Gehört Warhol zu NRW?

Vorweg die Antwort: Ja, natürlich, meine ich.

Nicht als Warhol-Kenner oder aus „Liebe“ zur Kunst Andy Warhols. Sondern aus Respekt vor der Persönlichkeit jedes Künstlers. Der nicht anders kann als seiner Gabe durch sein Werk zu dienen.

Nicht selten zahlen Künstler für diese ausschließliche Hingabe an ihr Werk einen hohen Preis. Der Künstler bedarf vor allem der Freiheit. Deshalb heißt es in unserem Grundgesetz zu I. Grundrechte, Artikel 5, (3) „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“

Kunstwerke ehren wir als kulturelles Vermögen der Menschheit. Andy Warhol zeigte Werke auf der 4. Documenta 1968, der 6. Documenta 1977 und der 7. Documenta 1982. Eine Ehre für unser Land!

Und eine besondere Ehre für Nordrhein-Westfalen (NRW) ist Andy Warhols Bild des Kölner Doms von 1980. Rosarot ragt die Kathedrale in den türkisfarbenen Himmel, mit Diamantstaub an den schroffen Konturen. Das Werk ist noch bis zum 18. Januar 2015 in der Ausstellung zur „Kathedrale in Romantik, Impressionismus und Moderne“ im Kölner Wallraf-Richartz-Museum zu sehen.

Künstler wie Lou Reed oder David Bowie verehrten Andy Warhol; sie widmeten ihm Lieder zum Dank für Inspiration durch Leben und Werk.

Was bieten uns unsere „NRW-Landesmütter“ Hannelore Kraft, SPD, Ministerpräsidentin, und Sylvia Löhrmann, Grüne, stellvertretende Ministerpräsidentin und Ministerin für Schule und Weiterbildung, zum Thema Andy Warhol?

Sie lassen seine Bilder „verscherbeln“ *1) : „WESTSPIEL. Kunstplünderstätte Deutschland“, so bewertet Sebastian Preuss den Vorgang in der ZEIT *2).

Viele Museumsdirektoren und angesehene Kunstsachverständige aus aller Welt protestieren gegen solchen Ausverkauf. 26 Museumsdirektoren aus NRW sehen darin zu Recht einen „Präzedenzfall“ und „internationalen Ansehensverlust“.*3)

Der Vorstand des Verbandes Deutscher Kunsthistoriker e.V. befürchtet eine „Kettenreaktion, nicht nur die klammen landeseigenen, sondern auch die mindestens ebenso klammen kommuna­len Kassen durch den Verkauf von Kunstwerken zu entlasten.“ *4)

Früher tönten große Worte. „Nicht nur mit ihren ökonomischen Umsätzen, auch mit ihrem ästhetischen Einsatz sprengt Nordrhein-Westfalens erste Spielbank alle bisherigen deutschen Casinorekorde. Dies ist das aufregendste, vergnüglichste, unterhaltsamste Museum im Lande. Täglich tausend Besucher: Tolle Chancen für die Kunst!“ schrieb Peter Sager 1976 in seiner Einleitung zum Katalog »Kunst + Spiel«, der die Kunst und die Räume des neu eröffneten Spielcasinos in Aachen vorstellte — so erinnert die Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, Isabel Pfeiffer-Poensgen, an die Gründung des Spielcasinos als 100 % -Tochter-Gesellschaft der landeseigenen heutigen NRW.Bank. *5)

2014 drohte der Spielbank die Pleite, v.a. wegen der hohen Entnahmen durch das Land NRW und die Stadt Aachen. Staatlicher „Kasino-Kapitalismus“ bringt nun Kunst unter den Hammer.

Wirtschaftlich bedeutet dies: Einmalig wird reichlich Kasse gemacht, jedoch das kulturelle Vermögen ist für immer weg. Macht nichts, wird über Ministerpräsidentin Hannelore Kraft berichtet, Warhols Bilder im Spielkasino „waren nur Deko“ und schon gar kein „nationales Kulturgut“, da ja Andy Warhol bekanntlich Ausländer ist. *1)

„Der eigentliche Skandal ist die Denke“, diese “Denke“ einer sozialdemokratischen Ministerpräsidentin — und dieser Satz trifft hart. Ebenso der Vorwurf: Dass „offenbar niemand auf den Gedanken kommen wollte, dass man auch der WestSpiel im Tausch gegen die Bilder das erforderliche Kapital hätte geben können, um sich zu sanieren, ist schon entlarvend. Stattdessen gilt das Prinzip, dieses – wie andere – Tochterunternehmen des Landes zwar auszuquetschen wie eine Zitrone, aber doch noch gerade eben so am Leben zu erhalten, dass es mittelbar dem Land und den jeweiligen Sitzkommunen noch lange die rund fünfzigprozentige Spielbankabgabe abliefern kann.“ *6)

Der Deutschland-Chef und Europa-Chairman von Sotheby’s, Philipp Herzog von Württemberg, urteilt im Gespräch mit dem Handelsblatt: Die Haltung der Landesregierung sei „ignorant“, die „Argumente inkompetent“. *1)

Die Berliner CDU-Politikerin Monika Grütters, in der Bundesregierung als Staatsministerin für Kultur und Medien dafür verantwortlich, Kultureinrichtungen zu fördern und die kultur- und medienpolitischen Interessen Deutschlands bei der EU zu vertreten: „Kunstwerke seien keine Spekulationsobjekte. ´Sie zu veräußern, um klamme Staatskassen zu sanieren, wäre schlichtweg unanständig und ein Systembruch.`“ *1)

Alle diese Urteile teile ich bis auf eines: Das Wort „unanständig“ ist verfehlt und weist unvorteilhaft auf die Urheberin zurück!

