Frau Piefke schaltet sich ein …

im EU-Wahlkampf, in Österreich, und sie fordert sogar von Berlin aus: „Neuwahlen“ und — weil ein „einfacher Rücktritt“ von Heinz-Christian Strache nicht aus(reiche) — wohl auch den Sturz des Bundeskanzlers Sebastian Kurz. Erwartetes Ergebnis?

Andrea Nahles, SPD- und Fraktions-Chefin im Deutschen Bundestag, „schaltet sich in die Debatte um Österreichs Regierungskrise ein“ .*1) Was ist von solcher Attacke ohne Rücksicht auf Verluste im EU-Wahlkampf zu erwarten?

Spekulieren wir zu Frau Piefke und ihren Erwartungen aus angepasster kämpferischer Natur:

  • Sie will die konservative ÖVP fertigmachen und die CDU/CSU gleich mit?
  • Sie will die österreichische Sozialdemokratie SPÖ als Regierungspartei?
  • Sie will die österreichische FPÖ (Ibiza-Skandal) und die Rechtspopulisten fertigmachen?
  • Sie will für Anstand und Demokratie im Nachbarland Österreich werben?
  • Sie bekommt Beifall von deutschen Wählerinnen und Wählern?

Sie will die konservative ÖVP fertigmachen und die CDU/CSU gleich mit?

Dies erscheint zunächst als ein plausibles Ziel für den EU-Wahlkampf. Doch selbst in Deutschland stößt dies — der „Bätschi-Faktor“ — auf Zweifel: „Mit ihrer Einschätzung zur Regierungskrise in Österreich versucht SPD-Chefin Nahles Trost im Scheitern der anderen finden. Das ist ziemlich trostlos – zumal die Schwesterpartei SPÖ noch eine klare Positionierung schuldig ist.“ *2) Nicht vergessen werden sollte, dass wesentliche Ursache der SPÖ-Niederlage bei der Nationalratswahl 2017 ihre aufgedeckte Schmutzkampagne gegen den ÖVP-Kanzlerkandidaten Sebastian Kurz war. Da musste Nahles` „Bätschi“ ausfallen.

Sie will die österreichische Sozialdemokratie SPÖ als Regierungspartei?

Die Frage ist schwer zu beantworten, mit welchem Rat oder welcher Tat Nahles der SPÖ zur Regierungsmacht verhelfen könnte.

Selbst für den angesehenen österreichischen Politik-Professor Peter Filzmaier ist unklar, ob die SPÖ mit „Eine Stimme gegen die FPÖ“ … ihre Anhänger für die Europawahl mobilisieren kann. *3)

Erst recht könnten dann aber die Rücktritts-Empfehlungen — ausgerechnet aus Berlin, von Nahles, nach Wien — nicht nur gegen den diskreditierten Strache/FPÖ, sondern auch gegen Bundeskanzler Kurz/ÖVP der SPÖ derzeit nicht willkommen sein.

Denn die SPÖ stecke „in einem strategischen Dilemma“: „Soll sie nächsten Montag einen Misstrauensantrag gegen Sebastian Kurz unterstützen – und riskieren, bei der Wahl für die daraus möglicherweise entstehende Instabilität verantwortlich gemacht zu werden? Oder stimmt sie dagegen – und verzichtet damit auch darauf, ihren schärfsten politischen Gegner vom Podest des Amtsinhabers zu holen?“ *4)

Das SPÖ-Dilemma könnte noch dadurch verschärft werden, dass der eine oder andere der vier neuen Experten-Minister, die von Bundespräsident Van der Bellen ernannt wurden, der SPÖ nahestehen soll: „Keiner ist ÖVP-Mitglied, einige haben eine SPÖ-Nähe“ wird dazu aus Österreich berichtet. *4)

Eine Mehrheit von SPÖ gegen die ÖVP durch Zusammengehen mit den liberalen Neos und/oder den Grünen sei, so urteilt Prof. Filzmaier, „illusorisch bis wenig wahrscheinlich“. Somit bliebe als Koalitionspartner der SPÖ nur die ÖVP, die mit Sebastian Kurz „weit über normale Parteirivalität hinaus … nahe am Feindbild der SPÖ“ stehe. *4)

Die SPÖ braucht also eigenes Nachdenken und eigene Analyse, aber keine Ratschläge von außen, schon gar nicht aus Deutschland, wie noch zu belegen ist.

Sie will die FPÖ und die Rechtspopulisten fertigmachen?

Die FPÖ kann man aus mehreren Gründen nicht einfach mit Rechtspopulisten wie der AfD gleichsetzen: Die FPÖ besteht bereits seit dem Jahr 1956, ist im Bundesparlament (Nationalrat), in allen Landtagen und vielen Gemeinderäten fest verankert.

