Hopeless — not serious.

Hoffnungslos — aber nicht ernst. *1) Kann solch` komödiantische Sicht auf die Politik helfen? Versuchen wir es.

Die Bundeskanzlerin äußert: „Von den Türkischstämmigen, die schon lange in Deutschland leben, erwarten wir, dass sie ein hohes Maß an Loyalität zu unserem Land entwickeln. Dafür versuchen wir, für ihre Anliegen ein offenes Ohr zu haben und sie zu verstehen.“ *2)

Will Merkel andeuten, dass die von ihr angesprochene Bürger-Gruppe es mit unseren Gesetzen, mit dem menschlichen Anstand und dem höflichen Respekt vor hiesigen Sitten nicht so genau nimmt? Was bedeutet das Wortgeklingel eines Schachers von „Loyalität“ gegen „Verstehen“? Redet hier ein Prediger oder die Regierungschefin Deutschlands?

Alle Bürger unseres Landes, gleich woher sie stammen, haben das Recht, sich derartig unterstellend klingende Mahnungen der „Obrigkeit“ zu verbitten.

Wo waren denn das „offene Ohr“, das „Verstehen“, die „Loyalität“ gegenüber den Sorgen der Bürger vor Kontrollverlust bei hunderttausenden illegaler Grenzübertritte? Als die Bundeskanzlerin vor einem Jahr nach Gutsherrenart die „Willkommenskultur“ verfügt hatte. Abgestimmt mit deutschen Stellen oder europäischen Partnern? Keine Spur in den Akten des Kanzleramtes bei einer Entscheidung dieser Tragweite! *3) Und nun auch noch Moralpredigt! Die weisen wir alle zurück, von welchen Stämmen auch immer wir kommen.

Wie schaffen wir bei solchem Groß-Ärgernis den Dreh zur komödiantischen Sicht?

Stellen wir uns vor: Die Kanzlerin unterwegs für den Wahltag am 18. September 2016 in Berlin. In der Nähe des Potsdamer Platzes erspäht sie eine größere Zahl von Passanten, Wählern, Touristen, bunt gemischt. Sie winken. Die Kanzlerin lässt halten. Steigt aus. Fragen prasseln: In einem Jahr über eine Million Migranten. Mit minimalen Chancen auf Arbeit, dafür maximalen Kosten der Integration. Frau Bundeskanzlerin, wie schaffen wir das?

Die Kanzlerin überlegt: Nickt. Wir schaffen das! Masse senkt Kosten. Und dann schnell aus dem Auto heraus: Denkt an das Buch und die Filme „Im Dutzend billiger“! Und für die amerikanischen Touristen: „Cheaper by the Dozen“! Weg ist sie, unsere Kanzlerin. *4)

Zurück zur Realität. Und zu einem ganz herausragenden Sommerinterview in der FAZ *5) mit Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller und der stellvertretenden Sprecherin des Auswärtigen Amtes, Sawsan Chebli. Die palästinensischen Eltern von Frau Chebli kamen 1970 nach Berlin; sie zogen dreizehn Kinder groß.

Frau Chebli ist ein ermutigendes Vorbild für Menschen muslimischen Glaubens, die in unserem Land erfolgreich sein wollen. Deshalb ist es durchaus akzeptabel, dass Chebli als muslimische Politikerin, die eine „Hausmacht“ in der SPD aufbaut, nicht zu selten über ihren Aufstieg spricht. Chebli unterstreicht ihre Leistung, indem sie informiert, dass ihr Vater auch heute kaum Deutsch sprechen und weder lesen noch schreiben könne; ihre Mutter beherrsche nur Arabisch. *5)

Hut ab, Frau Chebli, sagen wir Bürger dazu: Ihr Herr Vater und ihre Frau Mutter mögen Deutsch weder lesen noch schreiben können. Aber dafür konnten sie so hart arbeiten und so genau rechnen, dass sie dreizehn Kindern den Weg ins Leben ebneten. Hut ab vor solchen Eltern! Den Integrationsbeitrag ihrer Eltern hat Frau Chebli vielleicht etwas niedrig bemessen — „integrierter als viele Funktionäre der AfD, die unsere Verfassung in Frage stellen.“ *5)

Frau Chebli könnte mit ihrer familiären Herkunft, ihrer Ausbildung und Presseerfahrung einen weiteren bedeutenden Beitrag zur Integration leisten: Ein Buch schreiben wie „Im Dutzend billiger“/“Cheaper by the Dozen“. Rat dazu könnte sie bei dem preisgekrönten Show-Master Özcan Cosar holen: „Comedy ist mein Jihad … Meine Ziel­gruppe sind nur Men­schen, die lachen“. *6)

Gewiss sind nicht alle Schwierigkeiten der Flüchtlings- und Integrationspolitik erheiternd; aber wie schon der große Berliner Vorgänger Michael Müllers, Willy Brandt, feststellte: „Lachen hilft!“ *7)

Jedoch gerade in Berlin hilft nicht nur das Lachen, sondern — wie Michael Müller hervorhebt — auch die „Trennung von Religion und Staat“ durch das Berliner „Neutralitätsgesetz, weil es Bereiche wie Schulen, Gerichte und Polizei gibt, in denen der Staat strikte Neutralität wahren muss. Das gilt für Kopftücher ebenso wie für die Kippa oder das Kreuz.“ *5)

