Im Geiste von Giordano Bruno?

Die Vorgänge um den Bau des Diözesanen Zentrums in Limburg zeigen auch bei einer bedeutenden ehemaligen Politikerin geradezu reflexartige Reaktion. Steine fliegen im Glashaus der Reputation.

Frau Ingrid Matthäus-Maier wirkt im Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung (GBS). Diese 2004 gegründete Stiftung verfolgt ein nobles Ziel: „Sie fordert eine ´Leitkultur Humanismus und Aufklärung`, um sowohl den Überlegungen einer ´deutschen (christlichen) Leitkultur` als auch einem politisch indifferenten Multikulturalismus entgegenzutreten.“

Damit wird das Andenken an den italienischen Priester, Philosophen und Astronomen geehrt. Der wurde wegen „Ketzerei“ am 8. Februar 1600 auf dem Campo de‘ Fiori im Zentrum Roms auf dem Scheiterhaufen verbrannt. *1)

Ungebrochen blieb Giordano Brunos Geist. Der kirchlichen Inquisition hielt er vor: „Mit größerer Furcht verkündet Ihr vielleicht das Urteil gegen mich, als ich es entgegennehme“ („Maiori forsan cum timore sententiam in me fertis quam ego accipiam“). *2) Erschüttert stehen Besucher Roms vor seinem Denkmal.

Frau Matthäus-Maier war – so die GBS – „maßgeblich an der Formulierung des 1974 entstandenen, damals wie heute erstaunlich fortschrittlichen FDP-Kirchenpapiers ´Freie Kirche im Freien Staat` beteiligt, das eine klare Trennung von Staat und Kirche (u.a. die Abschaffung der Kirchensteuer und die Ablösung sämtlicher exklusiver Staatsleistungen an die Kirchen) forderte.“

Bewirkt haben ihre Forderungen nichts – zum Bedauern vieler Sympathisanten. Denn 1982 trat Frau Matthäus-Maier nach dem von Herrn Genscher betriebenen Koalitionswechsel der SPD bei.

Dort hätte sie mit solchen Forderungen nicht Karriere machen können: „Aber was meine eigene Partei angeht, so bin ich wirklich traurig, also die SPD. Die hat einfach Angst. Die hat Sorge, dass wenn sie dieses ändert, wenn sie da rangeht, dass dann die Kirchen wieder wie vor 50 Jahren am Sonntag auf der Kanzel sagen, wählt CDU und nicht SPD.“ *3) Auf diese „Angst“ hat Frau Matthäus-Maier einfühlsam Rücksicht genommen.

Dafür weckte Frau Matthäus-Maier bei ihren zahlreichen sozialliberal eingestellten SPD-Sympathisanten hohe Erwartungen an politische Impulse für Reformen.

Mit progressiven frischen Ideen: Eine sozialliberale Reformpolitik durch einen schlanken, effektiven Staat – „Reform durch Sparen.“ Um zu „beweisen, daß die Sozis nicht nur Geldverschwender und Umverteiler sind … Wir verlieren jede Wahl … wenn uns in Finanzfragen keiner was zutraut.“ Und darüber hinaus hat Frau Matthäus-Maier „als erste Politikerin eine Währungsunion mit der DDR gefordert … (und) eine Euro-Währung für alle“ *4)

Zum Bedauern nicht weniger Sozial-Liberaler kam es auch nicht zu der erhofften Reformpolitik. Frau Matthäus-Maier wurde bekanntlich 1998 nicht zur ersten sozialdemokratischen Bundesministerin der Finanzen berufen. Statt dessen legte sie ihr Bundestagsmandat nieder und wechselte 1999 in den Vorstand der Bankengruppe Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). 2006 wurde sie Vorstandsvorsitzende der staatlichen Großbank KfW.

Diese Bankengruppe hielt eine etwa 40-prozentige Beteiligung an der IKB Deutsche Industriebank, nachdem sie 2001 die Anteile der Allianz und der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft übernommen hatte. Ziel der engen Zusammenarbeit zwischen IKB und KfW sei es gewesen, mittelständische Unternehmen mit öffentlich geförderten Darlehensprogrammen in ihrer Entwicklung zu „begleiten“.