Dem kritikwürdigen Handeln der NRW-Landesregierung mag gleichwohl eine ethische Dimension zugerechnet werden. Frau Ministerpräsidentin Kraft wünscht bekanntlich aus religiöser Überzeugung zu Ehren Martin Luthers den 500. Jahrestag der Reformation am Dienstag, den 31. Oktober 2017, als Feiertag in NRW.

Das ist eine für die Wirtschaft NRWs zwar teure, aber aus Sicht nicht nur evangelischer Christen anständige Geste. Suchen wir daher in der Bibel Martin Luthers nach ethischen Kriterien zum umstrittenen Verkauf der Bilder Andy Warhols.

Im 5. Buch Mose, Kapitel 6, fordern die Verse 10 und 11 Verantwortung für das, was wir ohne eigenes Zutun empfangen haben: „Große und feine Städte, die du nicht gebaut hast, und Häuser alles Guts voll, die du nicht gefüllt hast, und ausgehauene Brunnen, die du nicht ausgehauen hast, und Weinberge und Ölbäume, die du nicht gepflanzt hast“. Noch heute bedenkenswerte Worte: Das überkommene kulturelle Vermögen des Landes ist von uns zu schützen und zu bewahren!

Denn es wurde in der Vergangenheit aufgebaut. Von den Vorgängern, nicht von unseren beiden „NRW-Landesmüttern“ Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin, und Sylvia Löhrmann, stellvertretende Ministerpräsidentin und Ministerin für Schule und Weiterbildung. Die ließen zu, dass mit öffentlichen Mitteln in NRW erworbene Kunstwerke Andy Warhols im November 2014 in New York versteigert wurden. Kasse machen, zocken mit Kunstwerken, die Empörung ist berechtigt.

Erinnern wir einige Vorgänger der Ministerpräsidentin: Heinz Kühn, Johannes Rau, Wolfgang Clement, Peer Steinbrück. Diese „Landesväter“ haben kulturelles Vermögen aufgebaut, nicht abgebaut.

Und dies werfen wir der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft vor: Andy Warhols jetzt verlorene Werke gehörten zu NRW, zu uns Bürgern in NRW. Diese „Denkmäler der Kunst“ standen „unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände.“ Weil „Kultur, Kunst und Wissenschaft .. durch Land und Gemeinden zu pflegen und zu fördern (sind)“.*7)

*1) WARHOL-VERSTEIGERUNG. NRW verscherbelt Kulturgut für Spielbank; 13.11.2014; www.handelsblatt.com › Panorama › Kunstmarkt. Es handelt sich um die beiden Bilder „Triple Elvis“ und „Four Marlons“.

*2) WESTSPIEL. Kunstplünderstätte Deutschland. Zwei Warhols aus Aachen sollen in New York versteigert werden. VON SEBASTIAN PREUSS. DIE ZEIT Nº 44/2014. 23. Oktober 2014.

*3) MUSEUMSDIREKTOREN. Brandbrief gegen Warhol-Versteigerung. ERSTELLT 15.10.2014. Kölner Stadtanzeiger. Die Frage steht im Raum: Wer spendet staatlichen Museen noch Kunstwerke, wenn späterer Verkauf zum Stopfen von Haushaltslöchern droht? Finden Kunstwerke im Privatbesitz dann nur noch den Weg in Privat-Stiftungen?

*4) Offener Brief / Petition: Geplanter Verkauf von öffentlichem Kunstbesitz in Nordrhein-Westfalen. „Der Vorstand des Verbandes Deutscher Kunsthistoriker e.V. hat den nachfolgenden Offenen Brief im Dezember 2014 an die Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen Hannelore Kraft gerichtet, um gegen den geplanten Ver­kauf zahlreicher Kunstwerke zu protestieren, die mit Steuergeldern angekauft wurden und von denen sich viele an öffentlichen Orten, mitunter sogar seit Jahrzehnten als Dauerleih­gaben in nordrhein-westfälischen Museen befinden“; http://www.kunsthistoriker.org/offener_brief_nrw_kunstbesitz.html.

*5) Mit Kunst spielt man nicht. Gehören Kunstsammlungen der Gegenwartskunst ausschließlich ins Museum? Sind privatrechtliche Lösungen legitim? Isabel Pfeiffer-Poensgen; www.politikundkultur.net. Zeitung des Deutschen Kulturrates, S. 18 ff.

*6) Der eigentliche Skandal ist die Denke. Zum Bilderverkauf in Nordrhein-Westfalen. Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff; Staatssekretär für Kultur in NRW a.D., Professor an der Universität Düsseldorf und Vorsitzender des Kulturforums der CDU NRW; www.politikundkultur.net. Zeitung des Deutschen Kulturrates, S. 20 ff.

*7) Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen, Artikel 18: (1) Kultur, Kunst und Wissenschaft sind durch Land und Gemeinden zu pflegen und zu fördern. (2) Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Kultur, die Landschaft und Naturdenkmale stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände. (Dieser Hinweis auf Artikel 18 der NRW-Landesverfassung kontrastiert dessen Sinn mit dem kulturpolitischen Geist, der in der NRW-Regierung herrscht. Eine gerichtliche Klage gegen die Landesregierung kann sich wohl nicht auf Artikel 18 der NRW-Verfassung stützen. RS).