Gregor Gysi – Versailles-Politiker.

Heute im Bundestag eine begrüßenswert kontroverse und damit klärende Aussprache über ein sehr ernstes Thema: Stabilität des Euro und damit des EU-Projekts sichern gegen die langjährig eingerissene Verschluderung der öffentlichen Finanzen in einer Reihe von EU-Ländern.

Man glaubt kaum, wie kontrovers einige einleuchtende Grundsätze beurteilt werden, die Frau Birgit Homburger vortrug: Der „No bail-out“- Grundsatz des EU-Vertrags von Lissabon und des EU-Stabilitäts- und Wachstumspakts müsse gewahrt bleiben (RS: d.h. überschuldete EU-Länder haben ausdrücklich nicht den Anspruch auf Transferzahlungen durch die solide haushaltenden Länder). Hilfe nur als ultima ratio bei gesamteuropäischer Gefährdung der Stabilität. Wenn ein Land wie Portugal nicht sparen wolle (RS: auf politischen Druck dortiger Konservativer!), gebe es keine deutsche Hilfe. Wer Solidarität wolle, dürfe nicht die überfordern, die Solidarität leisten.

In Portugal, Spanien und Griechenland stehen Sozialdemokraten in den Sielen, um den Augiasstall auszumisten. Die Regierungschefin kommentiert dies anerkennend! Sehr nachlesenswerte Beiträge von Angela Merkel, Peer Steinbrück, Birgit Homburger und Jürgen Trittin.

Aber den Vogel schoss Gregor Gysi ab. Bewundernswertes historisches Gedächtnis demonstrierend – ob es ihm gelegentlich den Schlaf raubt? – führt er den Begriff des „Versailles-Politikers“ in die Debatte ein und gegen die Kanzlerin ins Feld. Deutschland habe ja zu Recht den Ersten Weltkrieg verloren. Aber die Sieger in Versailles hätten nicht aufhören können zu siegen – mit der grausigen Spätfolge der Nazi-Diktatur. Der Bundeskanzlerin wirft er nun vor, gegen Griechenland, Portugal etc. als Versailles-Politiker aufzutreten: Sie könne nicht aufhören zu sparen.

In Deutschland wie in Europa komme es darauf an, gegen solche Totspar-Politik die linke Alternative durchzusetzen: Löhne rauf, Renten hoch, Sozialleistungen und Hartz IV dito – „davon lebt der Gastwirt!“ ruft er fröhlich in den Saal. Wie erreicht man solchen Segen? Natürlich Produktivität erhöhen, indem man die Wochen- und Lebens-Arbeitszeit senkt (RS: Die Produktivität als Quotient aus Wirtschaftsleistung und Arbeitsvolumen steigt nach Starökonom Gregor Gysi, wenn weniger gearbeitet wird). Immerhin beherrscht der Meister die Grundrechenart des Dividierens und – nur für Ökonomen! – die ceteris paribus-Klausel. Diese – ohne es zu sagen – anwendend, schließt Gysi messerscharf, dass die Wirtschaftsleistung bei Arbeitsunlust konstant bleibt.

Ein eindrucksvolles Eigentor, Herr Gysi! Karneval ist Aschermittwoch vorbei. Sie aber können nicht aufhören, den Büttenredner zu geben – Versailles-Politiker!