Trotz Matthäus-Maiers fast 10-Jähriger Erfahrung auf Vorstandsebene in der staatlichen „Bankengruppe“ KfW sei dieses Geschäft so „komplex“ gewesen, dass zwei verhängnisvolle Entwicklungen offenbar nicht von der KfW-Chefin bemerkt werden konnten:

Erstens, „exorbitant hohe“ *5) Investitionen der für die Förderung deutschen unternehmerischen Mittelstands zuständigen KfW-Tochter IKB in „USA-Schrott-Hypotheken“. Nach Medienberichten mit ähnlich desaströsem Risiko-Management wie die West-LB. Zweitens, innerhalb der KfW ein quasi-automatisches Verfahren der Anweisung von Zahlungen auf unternehmenspolitisch offenbar weniger informierter Ebene.

Die Folgen dieser beiden Entwicklungen sind in Kommentaren von Wirtschaftsjournalisten und Bank-Experten nachzulesen.

Erstens: Zur IKB-Pleite, deren Vorlauf dem Haupteigentümer KfW offenbar entgangen war.

„Verluste bei IKB, SachsenLB und anderen öffentlichen Banken sind für (RS: den Professor für Bank- und Kreditwirtschaft Ekkehard) Wenger leicht erklärlich. ´Öffentliche Eigentümer sind mit dem Geld der Steuerzahler unterwegs. Da sind die Anreize, gut aufzupassen, besonders schwach ausgeprägt.‘ KfW-Chefin Ingrid Matthäus-Maier verweist entschuldigend auf die hohe Komplexität der Geschäfte. Manche Verträge seien 400 Seiten dick und schwer zu durchschauen. Kritiker sehen in solchen Einlassungen den Versuch, Inkompetenz durch den Verweis auf Inkompetenz zu entschuldigen.“ *5)

Diese „Inkompetenz“ der KfW-Chefin hat den deutschen Steuerzahler mehr als 10 Mrd. Euro für die Rettung der KfW-Tochter IKB gekostet. *6)

Lassen wir die verbreitete Medien-Kritik an ihrem Stil, mit der Krise umzugehen, an ihrem als ungebührlich beschriebenen Interesse an Honorierung und möglicher Vertragsverlängerung beiseite. Diese Entwicklung einer vielversprechenden Sozial-Liberalen ist traurig genug.

Zweitens: Zum KfW-Verfahren bei Zahlungsanweisungen.

Nach Matthäus-Maiers Rücktritt vom Vorsitz des Vorstandes im April und ihrem Ausscheiden aus dem KfW-Vorstand im September 2008 musste der seit September 2008 tätige Nachfolger Ulrich Schröder einräumen, dass die KfW am 15.09.2009 320 Mio. Euro an die bereits pleite gegangene US-Investmentbank Lehman Brothers überwiesen hatte: „Der Vorgang mache grundlegende Schwächen der staatlichen Bankengruppe deutlich.“ *7)

Nicht gerade ein Vertrauen erweckender Eindruck für den wieder zahlenden Bürger, wie nach all dem vorangegangenen Versagen bei der staatlichen KfW-Bankengruppe die Übergabe der Führungsverantwortung geregelt und gehandhabt wurde. „Deutschlands dümmste Bank“ – der BILD-Titel fand breites Echo in den Medien. *8)

Inzwischen scheint die KfW unter ihrem Vorstandsvorsitzenden Ulrich Schröder Tritt gefasst zu haben.

Tritt gefasst hat auch Frau Matthäus-Maier wieder. Das spürt derzeit die katholische Kirche recht schmerzlich. Frau Matthäus-Maiers bekannte Kampfeslust erscheint nicht ganz so nobel wie ihr Engagement bei der Giordano-Bruno-Stiftung. Denn das Ziel ihrer Tritte, der Bischof Tebartz-van Elst, liegt bereits am Boden.

