Helft SPD-Hanseaten.

Hier geht es nicht um Vizekanzler Olaf Scholz, dem der Titel “Hanseat“ durch große Leistungen für Hamburg zusteht. Hier geht es um Hilfe für fünf junge SPD-Finanzpolitiker.

1. Die SPD-Hanseaten

Es sind die MdBs Wiebke Esdar (Bielefeld), Cansel Kiziltepe (Berlin-Kreuzberg), Sarah Ryglewski (Köln, Bremen), Michael Schrodi (München) und Swen Schulz (geboren in Hamburg, nach dem Abitur nach Berlin).

Diese fünf MdBs haben einige Gemeinsamkeiten, die ihr Auftreten als hochqualifizierte Gruppe und Zukunft der neuen Sozialdemokratie plausibel machen: *1)

  • Sie alle gehören der Parlamentarische Linken der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag an.
  • Sie vereinen sich unter dem Ideal des “hanseatischen Kaufmanns“.
  • Keiner dieser MdBs hat nennenswerte Verdienste um die Freie und Hansestadt Hamburg: Vier Mitglieder der Gruppe haben rein gar nichts mit Hamburg zu tun. Nur Swen Schulz ist dort geboren, machte sich aber nach dem Abi weg nach Berlin zum Studium. Das war`s wohl für ihn mit Hamburg.
  • Sie eint glaubwürdig das Bestreben, ihre politischen Ziele “ehrlich und transparent“ zu verfolgen.

2. Linker Katalog politischer Forderungen

Transparenz und Ehrlichkeit, als gemeinsame Werte, treiben die Fünfer-Gruppe an, ihren Katalog politischer Forderungen an die SPD-Bezirke zu richten — für das kommende politische Programm der Sozialdemokratie.

Dieses Programm erscheint in der heutigen SPD mehrheitsfähig, da es zwei historische Verdienste der SPD abräumt, die von der — was Produktion an “Positionspapieren“ betrifft — eher denkfaul erscheinenden CDU/CSU gern übernommen worden sind.

  • SPD-Verdienst Nr. 1: Gerhard Schröders Agenda 2010 zur Sicherung des Sozialstaats, zur Beseitigung von Massenarbeitslosigkeit mit über 6 Mio. Arbeitslosen, zur Modernisierung von Bildung, Staat und Verwaltung. Heute von der SPD versenkt im Tabu-Sprechverbot.
  • SPD-Verdienst Nr. 2: Die auf Initiative von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück Ende Mai 2009 im Grundgesetz verankerte “Schuldenbremse“. Steinbrück sah dies als Signal von wegweisender Bedeutung, um kommende Generationen nicht mit dem hohen Schuldenstand vor allem für den Konsum der Gegenwart zu belasten, sondern ihnen durch Haushaltsdisziplin größere Spielräume für eigene Zukunftsinvestitionen zu sichern. Heute wird die Schuldenbremse wohl von der Mehrheit der SPD-Politiker als Fall für die Mülltonne gesehen.

Somit fordert „ehrlich und transparent“ die MdB-Gruppe der fünf SPD-Hanseaten: *1)

  • Ende der Politik der Schwarzen Null.
  • Abschaffung der Schuldenbremse durch Änderung des Grundgesetzes.
  • Erhöhung des Steuersatzes auf “hohe Einkommen“.
  • Die Vermögensteuer wiederzubeleben.
  • Die “fünf Prozent der größten Erbschaften“ stärker zu besteuern.

Mit diesen Forderungen stärken die fünf SPD-Hanseaten den Linkskurs der SPD, und jene Kandidaturen für den SPD-Vorsitz, die das Ende der GroKo und eine Rot-Rot-Grün-Alternative betreiben. Damit könnte die Kandidatur des einzigen SPD-Hanseaten im Bewerberkreis, Vizekanzler Olaf Scholz, scheitern.

