. Siehe dazu auch ihre Begründung: RP ONLINE zum Reformationsjubiläum 2017 Hannelore Kraft für einmaligen Feiertag zuletzt aktualisiert: 10.03.2013 – 10:53.

*2) www.derwesten.de/politik/muslime-fordern-zwei-gesetzliche-feiertage-fuer-opferfest-und-ramadan-in-deutschland-id7775704.html; siehe auch: www.morgenpost.de/politik/inland/article114875806/Katholische-Kirche-skeptisch-bei-Feiertagen-fuer-Muslime.html.

*3) Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein- Westfalen für das Haushaltsjahr 2013 (Haushaltsgesetz 2013) Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 16/1400 – Stellungnahme zur Anhörung im Landtag Nordrhein-Westfalen am 17. Januar 2013, S. 3 f., S. 5 f. Hinweis: Ein „strukturell“ ausgeglichener Haushalt kann neue Schulden zulassen, soweit diese dem Ausgleich einer konjunkturellen Schwäche dienen.

*4) Hans Mayer, Martin Luther – Leben und Glaube, Gütersloh 1982, S. 127 f.