SPÖ-Vertreter in Linz an der Donau (Oberösterreich) und im Burgenland (Eisenstadt), die mit der FPÖ koalierten, hätten „bis vor kurzem noch (betont), wie gut die Zusammenarbeit mit der FPÖ funktioniere … Dazu kommt die gemeinsame Geschichte: SPÖ-Übervater Bruno Kreisky ließ 1970 seine Minderheitsregierung von der FPÖ unter dem ehemaligen SS-Obersturmbannführer Friedrich Peter tolerieren.“ *4)

Würde die SPÖ die sicher verständliche, aber grobschlächtige Rhetorik von Nahles gegen die FPÖ übernehmen, könnte ihr in Österreich nicht nur der Vorwurf der Heuchelei entgegenschlagen, sondern auch ein „Jetzt erst recht“ von FPÖ-Wählern, die einst bei der SPÖ politisch beheimatet waren. So sei kaum eine Quelle von Wählerwanderungen hin oder zurück zur SPÖ auszumachen, analysiert Prof. Filzmaier, eher würden die Grünen profitieren. *4)

Sie will für Anstand und Demokratie im Nachbarland Österreich werben?

Hätte Nahles bei ihrer Intervention zur österreichischen Regierungskrise diese Absicht verfolgt, überschritte das die Grenze zur Anmaßung, obendrein aus Sicht der österreichischen Interessen einer spalterischen und potentiell Schaden stiftenden Anmaßung.

Denn Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat in einer Rede zur österreichischen Bevölkerung die eindrucksvollsten Worte für Gemeinsamkeit in der Krisenpolitik gefunden: *5)

„Wir alle haben ein Sittenbild gesehen, das Grenzen zutiefst verletzt. Ein Bild der Respektlosigkeit, des Vertrauensbruchs, der politischen Verwahrlosung … Ein Politiker ist dazu gewählt, seinem Land zu dienen. Um das gut zu machen, muss er oder sie genau unterscheiden können, was anständig und was unanständig ist, was korrupt und was korrekt ist, was sich gehört und was eben nicht … Das Bild Österreichs in Europa und der Welt wiederherzustellen, Vertrauen aufbauen – das alles wird nur gemeinsam gehen.“

An die Parteien gerichtet, appelliert der österreichische Bundespräsident: „Denken Sie jetzt nicht daran, was Sie für Ihre Partei kurzfristig herausschlagen können, sondern denken Sie daran, was Sie für Österreich tun können. Fragen Sie nicht: Hilft es mir bei der Wahl? Fragen Sie: Hilft es Österreich?“ *5)

Sorgen um die Demokratie in unserem Nachbarland Österreich hat Bundespräsident Van der Bellen in der gleichen noblen Weise aufgegriffen. *6)

„In dieser Form ist das, was zuletzt in Österreich passiert ist, noch nicht dagewesen … In Zeiten wie diesen, zeigt sich die Eleganz, ja die Schönheit unserer österreichischen Bundesverfassung. Jeder Schritt, der jetzt getan wird, ist vorgesehen und in der Verfassung verankert. Ich achte dabei penibel auf die Einhaltung jedes einzelnen Details. Es ist mein zentrales Bestreben, dass nun ausschließlich im Interesse und zum Wohle der Republik gehandelt wird. Alles, was in den vergangenen Stunden getan wurde und im weiteren Verlaufe des Überganges getan wird, hat der Aufrechterhaltung der Stabilität und Funktionsfähigkeit unseres Staates zu dienen.“

Diese Worte des Bundespräsidenten Van der Bellen sollte die Wahlkampfrednerin Nahles wenigstens nachträglich beherzigen. Die Worte Van der Bellens „Fragen Sie nicht: Hilft es mir bei der Wahl? Fragen Sie: Hilft es Österreich?“ *5) sollten deutsche Kritiker gerade vor der Wahl für das Parlament unserer Europäischen Union zur Zurückhaltung bewegen, wenn nicht angesichts lautstarker Wahlrede über unser Nachbarland beschämen!

Das hat der Bundesrepublik Österreich noch gefehlt: Während Bundespräsident Van der Bellen die Parteien des Landes zu gemeinsamem Handeln für das politische Ansehen ihrer Demokratie zusammenführt, „schaltet“ sich Frau Piefke aus Berlin in die Debatte des Nachbarlandes ein, um ihr parteipolitisches Wahlkampfsüppchen zu kochen. Eine außen- und europapolitische Inkompetenz, die den Atem verschlägt!