Wir alle zahlen, so räsoniert die ehemalige KfW-Chefin, „für Saus und Braus und Prunk und Protz“ des Bischofs von Limburg. *3) Frau Matthäus-Maier weiß, wovon sie redet. Die „prunkvollen KfW-Gebäude am Berliner Gendarmenmarkt“ (BILD) oder in der Frankfurter Palmengartenstraße (Wirtschaftswoche) wurden der Öffentlichkeit seinerzeit hinreichend vorgeführt.

Immerhin kostet der Limburger „Prunk und Protz“ uns Steuerzahler nicht die „mehr als zehn Milliarden Euro“ wie die Pleite der KfW-Tochter IKB, die am Ende zu über 90 Prozent in das staatliche KfW-Eigentum gefallen war. *6)

Aber dies hat Frau Matthäus-Maier offenbar bewältigt und restlos ausgeblendet. Denn nun geht sie den katholischen Bischöfen an den Talar. Weil – so Frau Matthäus-Maier – wir Bürger deren Gehälter zahlen müssen. Das entspricht zwar dem Art. 140 in unserem Grundgesetz. Und im Gegensatz zu Frau Matthäus-Maier scheint die überwältigende Mehrheit der Deutschen mit unserer Verfassung sehr zufrieden. So möge sich die gelernte Juristin um eine Änderung des Artikels 140 GG bemühen – alles Gute.

Jedoch beharrt Frau Matthäus-Maier auf ihrer Kritik an der Höhe bischöflicher Gehälter – je nach Rang in Höhe von etwa € 8 Tsd. bis € 10 Tsd. im Monat. Die Anklägerin mag vergessen haben, dass ihre Leistung als KfW-Chefin, die für den Steuerzahler mit über 10 Mrd. Euro Verlust zu Buche schlug, von diesem deutschen Steuerzahler auch über Jahre hinweg mit gut € 40 Tsd. Monatsgehalt honoriert worden war. Und nach ihrer Pension fragt auch niemand.

Aber bleiben wir bei ihrer Schelte an unserem Grundgesetz. „Aufgrund alter Staatsverträge zahlen auch Protestanten, Juden, Muslime und Atheisten über ihre Steuern für den Limburger Bischof Tebartz-van Elst, kritisiert Ingrid Matthäus-Maier. Die ehemalige SPD-Finanzpolitikerin hält die staatliche Finanzierung der Kirche für veraltet und fordert: ´Das muss weg.`“ *3)

Gemeint ist mit „das muss weg“ nicht nur Art. 140 Grundgesetz, sondern auch die staatliche Finanzierung für die Leistungen z.B. kirchlicher Militärseelsorge, Kindergärten und Krankenhäuser. *3)

Da fühle ich mich von ihrer Logik angesprochen.

Ich bin nicht Kirchenmitglied; aber ich habe nichts gegen die Kirchen und ihre Einrichtungen wie Militärseelsorge, Krankenhäuser, Kitas etc., für deren Leistungen der Staat – zum Ärger von Frau Matthäus-Maier – mit unseren Steuern zahlt.

Denn aufgrund von Verfassung oder politischer Entscheidung zahlt der Staat für viele Dinge. Für Entwicklungshilfe. Für Familienhilfen. Für Pensionen ehemaliger Politiker und Ex-Vorstände staatlicher Banken. Der Staat zahlt nicht nur für KfW-Fehlleistungen, sondern auch auch für kirchliche Leistungen.

Der Fast-Finanzministerin der 1990er Jahre, Frau Matthäus-Maier, müsste eigentlich das „Nonaffektationsprinzip“ der Grundsätze für staatliche Haushaltsführung bekannt sein: Dieser Grundsatz verlangt bekanntlich, dass alle Einnahmen des Staates für alle Ausgaben zur Verfügung stehen.

