Herzlichen Glückwunsch, Frau Bundeskanzlerin!

Es ist für sozialliberale Transatlantiker schwer zu verkraften, dass es nicht die deutsche Sozialdemokratie ist, die in „privilegierter Partnerschaft“ zu den USA und dem Präsidenten Barack Obama steht. Diese Position hat sich die Bundeskanzlerin erarbeitet.

Kein Sozialdemokrat ist derzeit erkennbar, der von diesem Präsidenten annähernd vergleichbar anerkannt wird. Von einem Präsidenten, der Bahnbrechendes leistet, um in den Vereinigten Staaten die Perspektive sozialer Demokratie zu stärken. Der aus der Sozialarbeit („community organizer“) hervorgegangen ist und sich als Kandidat der Demokratischen Partei, des natürlichen Partners der Sozialdemokratie in den USA, durchgesetzt hat.

Was wurde nicht alles spekuliert, wie die Weigerung der Kanzlerin, dem Präsidentschafts-Kandidaten Obama für seine Rede das Brandenburger Tor anzubieten, die persönlichen Beziehungen belastet hätte. Natürlich hatte sich Herr Wowereit beeilt, dem Wunsch des amerikanischen Wahlkämpfers zuzustimmen, das Rednerpult am besten gleich auf die Quadriga. Hut ab vor der Kanzlerin! Sie schützte das Gedenken an die historischen Worte des Präsidenten Ronald Reagan vor dem Brandenburger Tor am 12. Juni 1987: „Mr.Gorbachev, open this gate! Mr. Gorbachev, tear down this wall!“

Präsident Obama, auf dessen Wiederwahl 2012 wir hoffen, hat durch die Verleihung der Medal of Freedom an Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht nur ihre Persönlichkeit, nicht nur die Bundesregierung unter ihrer Führung, sondern auch Deutschland geehrt. Das ist eine ganz große Geste. Diese Geste stärkt auch die transatlantischen Beziehungen nachhaltig.

Und gerade uns Sozialdemokraten steht es gut an, für diese große Geste transatlantischer Partnerschaft dankbar zu sein. Dem unverantwortlichen Wahlkampfverhalten Gerhard Schröders 2002 und der Hetze der Justiz-Ministerin Hertha Däubler-Gmelin, die leider nicht sofort aus dem Kabinett entlassen wurde, verdankt die Sozialdemokratie eine nachhaltige Beschädigung transatlantischer Glaubwürdigkeit.

Hoher Ehren wert der damalige einsame Einsatz Hans-Ulrich Kloses, der sich einer SPD-Fraktion entgegenstemmte, die den Auslassungen Schröders besinnungslos Beifall klatschte! Auch die dann folgenden Bemühungen um Schadensbegrenzung durch Peter Struck, Otto Schily und Kurt Beck sind ehrenvoll und dankbar zu vermerken.

Zum Gründungserbe der SPD gehört der überragende Wert, der internationaler Zusammenarbeit und Völkerverständigung beizumessen ist. Dass diese Partei im 21. Jahrhundert offenbar Nachhilfe brauchte für die elementare Höflichkeit und Einsicht, dass nämlich atlantische Partnerschaft nicht davon abhängen darf, ob uns der vom amerikanischen Volk gewählte Präsident gefällt oder nicht – ein trauriger Niedergang außenpolitischer Kompetenz.

Zu begrüssen ist, dass der Sozialdemokrat Rolf Mützenich, MdB, feststellt: „Die SPD sieht starken Verbesserungsbedarf im deutsch-amerikanischen Verhältnis.“ Diese Feststellung gäbe noch mehr Anlass zur Freude, wäre deutlicher, dass eigene Bringschuld erkannt würde. Aber seine Bemerkung zur Auszeichnung der Kanzlerin kommt über eine etwas mesquin anmutende Interpretation der Geste Präsident Obamas nicht hinaus: „Offensichtlich ist diese Auszeichnung an Angela Merkel eine Auszeichnung an einen Partner, den man sich wünscht, aber den man wohl zurzeit noch nicht hat.“ (dpa, 07.06.2011).