Sie bekommt Beifall von deutschen Wählerinnen und Wählern?

Andrea Nahles, SPD- und Fraktions-Chefin im Deutschen Bundestag, „schaltet sich in die Debatte um Österreichs Regierungskrise ein“ *1) Wenn diese durchsichtige Kalkulation wenige Tage vor der EU-Wahl auf den Beifall von deutschen Wählerinnen und Wählern zielte, könnte sich das als großer Irrtum herausstellen.

Die in Berlin lebende österreichische Journalistin Eva Reisinger berichtet: „Die Deutschen lieben Österreich. Die Sprache, das Land, die Berge, die Wiener Kaffeehauskultur … Die meisten Deutschen verbinden mit Österreich schöne Erinnerungen an Urlaub in den Alpen oder in Wien … Zu altbewährten Klassikern wie Kaffeehauskultur, Schnitzel und Apfelstrudel zählt seit einigen Jahren auch eine Welle an österreichischer Popkultur.“ *7)

Wie weit sich die deutschen Österreich-Fans von der aktuellen dortigen Politik-Krise beirren lassen könnten, sei dahingestellt. Eines ist für Österreich-Kenner gewiss: Man kann sich die Zeit und den Verdruss ersparen, die vielfältigen Gründe aufzuzählen, „warum die Ösis die Piefkes nicht mögen“. *7)

Hiermit ist jedenfalls das Ende der Spekulation über die Motive von Frau Piefke, Entschuldigung, von Andrea Nahles, SPD- und Fraktions-Chefin im Deutschen Bundestag, erreicht.

Wenn Piefkes „sich in die Debatte um Österreichs Regierungskrise ein(schalten)“, *1) sei es auch nur, um kurz vor der EU-Wahl „Trost im Scheitern der anderen (zu) finden“, *2) so stoßen sie, wenn wir Eva Reisinger folgen, bei Deutschen auf Misstrauen und in Österreich auf die allergrößte Ablehnung.

Was ist von der Nahles-Attacke gegen Österreichs Konservative und Rechtspopulisten im EU-Wahlkampf zu erwarten? In Deutschland und in Österreich: Nichts, Null, Nada!

Völlig daneben!

*1) SPD-Chefin zur Ibiza-Affäre. Nahles fordert Neuwahlen in Österreich. 18. Mai 2019, 13:15 Uhr;

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/andrea-nahles-fordert-neuwahlen-in-oesterreich-a-1268110.html

*2) MEINUNG. NAHLES-SPD. Der Bätschi-Faktor. Von Dagmar Rosenfeld Chefredakteurin. Stand: 21.05.2019.

https://www.welt.de/debatte/kommentare/article193906067/Nahles-SPD-zu-Oesterreich-Der-Baetschi-Faktor.html

*3) Interview. „Der Kollateralschaden von Strache & Co“. Wem schadet die Ibiza-Affäre um HC Strache? Wie geht es mit der FPÖ nun weiter? Und wie mit Österreich? Die Analyse des Politologen Peter Filzmaier. Von Lisa Maria Gasser. 20.05.2019;

https://www.salto.bz/de/article/19052019/peter-filzmaier-strache  (Salto.bz ist ein Nachrichten- und Communityportal in Südtirol .. salto.bz gilt als progressives Medium. (Wikipedia)).

*4) REGIERUNGSKRISE IN ÖSTERREICH. Plötzlich steckt die SPÖ in einem strategischen Dilemma. Von Elisalex Henckel. Stand: 22.05.2019, 07:37 Uhr.

https://www.welt.de/politik/ausland/article193925315/Oesterreich-Ploetzlich-steckt-die-SPOe-in-einem-strategischen-Dilemma.html

*5) Bundespräsident Alexander Van der Bellen wendet sich in einer Rede zur aktuellen politischen Lage direkt an die österreichische Bevölkerung. 21.5.19;

https://www.bundespraesident.at/aktuelles/detail/news/rede-zur-aktuellen-politischen-lage

*6) »Jeder Schritt, der jetzt getan wird, ist in der Verfassung verankert.« Statement von Alexander Van der Bellen nach dem Gespräch mit Sebastian Kurz. 21.5.19;

https://www.bundespraesident.at/aktuelles/detail/news/gespraech-mit-bundeskanzler-sebastian-kurz

*7) Eva Reisinger. Piefke und Ösis: Eine einseitige Liebesgeschichte. Deutsche lieben Österreicher*innen – umgekehrt nicht. Unsere Autorin ist Österreicherin und fragt sich: Warum ist das so? Eine Glosse. 02. November 2018;

https://ze.tt/piefke-und-oesis-eine-einseitige-liebesgeschichte