3. Wozu dieses altlinke “tax and spend“-Wählerkauf-Programm?

Weil die fünf SPD-Hanseaten in die SPD hineingehorcht haben, statt in die Wählerschaft, verkünden sie, was von der Wählermehrheit als sattsam bekannte Endlosschleife von “Investitionen“ betrachtet wird: *1)

  • „Die Investitionen des Bundes wollen wir regelmäßig und verlässlich von derzeit knapp 40 Milliarden Euro auf 60 Milliarden Euro jährlich steigern, so dass in den nächsten 20 Jahren alleine der Bund rund eine Billion Euro investieren wird“.
  • „Mit diesem langfristig angelegten Programm schaffen wir Planungssicherheit für Bauwirtschaft und öffentliche Verwaltung und investieren gleichzeitig in die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft“.

In einer langen Reihe desaströser Wahlergebnisse für die SPD hat sich die Wählerschaft ablehnend gezeigt gegenüber Versprechen von Steuererhöhungen gegen die “Reichen“ und “Investitionen“ in Bildung, Infrastruktur, soziale Gerechtigkeit und Zukunft etc..

4. Widerspruch aus ökonomischen und praktischen Gründen

Widerspruch und Skepsis sind geboten gegenüber einer von den SPD-Hanseaten geforderten Steigerung der Investitionen des Bundes um nicht weniger als 50% (von 40 auf 60 Mrd. € jährlich), „so dass in den nächsten 20 Jahren alleine der Bund rund eine Billion Euro investieren wird“. *1)

4.1. Ökonomische Skepsis

Ein Großteil dieser “Investitionen“ wird für zusätzliche Posten in der öffentlichen Verwaltung und damit nicht für Investitionen (= Erhöhung des Sachkapitalbestandes der Volkswirtschaft) verwendet. Denn: „Wir brauchen deutlich mehr Planbarkeit bei der Sanierung und dem Ausbau unserer Infrastruktur … (für) die notwendigen Planungskapazitäten, Maschinenparks und Personalbestände.“ *1) Damit sind überwiegend Konsum- statt Investitionsausgaben gemeint.

4.2. Skepsis von langjährig ausgewiesenen Haushaltspraktikern

Der Haushälter Eckhardt Rehberg (CDU-MdB, seit 2009 im Haushaltsausschuss) stellt die Realität des öffentlichen Investierens dar. Noch soviel Geld mag bereitgestellt werden. Es fließt nicht ab, weil es in der Praxis nicht sinnvoll investiert werden kann, sondern von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr übertragen werden muss. Dies ist die Quintessenz von Rehbergs Erfahrung (wörtlich): *2)

  • Man kann bei den Investitionen immer sagen: Es ist zu wenig. Wir haben 2015 Reste von gut 9 Milliarden Euro übertragen. Vom Haushalt 2018 zu 2019 waren es gut 19 Milliarden Euro: Breitbandausbau über 4 Milliarden Euro, Verkehrsinfrastruktur – zum Glück überjährig – 3 Milliarden Euro. So kann ich weiter durchzählen …  Von den 7 Milliarden Euro des Kommunalinvestitionsförderungsfonds sind nur 1,6 Milliarden Euro abgeflossen. Das erste Kapitel hat 2015 begonnen. Jetzt kommen die ersten Länder mit der Bitte — wir haben schon einmal verlängert —, das über 2020 hinaus zu verlängern. Es läuft fünf lange Jahre.
  • Wenn Sie den Kontakt nach draußen nicht ganz verloren haben, dann werden Sie Bürgermeister finden, die Ihnen entweder sagen: „Ich finde keinen Anbieter auf meine öffentliche Ausschreibung“ oder: Es sind Mondscheinangebote. Wenn Sie einzelne Gewerke betrachten, dann stellen Sie fest, dass es dort in den letzten drei, vier Jahren Preissteigerungen von 25 Prozent gab. Wer jetzt noch mehr Geld ins Schaufenster stellt, der wird die Kosten noch höher treiben. Er wird es immer noch teurer machen.
  • In der Förderperiode von 2014 bis 2020 betrug die Gesamtsumme bereitgestellter Mittel für europäische Haushalte 960 Milliarden Euro. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wissen Sie, wie viel Geld nicht abgerufen wurde? 280 Milliarden Euro, 30 Prozent, insbesondere im Kohäsionsfonds 170 Milliarden Euro. Das ist mehr als ein Jahreshaushalt der Europäischen Union.   

