Frage an die Kanzlerin

Seit Jahren mögen nicht wenige Politikbeobachter über den Sinn mancher Äußerung oder Initiative rätseln, mit der die Kanzlerin unser Land führt. Hier nur drei Beispiele:

„Eiserner Vorhang“ zwischen Irland und UK?

Die Bundeskanzlerin erzählte den Iren bei ihrem kürzlichen Besuch in Dublin: „Ich persönlich (!) komme aus einem Land, das viele Jahre durch eine Mauer getrennt war. Ich habe 34 Jahre hinter dem Eisernen Vorhang gelebt. Ich weiß, was es bedeutet, wenn Mauern fallen, wenn Grenzen verschwinden“. *1) Lassen wir dahingestellt, wie durchlässig der „Eiserne Vorhang“ (Sir Winston Churchill 1946) durch Willy Brandts Deutschland- und Ostpolitik wurde …

Aber wer oder was bedroht eigentlich Irland mit einem „Eisernen Vorhang“?

Das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland (UK)? Das als EU-Mitglied stets für den Gemeinsamen Markt und Freihandel eingetreten ist? Das vor allem die später beschlossene „ever closer union“, die föderalstaatlichen Ambitionen, die von der SPD genährte Illusion der „Vereinigten Staaten von Europa“ ablehnt?

Ein Volk, das sich durch ein Referendum mit besonders hoher Wahlbeteiligung — leider, leider! — für den Austritt aus der EU entschieden hat.

Gegen „voices from the continent“, die von „Subsidiarität“ nichts wissen wollen, die jede Kritik an einem vermeintlich zentralistischen EU-Missstand mit schallendem „mehr Europa“ zurückweisen. Und gegen Merkels unilateral verfügte Flüchtlingspolitik *2), die entscheidend für das Brexit-Ergebnis des Referendums von Juni 2016 gewesen sei — mindestens drei international angesehene Professoren vertreten bekanntlich diese Sicht: Paul Collier, Anthony Glees, Hans Werner Sinn.

Nun, es sind vor allem die EU-Zoll-„Mauern“, die beim Brexit zwischen EU-Irland und UK-Nordirland drohen. So absurd ist Merkels Gerede vom „Eisernen Vorhang“, den zu verhindern sie den Iren anbietet, dass man sich das Gelächter im UK, in der EU-Kommission und im EU-Rat lebhaft vorstellen kann.

Merkels nicht-öffentlicher Empfang des ehemaligen US-Präsidenten Obama.

Schon heute morgen war im TV zu hören, wie fest doch die persönliche Freundschaft zwischen Merkel und Obama sei — ganz im Gegensatz zur Beziehung mit dem US-Präsidenten Trump. Ein völlig unnötiger Eindruck wird verbreitet. In einer Zeit schwierigster Handelsfragen und verteidigungspolitischer Konflikte gerade zwischen den USA und Deutschland.

Warum genügte kein beiläufiges öffentliches Treffen — etwa nach dem Modell der gemeinsamen Podiumsdiskussion von Merkel und Obama auf dem Evangelischen Kirchentag im Mai 2017?

Gute Zusammenarbeit mit US-Präsident Trump muss für Deutschlands Interessen absoluten Vorrang genießen. Das sollte gegenüber Signalen nostalgischer Freundschaft mit Obama beachtet werden, die obendrein bereits öffentliche Spekulationen über ein schlechtes Verhältnis Merkels zu Präsident Trump anheizen.

Informationsverweigerung der Kanzlerin über UN-Flüchtlingslager 2015?

„Naiv oder dreist? … Angela Merkel gibt sich erstaunt über die dramatische Lage der syrischen Flüchtlinge im Nahen Osten.“ *3) So fragwürdig erschien der Journalistin Ruth Eisenreich Merkels angebliche Ahnungslosigkeit: „Hier haben wir alle miteinander, und ich schließe mich da ein, nicht gesehen, dass die internationalen Programme nicht ausreichend finanziert sind.“ *3)

Frau Eisenreich listet auf: Zwischen September 2012 und September 2015 allein 18 warnende Mitteilungen von UNO und internationalen Hilfsorganisationen wegen fehlender Finanzmittel. *3)

Diese Liste ließe sich noch verlängern, auch um Warnungen des Entwicklungsministers Gerd Müller (CSU) und deutscher Hilfsorganisationen. Im Gegensatz zu den Niederlanden hatte Deutschland 2015 trotzdem die Zahlungen an das UNO-World Food Programme (WFP, Welternährungsprogramm) drastisch gekürzt.

Darf sich eine Bundeskanzlerin (wie auch ihr damaliger Vizekanzler Sigmar Gabriel) von massiven außen- und entwicklungspolitischen Warnungen abschotten und Unkenntnis vorgeben — gegenüber einer folgenschweren Migrationskrise? Die keineswegs überwunden ist, wie die Zustände in Griechenlands Lagern und im Mittelmeer zeigen.

„Naiv oder dreist?“ Diese berechtigte Frage von Frau Eisenreich läutete das Ende der Kanzlerschaft Merkels ein.

Die Frage also: Frau Bundeskanzlerin, wann übergeben Sie das Amt?

*1) Irland-Besuch. Merkel setzt weiter auf geregelten Brexit. Angela Merkel hat mit dem irischen Regierungschef über den bevorstehenden Brexit beraten. Beim Treffen in Dublin sicherte die Kanzlerin den Iren ihre Unterstützung in der Grenzfrage zu Nordirland zu. Donnerstag, 04.04.2019, 20:05 Uhr; http://www.spiegel.de/politik/deutschland/brexit-angela-merkel-hofft-weiter-auf-geordneten-eu-austritt-der-briten-a-1261355.html.

*2) FEATURES. Merkel’s grandstanding on Syrian refugees will lead to many more deaths at sea. The incentive is greater for people to risk the perilous journey to Europe. James Forsyth. 12 September 2015 9:00 AM; https://www.spectator.co.uk/2015/09/merkels-big-gesture-on-syrian-refugees-will-lead-to-many-more-deaths-at-sea/.

James Forsyth: „Of all the irresponsible decisions taken in recent years by European politicians, few will cause as much human misery as Angela Merkel’s plan to welcome Syrian refugees to Germany. Hailed as enlightened moral leadership, it is in fact the result of panic and muddled thinking. Her pronouncements will lure thousands more into the hands of unscrupulous people-traffickers. Her insistence that the rest of the continent should share the burden will add political instability to the mix. Merkel has made a dire situation worse.“

*3) 24. September 2015, 16:33. Syrien-Flüchtlinge. Was Merkel übersehen hat. Angela Merkel gibt sich erstaunt über die dramatische Lage der syrischen Flüchtlinge im Nahen Osten. Dabei hätte es durchaus ein paar Hinweise gegeben. Eine Chronologie in Zitaten. Von Ruth Eisenreich; https://www.sueddeutsche.de/politik/2.220/syrien-fluechtlinge-was-merkel-uebersehen-hat-1.2662655.