Im Interesse der Öffentlichkeit.

Das politische Vertrauen in die SPD hängt vor allem von drei Führungspersönlichkeiten ab.

Sigmar Gabriel, Parteivorsitzender, Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Energie. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen. Thomas Oppermann, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag.

In kürzester Frist haben Gabriel und Steinmeier ihre Ressorts profiliert. Und der interessierten Öffentlichkeit vermitteln können, dass die industrielle Entwicklung, die Energiewende und die internationalen Interessen Deutschlands kompetente und integre Sachwalter in der Großen Koalition haben.

Zweifel weckt leider der Dritte im Bunde. Thomas Oppermann. Er reagierte auf die erste unerfreuliche Affaire – zu der hier nichts zu sagen ist – mit einer „Öffentlichen Erklärung“ zum Fall Sebastian Edathy. *1)

Allerdings hat es diese Erklärung in sich.

Der Startpunkt: „ … Gabriel wurde im Oktober 2013 … angesprochen“. Zum Sachverhalt: „ausdrücklich nicht strafbare Inhalte“, „allerdings so die damalige Auskunft weiter“: es werde „möglicherweise zu strafrechtlichen Ermittlungen kommen.“

Gabriel, Steinmeier „und ich (Th. Oppermann) haben uns darüber verständigt, die Informationen vertraulich zu behandeln, um mögliche Ermittlungen nicht zu gefährden.“

Was bedeutet „vertraulich behandeln“ bei Herrn Oppermann?

Erstens: „Ich habe mir diese Informationen im Oktober 2013 in einem Telefonat von BKA-Präsident Jörg Ziercke bestätigen lassen.“

BKA-Präsident Jörg Ziercke dazu: „SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hat mich im Oktober 2013 angerufen und mir über den Inhalt eines Gesprächs berichtet, das der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel mit Herrn Oppermann geführt habe. (Vertraulichkeit? RS). Darin sei es um Ermittlungen im Ausland gegangen, in deren Rahmen der Name von Herrn Edathy aufgetaucht sei. Diese Darstellung habe ich mir angehört, aber Herrn Oppermann diese weder bestätigt noch Informationen zum Sachverhalt mitgeteilt“. *2)

Frage: Hat Oppermann die Öffentlichkeit unwahr informiert?

Zweitens: „Nach ihrer Wahl habe ich im Dezember 2013 Christine Lambrecht als meine Nachfolgerin als 1. Parlamentarische Geschäftsführerin informiert.“

Drittens: „Der innenpolitische Sprecher Michael Hartmann sprach mich Ende November 2013 darauf an, dass sich Sebastian Edathy in einem schlechten gesundheitlichen Zustand befindet. Ich habe ihn als zuständigen Arbeitsgruppen-Sprecher gebeten, sich deswegen um Sebastian Edathy zu kümmern.“

Frage: Was verbirgt sich hinter „darauf“ und „deswegen“ – weitere Ausweitung des Mitwisser-Kreises?

Viertens: Die Beteuerung „Ich habe mit Sebastian Edathy in dieser Angelegenheit bis zu seinem Rücktritt keinen Kontakt gehabt. Nach seinem Rücktritt habe ich Sebastian Edathy eine SMS mit guten Wünschen für seine weitere Zukunft geschickt. Weiteren Kontakt hatte ich mit ihm nicht.“

Frage: Welche Kontakte hatte er denn zu Herrn E.?

Abschließend beschwört Oppermann das „Interesse der Öffentlichkeit“ und erinnert die Staatsanwaltschaft an ihre Pflicht.

Nun könnte im „Interesse der Öffentlichkeit“ gefragt werden: Wussten Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier von den vier (4) „Kontakten“ Oppermanns in der Sache Edathy nach vereinbarter Vertraulichkeit?

Leider lässt die „Erklärung“ Oppermanns diese Frage offen.

Das erscheint als schwerwiegendes Versäumnis, da es die Frage aufwirft, ob advokatische Absicherung auf eigene Faust der Stil Oppermanns im Krisenfall ist.

Außerdem könnte Oppermanns Vorgehen in der „Öffentlichkeit“ so missverstanden werden, dass strafvereitelnde Kontakte zu Herrn Edathy zwar seitens Herrn Oppermann ausgeschlossen wären. Nicht jedoch seitens Herrn Gabriel oder Herrn Steinmeier oder seitens der drei oben benannten Persönlichkeiten: Jörg Ziercke, Christine Lambrecht und Michael Hartmann.

