Hartz IV – Debatte bei Frau Will.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte mit der Agenda 2010 einen Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik vollzogen. Insbesondere beendete er die ungerechte Ungleichbehandlung der vom Schicksal der Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen.

Wer gut verdient hatte, besaß auch bei langfristiger Arbeitslosigkeit eine relativ privilegierte Position gegenüber dem vom gleichen Schicksal getroffenen Geringverdiener. Obwohl jener bessere Möglichkeiten hatte, finanziell vorzusorgen als dieser. Das Prinzip „Fördern und Fordern“ bot die Möglichkeit, im Rahmen der „Hartz IV“ – Gesetzgebung durch Bildungsangebote und Brücken in den Arbeitsmarkt die Beschäftigungslage zu verbessern und damit die Zukunftsfähigkeit des Sozialstaats zu sichern.

Auch Union und FDP erkennen heute an, dass die derzeitige Rekord-Erwerbstätigkeit von 41 Mio. Menschen wesentlich auf die Agenda-Politik des Bundeskanzlers Schröder zurück zu führen ist.

Dass nach gut sieben Jahren praktischer Erfahrung mit den Agenda-Gesetzen Korrekturen zur Debatte stehen, ist völlig normal und bei jeder bedeutenden sozialpolitischen Gesetzesreform, die auf das Verhalten der Menschen einwirkt, so gewesen.

Darüber kontrovers zu debattieren, noch dazu mit zwei Protagonistinnen derzeitiger Verhandlungsrunden, ist in dieser entscheidenden Phase eine sehr verdienstvolle Initiative von Frau Will. Der Verlauf der Sendung könnte allerdings nicht wenige interessierte Bürger in einer Haltung von heiterem Zynismus bestätigen.

Das fängt schon damit an, dass Frau Will es für angemessen hält, einerseits der Politik ein „Hartz-Theater“ vorzuwerfen, während sie selbst ein Kind, den 13-jährigen Maurice, in diese spätabendliche Debatte zieht. Wohl als “Falle“ für Frau von der Leyen geplant.

Herr Augstein sieht hier und da eine Reihe von Würdelosigkeiten im Spiel und fordert  Streichung der Hartz-Gesetze und deren Ersatz durch ein bedingungsloses Grundeinkommen von € 800. Der ökonomische Sachverständigenrat hat dies längst als nicht finanzierbares Patentrezept bewertet.

Nun einige Impressionen und Überlegungen, die zu längerem Laufen zwangen, um nach der Sendung zur Ruhe zu kommen. Hoffentlich ging es dem kleinen Maurice nicht genau so!

1. Medienberater Herr Spreng.

Merkwürdige Position zum gesetzlichen Anspruch auf Aufstockung wegen geringer Lohnhöhe im Vergleich zu dem das Existenzminimum sichernde Hartz IV-Einkommen. Dieser Anspruch steht dem vollzeitig arbeitenden Vater von Maurice zu, damit er seine achtköpfige Familie ernähren kann. Sollte vom Arbeitgeber gezahlt werden, wirft Herr Spreng ein. Hat er sich vertan oder habe ich mich verhört?? Dann würde solch ein Familienvater wegen der hohen Lohnkosten kaum je einen Arbeitsplatz bekommen. Junggesellen würden vorzugsweise eingestellt.

Die Hartz-Gesetze betreffen selbstverständlich Bund und Länder. Warum Ehrenmänner wie die Ministerpräsidenten Kurt Beck und Wolfgang Böhmer, die sich umgehend einschalteten, um zu einer Lösung beizutragen, Frau von der Leyen und Frau Schwesig dadurch zu Verliererinnen und Beschädigten stempeln sollten, bleibt das Geheimnis des Kommunikationsberaters.

2. Frau Landesministerin Schwesig (politisch Engagierte sollten gerade auch vor der eigenen Haustür kehren!).

Frau von der Leyen weist bei einem hier in Rede stehenden Ausgabevolumen von € 40 Mrd. und einer Erhöhung von rd. € 500 Mio. (Schuldenbremse im Grundgesetz nicht zu vergessen) durchaus nachvollziehbar auf zwei Punkte hin: Verantwortlichkeit gegenüber dem Steuerzahler und verfassungsrechtliche Prüfung, ob ohne gesetzliche Grundlage eine Erhöhung des Regelsatzes ausgezahlt werden kann.

