GroKo ohne Vorschusslorbeer.

„Programmatische Müdigkeit von Union und SPD“ *1) diagnostizierten Ärzte, die sich auch für die Politik und die GroKo als Patienten zuständig fühlen. Und weil man dem Hausarzt glaubt, wird die Diagnose weithin geteilt.

“GroKo-müde, GroKo-skeptisch“ (ARD-DeutschlandTrend-Umfragen), „Müde Interpretationen über die Zukunft“ *2). „Müde, matt, inspirationslos.“ *3) „Diese Koalition hat fertig, bevor sie begann.“ *4) „GroKo .. fragile Angelegenheit … Gelangweilt, uninspiriert, ohne wirklich packende Botschaft … gute Nacht.“ *5)

Wer als langjähriger Beobachter von Politik gesehen hat, was nicht eben selten herauskam, wenn Regierungen unter Jubel, mit „Inspiration und packenden Botschaften“ starteten, der ist versucht, der neuen, glanzlos beginnenden GroKo ein gutes Gelingen vorherzusagen.

Hier kümmern wir uns nicht um den Gesichtsausdruck der künftigen Kanzlerin Merkel und des Vizekanzlers Scholz bei der öffentlichen Unterzeichnung des Koalitionsvertrags 2018. Sondern um ihre politische Entschlossenheit und Substanz.

Müdigkeit? Matt? Ziemlich unsinnige Behauptungen, die in den Medien verbreitet werden. Gerade auch angesichts der jüngeren Mitglieder des Kabinetts!

Olaf Scholz und die designierte SPD-Vorsitzende Andrea Nahles hatten beträchtliche politische Entschlusskraft bewiesen. Denn sie warfen Sigmar Gabriel, den beliebtesten Politiker Deutschlands, aus der SPD-Mannschaft.

Gründe dafür drängten sich auf. Die SPD verdankte das 20%-Wahlergebnis keineswegs dem vielfach behaupteten Mangel an Profilierung in der GroKo 2013-2017. Sondern die SPD verlor, weil ihr Vorsitzender Sigmar Gabriel, höchst hör- und sichtbar als Wirtschafts-, Außenminister und Vizekanzler, den Wahlkampf 2017 spektakulär vergeigte.

Indem er, wie schon 2013, vor der Spitzenkandidatur kniff, als er Peer Steinbrück ins Rennen geschickt hatte. 2017 fand Gabriel den ahnungslosen Martin Schulz. Der bekam weder eine geordnete Übergabe für den SPD-Vorsitz, noch eine effektive Wahlkampagne vorbereitet und organisiert. Obendrein besaß Gabriel die Unverschämtheit, Martin Schulz mehrfach öffentlich in den Rücken zu fallen.

Gabriels Marginalisierung durch Olaf Scholz und Andrea Nahles war nicht nur berechtigt, sondern notwendig, um Regierung und Fraktion berechenbar zu koordinieren!

Auch die Kanzlerin Angela Merkel ist von politischer Mattheit und Müdigkeit weit entfernt.

Blicken wir zurück in das Jahr 2012. Norbert Röttgen sollte die Wahl in NRW bestreiten, lehnte jedoch gegen jede politische Vernunft ab, im Land als Oppositionsführer zu bleiben, falls der Sieg verfehlt würde. Vielmehr glaubte Röttgen, „dem Ambitionen auf das Kanzleramt nachgesagt“ *6) wurden, bei Niederlage ein Rückkehrrecht ins Berliner Ministeramt durchsetzen zu können. Die resolute Kanzlerin warf ihn aus dem Kabinett!

Und diese machtbewusste Entschlossenheit scheint Kanzlerin Merkel unverändert zu besitzen.

Dies mag man aus einem ähnlich gelagerten Fall wie dem Röttgens herleiten. Im Oktober 2017 war Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) nach verheerendem Ergebnis bei der Bundestagswahl (AfD stärkste Partei in Sachsen!) zurückgetreten. Bundesinnenminister Thomas de Maizière, „der in Sachsen seinen Wahlkreis hat, war ein hochgehandelter Kandidat für dessen Nachfolge. Doch de Maizière weigerte sich, nach Dresden zu wechseln.“ *7)

Warum? Sollte de Maizière ähnliche Ambitionen auf das Kanzleramt gehegt haben wie 2012 Röttgen?

Horst Seehofer (CSU) hatte nach dem Scheitern der Verhandlungen für die Jamaika-Koalition (CDU/CSU, Grüne, FDP) folgendes berichtet: „Angela Merkel, nachdem das klar war, die war richtig ernst, wie man sie ganz, ganz selten erlebt … Und sie hat mir dann später unter vier Augen gesagt: ´Die wollen mich weghaben.` Die FDP — die wollen mich weghaben.“ *8)

Die Bundeskanzlerin hatte sich wohl kaum getäuscht. Und die FDP wird seinerzeit sicher einen ambitionierten CDU-Ansprechpartner für einen Kanzlerwechsel im Auge gehabt oder gar schon angesprochen haben. Da mögen Anzeichen auf Thomas de Maizière deuten, der partout nicht Ministerpräsident von Sachsen werden wollte.

So zeigte Angela Merkel, dass sie immer noch den bekannten politischen Macht- und Gestaltungswillen hat. Sie schickte den langjährig hoch verdienten Minister Thomas de Maizière ohne weitere Umstände ins politische Aus.

Müde, matte neue GroKo? Man täusche sich nicht im Willen zum Erfolg von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und von Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD).

Diese beiden großen Führungspersönlichkeiten brauchen keine Vorschusslorbeeren.

*1) Programmatische Müdigkeit bei der GroKo. Von Florian Staeck; https://www.aerztezeitung.de/politik…/meinung-programmatische-muedigkeit-groko. 16.01.2018.

*2) Anne Will“ und die Groko. Müde Interpretationen über die Zukunft. Von Christian Gottschalk. 22. Januar 2018; https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.anne-will-und-die-groko-muede-interpretationen-ueber-die-zukunft.

*3) Müde, matt, inspirationslos. Den GroKo-Parteien fehlen zündende Ideen. Aufbruch sieht anders aus. 09.02.2018; https://magazin-forum.de/de/node/7719.

*4) Neue Regierung. Bitte keine GruselKo! Eine Kolumne von Jakob Augstein; Montag, 12.02.2018; http://www.spiegel.de/politik/deutschland/grosse-koalition-genossen-stoppt-die-gruselko-kolumne-a-1193041.html.

*5) Diese GroKo ist eine fragile Angelegenheit. Ein Kommentar von Jörg Seisselberg, NDR Korrespondent im Hauptstadtstudio Berlin. Stand: 12.03.2018.

*6) Röttgen im NRW-Wahlkampf. Der Patzer. Von Jörg Diehl und Philipp Wittrock. Mittwoch, 09.05.2012; http://www.spiegel.de/politik/deutschland/cdu-vor-landtagswahl-in-nrw-roettgen-wegen-versprecher-unter-druck-a-832287.html.

*7) Nach GroKo-Einigung. De Maizière steht vor dem Polit-Aus – schuld ist eigene Entscheidung aus dem Oktober. FOCUS Online. 08.02.2018,

*8) DEUTSCHLAND JAMAIKA-AUS. Merkel unter vier Augen zu Seehofer – „Die wollen mich weghaben“. Stand: 06.03.2018; https://www.welt.de/politik/deutschland/article174232299/Angela-Merkel-zu-Horst-Seehofer-Die-wollen-mich-weghaben.html.