Und deshalb kann Berlin auf das diffuse Schwadronieren von „Loyalität“ (Kanzlerin Merkel) und „Leitkultur“ (v.a. CDU/CSU) verzichten. Auch weil wir, so Michael Müller, im „Berliner Integrations- und Partizipationsgesetz Dinge (regeln) wie Bestattungen oder auch Feiertage, aber vor allem anerkennen wir die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen in unserer Stadt. Es geht darum, dass jeder dazugehört und mitwirken kann. Wir alle — in unserer Vielfältigkeit — sind Berlin, und jeder soll die Möglichkeit haben, sich bei der gemeinsamen Gestaltung unserer Stadt einzubringen … In Berlin setzen wir der Abgrenzungskultur eine offene Kultur entgegen.“ *5)

Der Regierende Bürgermeister Müller krönt das bedeutende integrationspolitische FAZ-Gespräch mit den Worten: „Es gilt immer das Grundgesetz. Punkt. Für alle, die hier leben … Es regelt für uns alle unteilbar, wie wir zusammenleben wollen — gleichberechtigt, gewaltfrei, offen und tolerant jeder Religion gegenüber, jedem Menschen gegenüber. Das ist die Grundlage für jeden, der hier lebt. Auf dieser Grundlage ist Integrationsarbeit zu leisten — über Bildung, Teilhabe für alle und gute Arbeit.“ *5)

Aber auch die Berliner Integrationspolitik stoße, berichtet Müller, gelegentlich an Grenzen: „Ein praktisches Beispiel: Wir haben immer mehr muslimische Bestattungen in Berlin. Das ist schön, weil es uns zeigt, dass Muslime Deutschland als ihre Heimat sehen … Wir haben den Verbänden und Glaubensgemeinschaften Flächen angeboten, die von den christlichen Kirchen nicht mehr genutzt werden. Die einen haben gesagt: Eine anständige Lösung. Andere haben gesagt: … Das ist unreine Erde!“ *5)

„Unreine Erde!“ Ja, ist das denn die Möglichkeit? Wo doch allen Menschen seit den Zeiten des auch im Koran immer wieder geehrten Moses klar ist, was uns erwartet: „Asche zu Asche, Erde zu Erde, Staub zu Staub“.

Lest doch mal für die Ordnung auf Friedhöfen nach, was der unvergessene Peter Rühmkorf dichtete und seid nicht zu krüsch mit der Erde für die letzte Grube — „Nur immer rein in die gute Stube / Paar Schaufeln Erde und wir haben / dies Jammertal hinter uns begraben.“

Wer dies nicht kapiert, dem kann man nur sagen: Hoffnungslos, aber nicht ernst zu nehmen! Hopeless — but not serious.

*1) Nach der US-Filmkomödie „Situation Hopeless — But Not Serious“ von 1965. S. Wikipedia zum deutschen Titel „Lage hoffnungslos — aber nicht ernst“.

*2) Migranten. Merkel ruft türkischstämmige Deutsche zu Loyalität auf. 23.08.2016; faz.net.

*3) DTS-Meldung vom 19.08.2016. Kanzleramt: Keine Akten zu historischer Flüchtlingsentscheidung.

*4) S. Wikipedia: „Im Dutzend billiger (Buch). Im Dutzend billiger ist eine 1948 publizierte Biographie von Frank Bunker Gilbreth Jr. und Ernestine Gilbreth Carey. Das Buch erzählt auf humorvolle Weise Episoden aus dem Leben der Zeit- und Bewegungsmanagementpioniere Frank Bunker Gilbreth und Lillian Moller Gilbreth und ihrer zwölf Kinder.“

*5) Müller und Chebli im Interview „… als würden Muslime für Aliens gehalten“. Fast jeder zehnte Einwohner Berlins ist muslimisch, jeder zweite davon ein Deutscher. Wie geht die Stadt damit um? 03.08.2016, von JASPER VON ALTENBOCKUM UND RAINER HERMANN; faz.net.

Zum Hintergrund von Frau Chebli siehe auch: Sawsan Chebli – neue Steinmeier Sprecherin. „Ich bete, ich faste, ich trinke keinen Alkohol“. Die Berlinerin Sawsan Chebli ist die neue stellvertretende Sprecherin von Außenminister Steinmeier. Die strenggläubige Muslima mit palästinensischen Wurzeln hat eine bemerkenswerte Karriere gemacht. VON HANS MONATH; 26.01.2014; http://www.tagesspiegel.de/meinung/sawsanchebli-neue-steinmeier-sprecherin.

*6) „Comedy ist mein Jihad (im Sinne von ´Bemü­hung`)“ — JUMA. www.juma-projekt.de/2015/04/comedy-ist-mein-jihad/. Am 7. April war es wieder soweit. Mehr als zwanzig Jugendliche wurde die Möglichkeit gegeben, den Stuttgarter Komödiant Özcan Cosar zu treffen.

Hinweis von Frau Chebli: „Im ´Juma`Projekt, das ich ins Leben gerufen habe (´Juma` steht für das Freitagsgebet, aber auch für ´jung, muslimisch, aktiv`), tragen neunzig Prozent der Mädchen ein Kopftuch. Fast alle studieren, sind talentiert und wollen etwas leisten für die Gesellschaft.“ *5) Dieses Projekt ist eine weitere Pionierleistung von Frau Chebli.

*7) Willy Brandt, Lachen hilft. Politische Witze. Hrsg.: Brigitte Seebacher-Brandt. München, Zürich, 3. Auflage 2001.