Da hilft dann kein Zetern von Frau Matthäus-Maier über die Steuern, die „alle Protestanten, alle Juden, alle Muslime, auch alle Leute wie ich, die nicht in der Kirche sind“ *3) zahlen, wenn unsere Volksvertreter, unsere gewählten deutschen Parlamente mit Mehrheit Haushalte beschließen, die auch Zahlungen an die Kirchen vorsehen.

Zum Beispiel, weil Soldaten, Familien und viele Menschen das Angebot von Kirchen – Militärseelsorge, Kitas, Krankenhäuser, Schulen – schätzen. Dabei mag die Politik auch der Gedanke der Subsidiarität leiten, also der Förderung zivilgesellschaftlicher Einrichtungen statt staatlicher Stellen.

Darf ich zur Illustration des „Nonaffektationsprinzips“ staatlicher Haushaltsführung ferner anführen: Ich bin auch nicht kriminell, jedenfalls nicht aktenkundig. Und ich habe gleichwohl nichts dagegen, sondern begrüße, dass mit meinen Steuern Strafverteidiger oder Bewährungshelfer bezahlt werden. Andere mögen das anders sehen. Aber so wurde demokratisch entschieden.

Und Spaß beiseite: Ich bin auch kein Christdemokrat, Freidemokrat oder Grüner, käme aber nie auf die Idee, mich über die Zuwendungen aus den Steuermitteln zu echauffieren, mit denen der Staat die politische Bildungsarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung fördert oder die anderer politischer Stiftungen.

*1) en.wikipedia.org/wiki/ Giordano Bruno. Dort findet sich ein entsprechendes Zitat aus der Catholic Encyclopedia von 1908.

*2) de.wikipedia.org/wiki/Giordano Bruno. Vgl. auch: http://www.focus.de/wissen/mensch/geschichte/tid-13318/katholizismus-giordano-bruno_aid_368049.html

*3) http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/2286175/; 15.10.2013, Ex-SPD-Finanzpolitikerin kritisiert staatliche Finanzierung der Kirche, Ingrid Matthäus-Maier im Gespräch mit Mario Dobovisek. Nachtrag v. 30.10.2013: Die Frage der staatlichen Zahlungen aus Verträgen wg. Enteignung von Kirchen seit Napoleon bzw. die „Ablösung“ dieser Ansprüche scheint noch von keiner Regierung oder Partei in der Geschichte der Bundesrepublik angefasst worden zu sein. Diesbezüglich ist die Forderung von Frau Matthäus-Maier derzeit wohl nur mit der LINKEN zu realisieren …

*4) Ich hasse Schickimicki, SPIEGEL-Redakteur Gabor Steingart über die sozialdemokratische Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Maier, DER SPIEGEL, 01.03.1993. Diesen Artikel habe ich Herrn Steingart seinerzeit sehr verübelt; denn er hatte die damals fachlich herausragende liberale Sozialdemokratin als nervtötende Schreckschraube dargestellt.

*5) Die große Koalition der Unschuldigen. Die Steuerzahler haften mit vielen Milliarden für Missmanagement und Aufsichtsversagen bei Staatsbanken, Rüdiger Jungbluth, zeit.de, 6. Dezember 2007.

*6) KfW wird zur Krake in der Krise von Anne Kunz und Cornelius Welp, 24.09.2012 Wirtschaftswoche // http://www.wiwo.de/politik/deutschland/hohe-risiken-fuer-steuerzahler-kfw-wird-zur-krake-in-der-krise/7162326.html. Ferner: Teuer für den Steuerzahler Milliardengrab Bankenrettung, Markus Frühauf, faz.net 16.08.2013.

*7) www.tagesschau.de/wirtschaft/kfw134.html.

*8) http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken/skandal-ueberweisung-wie-die-kfw-deutschlands-duemmste-bank-wurde/3259066.html. Ebenso: KfW wird zur Krake in der Krise von Anne Kunz und Cornelius Welp, 24.09.2012 Wirtschaftswoche // http://www.wiwo.de/politik/deutschland/hohe-risiken-fuer-steuerzahler-kfw-wird-zur-krake-in-der-krise/7162326.html.