Wie ist nun diese Ausforschung der Motive Präsident Obamas zu deuten? Sollte hier etwa dem Präsidenten der USA Realitätsverlust oder Neigung zu Schul-Pädagogik unterstellt werden? Wir wollen es nicht annehmen. Jedenfalls scheint es Herrn Mützenich geboten, der Bundeskanzlerin mahnende Worte mit auf den Weg zu geben: In Washington müsse sie deutlich machen, dass es gegenüber Libyen … „keine´deutschen Sonderwege`mehr geben wird“ (Aachener Zeitung, 06.06.2011). Damit bekommen auch Herr Gabriel und Herr Steinmeier ihr Fett, da sie bekanntlich Verständnis für die Libyen-Politik geäußert hatten (vgl.: Ulrich Schmid, Berlin in der Selbstisolation, NZZ, 21. März 2011).

Hier scheint der Sinn für Proportionen, der Blick für Kleiderordnung, Rang und Format der Persönlichkeiten im Zusammenhang mit der Medal of Freedom an Nicht-Amerikaner ein wenig getrübt – Papst Johannes Paul II, Helmut Kohl, Nelson Mandela … Nehmen wir doch ruhig an, Präsident Obama schätzt Frau Bundeskanzlerin Merkel richtig ein und weiß, warum er sie so herausragend ehrt!

Der Leiter des Forschungsbereichs Amerika der SWP, Dr. Peter Rudolf, sieht übrigens die „Verstimmung in der US-Regierung über das deutsche Nein zum Libyen-Einsatz .. nicht so groß, wie oft behauptet werde.“ (Tagesspiegel, 07.06.2011, a.a.O.). Diese Einschätzung passt zur Gesamtwürdigung der hohen Auszeichnung, die sich bei Christoph von Marschall findet: „Er könne ihr vertrauen, wenn sie eine Zusage gibt, betont Obama. Das ist das wertvollste Kapital unter Verbündeten. Man darf fragen, ob er das auch über Putin oder Sarkozy sagen würde … Natürlich will Obama … etwas bewirken … die Übernahme von mehr deutscher Verantwortung generell und derzeit speziell in Arabien und Libyen … Obama vertraut den Deutschen.“ (vgl. Zeit online, Christoph von Marshall, Obamas Merkel-Lob hat seinen Preis, 7.6.2011).

Diese Einordnung durch Christoph von Marshall reflektiert das Bild, das sich Präsident Barack Obama von Angela Merkel geformt hat (Tagespiegel, 05.06.2011; Interview mit Präsident Obama; Christoph von Marshall).

„Ihre Lebensgeschichte ist eine Inspiration für mich persönlich, für meine amerikanischen Mitbürger und für Menschen rund um die Erde.“ Sie ist „eine aufrichtige Freundin Amerikas und eine unbeirrbare Verfechterin des Bündnisses zwischen den USA und Deutschland … Ich arbeite gern mit Kanzlerin Merkel zusammen. Ich betrachte sie als gute Freundin und einen meiner engsten Partner in der Welt. Meine Freundschaft mit Kanzlerin Merkel gründet auf meinem hohen Respekt … für ihre Führungsqualitäten und auf der Erfahrung, dass ich ihr vertrauen kann, wenn sie eine Zusage macht … Ich berate mich bei jeder wichtigen Frage auf meiner internationalen Agenda mit der Kanzlerin, und ich schätze ihren Pragmatismus und ihre offenen Worte sehr. Wir sind nicht immer einer Meinung; nicht einmal zwei Verbündete sind das immer. Aber bei unseren Treffen und Diskussionen sprechen wir stets ehrlich und offen miteinander, wie enge Freunde das tun sollen.“

Herzlichen Glückwunsch, Frau Bundeskanzlerin!