Kann im „Interesse der Öffentlichkeit“ die Frage beantwortet werden, ob die „Erklärung“ und die vier o.a. „Kontakte“ Oppermanns mit Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier abgestimmt waren?

Am besten durch Herrn Oppermann selbst, der den etwas schiefen Eindruck in der „Öffentlichkeit“ hervorgerufen hat. ***)

*1) Ermittlungen gegen Politiker. SPD wusste seit Oktober vom Verdacht gegen Edathy. faz.net; 13.02.2014.

*2) DTS-Meldung vom 13.02.2014; Fall Edathy: BKA-Präsident Ziercke widerspricht Oppermann.

Wie lässt sich diese Situation „Aussage gegen Aussage“ bewerten? Zierckes Version seiner Haltung gegenüber dem mindestens unkorrekten telefonischen Ansinnen Oppermanns erscheint durchaus plausibel. Gerade wenn auch berücksichtigt wird, wie hart das BKA von der SPD-Fraktion 2013 attackiert wurde: vgl. Dr. Eva Högl, NSU-Terror: Erneute BKA-Panne bei der Aufklärung; Dok.Nr. 249, 28.02.2013, www.spdfraktion.de/presse/pressemitteilungen/.

***) Der Eindruck wird umso schiefer, je genauer hingeschaut wird: Der Aktivitätskalender Oppermanns (www.thomasoppermann.de/die_woche_in_berlin.php) enthält für August und September keine Angaben. Obwohl er höchst aktiv unterwegs war – z.B. zwei wichtige öffentliche Veranstaltungen zum NSU-Terror mit Sebastian Edathy, MdB, hatte, am 28.08.2013 und am 02.09.2013 in Berlin.

In jener Zeit waren dem offenbar arglos wahlkämpfenden Frank-Walter Steinmeier zehn Fragen gestellt worden.

„Frage 9: Herr Steinmeier, warum gehört der Kreis-Nienburger SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy nicht zum Kompetenz-Team von Herrn Steinbrück?

Antwort: Die Frage ist natürlich berechtigt, denn Sebastian Edathy ist einfach richtig gut. Er hat herausragende Arbeit als Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses geleistet. Das Kompetenzteam hat Peer Steinbrück mit Absicht sehr klein gehalten und vor allem auch mit ein paar Überraschungen von außen besetzt. Wenn sie aber wissen wollen, wie wichtig Sebastian Edathy für die SPD-Bundestagsfraktion ist, dann sag ich ganz klar: Ich kann als Fraktionsvorsitzender auf ihn nicht verzichten. Und ich hoffe darauf, dass ihn die Wähler mit einem starken Mandat zurück nach Berlin schicken.“

Fragen gestellt im niedersächsischen Nienburg. Am 24. August 2013. Von der Zeitung „Die Harke“. Das ist die Zeitung, die laut BILD (14.02.2014) „den Fall Edathy lostrat“. (Quelle: SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag).

Heute am 14.02.2014 – zwischen Nacht und Morgengrauen – hat sich der detaillierte, viele Seiten umfassende wöchentliche Aktivitätskalender auf MdB Oppermanns Website verändert. Dort kann man über die vielfältigen Aufgaben eines Spitzenpolitikers eine Menge lernen. Herr Edathy tauchte dort – bis Ende 2011 zurück jedenfalls – nicht auf. Änderungen einer Website zwecks Übersichtlichkeit sind natürlich üblich und zu akzeptieren.

Die Website Herrn MdB Oppermanns bleibt informativ (15.02.2014).

So findet sich Anfang November 2012 der Hinweis, dass Oppermann zu einer Fachtagung über den NSU-Terror in den Bundestag eingeladen hatte.

Weitere Suche führte zu dem Dokument „Ein Jahr nach Entdeckung des NSU-Terrors“ (spdfraktion.de Nr. 03/13) über diese Fachkonferenz: Die wurde mit Rede von Oppermann eröffnet und mit Schlusswort von Edathy beendet. Edathy dankte ganz ausdrücklich Herrn Jörg Ziercke, Präsident des BKA, der einen Fachbeitrag geleistet und die ganze Zeit teilgenommen hatte.