Die hier nicht rechenschaftspflichtige Frau Schwesig legt los: „Es ist Wahnsinn, wie Sie die Bürger gegeneinander ausspielen!“

Dann spielt sie selbst in abfälliger Wertung des Problems der „Systemrelevanz“ – auf Anregung von Frau Will – den Rettungsschirm für die Banken gegen die Armen im Lande aus. Und desavouiert damit den Parteifreund Peer Steinbrück, MdB. Der hatte bekanntlich als verantwortlicher Bundesfinanzminister dadurch den deutschen Finanzsektor, die Bankeinlagen des Publikums und die deutsche Wirtschaft vor dem Zusammenbruch in der von den USA ausgehenden Wirtschaftskrise bewahrt.

Dem kleinen Maurice sagt sie: „Wir wollen, dass er (sein Vater) nicht mehr aufstocken muss!“ Und fordert deshalb den Mindestlohn. Wie hoch soll der denn sein, damit bei acht Familienmitgliedern die Aufstockung überflüssig wird?

Dann stellt sich Frau Schwesig selbst vor: als diejenige, die im Gegensatz zur „eiskalten“ Bundeskanzlerin Merkel, die „zwei Millionen arme Kinder verraten hat“, zum Mitgefühl fähig ist und als einzige, der es nur „um die Sache“ geht. Dazu passt, dass sie Maurice auf seine Frage, wie man sich denn nun einigen wolle, zuruft: „Maurice hat Recht!“

Im SPIEGEL (14.02.2011) wird Frau Schwesig schon mit dem Amt der Bundeskanzlerin in Verbindung gebracht. Hoffentlich hat auch die SPD Kommunikationsberater wie den genialen Herrn Spreng in petto. Der hätte 2002 fast das Wunder vollbracht, „das blonde Fallbeil“ zum Bundeskanzler zu machen (Theo Waigel soll diese Schöpfung von Dieter Lattmann gern verwendet haben; DIE ZEIT, 22.04.1994). Der SPD ist dringend zu raten: Baut euer Führungspotenzial sorgfältig auf! Die politischen Gegner und die Medien spielen schon mit Etiketten wie: „hochsympathisch (absolut tödlich, der SPIEGEL natürlich), blondes Gift, Sentimentalpolitiker“ etc.

3. Moderatorin Frau Will.

Auffällig der bisweilen bewusst ironisch aufgesetzte Gesichtsausdruck, vor allem, wenn es gegen Frau von der Leyen ging. Gleich drei (!) Mal – offenbar gefiel sie sich als journalistische Hohepriesterin – die Frage an Frau von der Leyen: „Wie bitter, wie rufschädigend“ ist das für Sie?

Bei allen Meriten, die Frau Will sich erarbeitet hat; aber das zieht Dir die Schuhe aus! Wie würde sie wohl auf die Frage reagieren: „Frau Will, wie unprofessionell, wie rufschädigend ist Ihr Verständnis von Rolle und Platz der Moderatorin?“

4. Frau Bundesministerin von der Leyen.

Hut ab vor dieser hart arbeitenden Ministerin und Mutter von sieben Kindern. Hochachtung vor dem Gleichmut, mit dem sie in diesem giftgeladenen Durcheinander immer wieder auf die Fakten zurückkam. Wie freundlich sie auf die Fragen von Maurice einging, auf politisch entlastende Hinweise zur Anspruchshöhe im Einzelfall verzichtete und dafür die vollen Breitseiten der Diskussionspartner (Feindin der Armen) wegsteckte. Und fighten kann sie!

5. Fazit der Sendung.

Alle Achtung – in der Bundesrepublik Deutschland hat sich eine politische Diskussions- und Streitkultur entwickelt, die jedem Vergleich in Kontinentaleuropa standhält.