G – Gastgeber Bundestag.

Dies als Vorschlag für einen neuen Eintrag im „Wörterbuch der Politikverdrossenheit“, mit dem der sozialdemokratische „Vorwärts“ für demokratische Kultur in unserem Lande wirkt. Beim Buchstaben „F“ war ja in der letzten Vorwärts-Nummer Feierabend.

Bekanntlich ist der Bundestag als Vertretung des Volkes und als Gesetzgebendes Gremium das wichtigste Organ der Bundesrepublik Deutschland. Der Bundestag lädt gelegentlich auch Gäste ein, damit sie zu den Abgeordneten sprechen können. Dafür gibt es einen ganz einfachen und jedem einsichtigen Grund: die Sichtweisen des Gastes kennen lernen. Deshalb sind auch viele Bürger an solchen Veranstaltungen unseres Parlaments interessiert.

Völkerkundler haben uns gezeigt, dass diese Kultur der Einladung, des Austausches zwischen Gastgeber und Gast, uralt ist und von den einfachsten Völkern seit undenklichen Zeiten in Traditionen und Ritualen gepflegt wird. In schöner Klarheit drückt diesen universalen Anstand ein russisches Wort aus: „Für den Gast – den Respekt; für den Gastgeber – die Ehre“ (s. Info-Seite Russland Hautnah).

Macht Euch nicht zu große Hoffnung, wie tief manche Politiker von diesen Werten durchdrungen sind. Sicher aber doch die Vertreter der Sozialdemokratie? Der SPD, die vor fast 150 Jahren als Partei gegründet wurde, um für demokratische Werte und Würde von Parlament und gewählten Volksvertretern zu kämpfen. Damit die Abgeordneten frei von Weisungen und nur ihrem Gewissen verpflichtet für das Wohl der Menschen arbeiten können. Sicher?

Der amerikanische Autor Jonathan Franzen schildert uns das Fiasko eines Gesprächs zwischen Gast, dem jungen Wissenschaftler Walter, und Gastgeber, einer Politikerin, bezeichnend eine progressive Demokratin: Der Fehler war, dass „Walter sich für Politik begeisterte und, nicht wissend, wie Politiker sind, dem Irrglauben anhing, eine Abgeordnete der Parlamentskammer interessiere sich für seine Meinung.“ (Freiheit, 2. Auflage, 2010, S. 165).

Sind so Politiker? Deren Gewissens- und Weisungsfreiheit als gewählte Abgeordnete Grundlage unserer Staatsordnung ist? Der revolutionäre Denker Friedrich Schiller hat dem Wert der Freiheit des Menschen höchsten Rang zugemessen. Aber er hat ihn mit dem Anstand und der Bindung an höchste Werte als – von ihm religiös gesehene –  Quelle des Anstandes verknüpft. In dieser dreifachen Bindung – Freiheit, Anstand, Werte – wurzelt für Schiller die Würde des Menschen (Worte des Glaubens). Zentraler Wert des Grundgesetzes, das unsere MdB´s verpflichtet!

Welches Gebot der Freiheit, des Anstandes, welche Werte veranlassen nun über 100 Abgeordnete des deutschen Bundestages, ihrem hohen Gast den Respekt des Zuhörens zu verweigern? Ablehnung oder Desinteresse gegenüber den Auffassungen des vom Deutschen Bundestag eingeladenen Staatsoberhauptes, des Oberhaupts einer der weltweit größten Religionsgemeinschaften? Auch viele nicht religiös gebundene Bürger, die sich mit Büchern, Enzykliken, Reden des Papstes Benedikt XVI auseinandergesetzt haben, werden seinen geistigen Rang in unserer Zeit anerkennen.

Zurück zum Punkt von Jonathan Franzen: Abgeordnete, die selbst ihrem eigenen Gast, selbst einer Persönlichkeit solchen Formates, heute die Aufmerksamkeit verweigern – werden sich diese Damen oder Herren für die Bürger und ihre Sorgen interessieren? Werden sich solche Volksvertreter um etwas anderes „kümmern“ als um sich selbst? Gebt Euch keinem Irrglauben hin, ihr Politikbegeisterten! Aber merkt Euch wenigstens die Namen jener Sozialdemokraten, von denen die schnöde Verletzung der Gastfreundschaft verurteilt wird! G – Gabriel …