Das Plenarprotokoll des Bundestags vermerkt nach Rehbergs Rede: Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD. Einigen wenigen sozialdemokratischen MdBs scheinen realitäts- und faktenbasierte Argumente noch einzuleuchten.

5. Der hanseatische Kaufmann“ — Idol der neuen SPD?

Ich habe in der Haushaltsdebatte leider nichts von unseren SPD-Hanseaten bemerkt. Die propagieren für die SPD das “Ideal des hanseatischen Kaufmanns“. Denn: „Der spart nicht auf Teufel komm raus, sondern investiert klug in seine Firma“. *1)

Auch unsere fünf SPD-Hanseaten wollen also “klug in die eigene Firma“ investieren. Um die SPD mit „Markenkern“ und als „Partei organisatorisch neu aufzustellen.“ *3) Daher genauso “klug in die eigene Firma investieren“ wie der in Sonntagsreden Hamburger Kaufleute beschworene ehrbare “hanseatische Kaufmann“.

Hinter der “Klugheit“ der Hamburger “Pfeffersäcke“ steckt für nicht wenige Kenner der hamburgischen Geschichte die Erfahrung aus Jahrhunderten hartherzigster Plünderung, in welcher Weltgegend immer sie auftauchten.

Wer Hamburgs Innenstadt durchwandert, sieht an einem stattlichen Gebäude das Motto eines dieser “hanseatischen Kaufleute“: „Dass sich das Werk zum Besten wende, genügt ein Kopf und tausend Hände“.

Dies als „Ideal“ der fünf jungen Finanzpolitiker der parlamentarischen SPD-Linken? Blicken sie wie ihr neues Idol, der hanseatische Kaufmann, so auf die Mitglieder der SPD, die Wählerschaft und auch auf die kommenden Generationen, denen sie ihre Propaganda-Ideen zu angeblich notwendigen „Investitionen“ samt Folgekosten ungefragt hinterlassen?

Mancher ahnt die Brutalität, die sich gegen den Ehren-Hanseaten Olaf Scholz im Wettbewerb um den SPD-Vorsitz aufbaut.

Manch anderer hofft, dass die SPD zum Jahresende die GroKo auf Linkskurs verlässt.

Wird dies zu einer Rot-Rot-Grünen-Bundesregierung führen? Oder in langjährige Opposition? Das entscheiden die Wähler!

Verlasst Euch darauf, verehrte SPD-„Hanseaten“. Wenn Ihr Vizekanzler Olaf Scholz, den einzigen führenden Sozialdemokraten von internationalem Rang, und die GroKo zu Fall bringt, dann werde ich Euch auf Eurem Weg in eine lange Oppositionszeit nach Kräften behilflich sein!

*1) SPD-Finanzpolitiker stellen Schuldenbremse infrage. Eine Gruppe junger Haushalts- und Finanzpolitiker aus der SPD-Bundestagsfraktion fordert ein milliardenschweres Investitionsprogramm für die nächsten 20 Jahre und stellt dafür die Politik der Schwarzen Null sowie die Schuldenbremse im Grundgesetz infrage. Berlin (dts Nachrichtenagentur). 13.09.2019; https://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2019-09/47665964-spd-finanzpolitiker-stellen-schuldenbremse-infrage-003.htm (Hervorhebungen RS).

*2) Eckhardt Rehberg. Mitglied des Deutschen Bundestages. Mitglied des Haushaltsausschusses. Vorsitzender der Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Rede Plenum. Freitag, 13. September 2019. 1. Lesung Haushaltsgesetz 2020 – Schlussrunde; https://www.eckhardt-rehberg.de/download/ (Hervorhebungen RS).

*3) Matthias Miersch, MdB, SPD, Sprecher der Parlamentarischen Linken. In: Vorwärts. Zeitung der deutschen Sozialdemokratie. 4/2019. 9. September 2019. Seite 17.