Intelligente Lösung.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel wähnt sich in einem Wettbewerb der „Intelligenz“. Das ist nicht nur, aber gerade im Fall der Flüchtlingskrise eine gefährliche Nummer auf der politischen Bühne.

Dies hindert unseren risikofreudigen Parteichef nicht, seine Intelligenz zu demonstrieren: Wie in der Schule oder der Universität bei schwierigen Abschluss-Klausuren. Wer erinnert nicht die Hochbegabten, die nach zwei Stunden die mustergültige Lösung abgeben, während der grossen Masse der Prüflinge noch weitere Stunden der Schädel raucht.

Wie gesagt: Der Überflieger Sigmar Gabriel hatte den „wesentlich intelligenteren“ Vorschlag für Handeln in der Flüchtlingskrise bereits nach zwei Stunden fertig und verließ das Kanzleramt. Während sich Bundeskanzlerin Merkel und Ministerpräsident Seehofer, nach Gabriels Abgang noch um Gerda Hasselfeldt und Volker Kauder **) verstärkt, weiter abmühten.

Wer die Sorgen der Bürgermeister gegenüber dem unkontrollierten Ankommen der Flüchtlinge beobachtet, wird fragen, worin genau die überlegene „Intelligenz“ der SPD-Vorschläge besteht.

Der aus Gabriels Sicht wenig „intelligente“ Vorschlag der am härtesten belasteten Landesregierung, der bayerischen, ist die Einrichtung von „Transitzonen“ an der deutschen Grenze zu Österreich.

Dort sollen die Flüchtlinge registriert und, falls sie ein Bleiberecht in Deutschland haben, danach auf andere Bundesländer nach vereinbarten Quoten verteilt werden. Wer kein Aufenthaltsrecht in Deutschland hat, wird nicht hereingelassen. Auf diese Weise sei die Zahl weiterer Migranten in die Bundesrepublik wenigstens halbwegs planbar zu steuern, meint die betroffene bayerische Landesregierung.

Obwohl der Begriff „Transit“ nichts anderes als „Durchreise“ bedeutet, wird die von CDU und CSU angestrebte Einrichtung von „Transitzonen“ von der SPD als „Massen-Haft-Lager“ oder als riesige „Inhaftierungscamps“ bezeichnet. Soviel zunächst zum Umgang in der Großen Koalition (GroKo).

Demgegenüber will Gabriel über die Bundesländer „dezentral“ verteilte „Einreise- und Registrierungszentren“. Worin besteht nun die „Intelligenz“ des alternativen Vorschlags der SPD?

Aus Sicht der Flüchtlinge und ihrer Schlepper sicher darin, dass sie damit ihr Ziel erreicht haben, nämlich, sich das EU-Land, Deutschland, und auch das Bundesland auszusuchen, in dem sie nach „Registrierung“ bleiben, Leistungen beanspruchen und den Familiennachzug organisieren wollen. Und der weitere Zuzug nach Deutschland wird mit Hilfe Österreichs gelingen, wenn die Schlepper erst an die deutsche Grenze gekommen sind.

Die überlegene „Intelligenz“ des SPD-Konzepts der „Einreise- und Registrierungszentren“ bestehe also darin, dass die Einreise der Flüchtlinge erleichtert und nur so „ohne Konflikt mit dem deutschen Verfassungsgericht“ (Gabriel) *1) umgesetzt werde.

Also der aus SPD-Sicht „dumme“ Seehofer will in „Transitzonen“ an der Grenze zu Österreich kontrollieren und entscheiden, wer nach Deutschland kommt. Der „intelligente“ Vizekanzler Gabriel lässt die Migranten erst mal einreisen.

Denn Gabriel will wissen, dass die „Transitzonen“ ohnehin nicht funktionieren, weil die Bundespolizei und der Grenzschutz zu unfähig sind, die deutsche Grenze zu kontrollieren.

Deshalb „Herzlich Willkommen“ in den SPD-„Einreise- und Registrierungszentren“ innerhalb Deutschlands, dort winken die „Leistungen“. Und die Bürger mögen glauben, dass nicht zum Bleiben in Deutschland Berechtigte sofort abgeschoben werden. Weil die SPD zwar nichts von Kontrollen an der Grenze zu Österreich hält, dafür aber an die Kontrolle der Flüchtlingszahlen glaubt, wenn die Migranten sich bereits in den Bundesländern aufhalten.

Bürgermeister von Gemeinden, ihre erschöpften Mitarbeiter und freiwilligen Helfer arbeiten sich in diesen Tagen an folgenden Problemen ab: Die erwarteten Flüchtlingszahlen für 2015 sind allein in den letzten zehn Tagen um rd. 25 % gestiegen. Finde freie Plätze in Turnhallen von Schulen, wo die für morgen angekündigten Flüchtlinge noch untergebracht werden können. Organisiere eine Betreuung für Kinder, die in Begleitung von Angehörigen gekommen sind. Suche für die stark wachsende Zahl von unbegleiteten minderjährigen Jugendlichen qualifizierte Betreuung durch das Jugendamt. Organisiere Vorbereitungsklassen für schulpflichtige Kinder. Appelliere an die Bürger der Gemeinde, dass sie weitere Wohnräume oder Lagerhallen für die Migranten bereitstellen.

Was mag in einem überlasteten Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung vorgehen, wenn er den Streit in der GroKo über den „intelligenteren“ Beitrag zur Flüchtlingskrise zur Kenntnis nähme? Und dann merken würde, dass die SPD eine Begrenzung der Migration an der Grenze zu Österreich gar nicht erst versuchen will? Sondern in den Bundesländern „Einreisezentren“ anbietet.

Angesichts des Theaters in der GroKo — was halten nicht nur wir Bürger, sondern auch unsere europäischen Nachbarn in der schwersten Krise der Europäischen Union von der Qualität der deutschen Regierungsführung?

Vor allem im Hinblick auf die folgenden von der GroKo selbst vereinbarten Grundsätze: „8. Arbeitsweise der Koalition. Europapolitische Koordinierung. Um eine bestmögliche Vertretung deutscher Interessen auf europäischer Ebene zu erreichen, wird die Bundesregierung ein geschlossenenes Auftreten gegenüber den europäischen Partnern und Institutionen sicherstellen.“ (Koalitionsvertrag 2013).

Im GroKo-Streit über die Flüchtlingspolitik klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander — Regierungsversagen droht.

Dies Szenario wäre das dümmste Ende der Großen Koalition. Wenn sie am Streit über eine „intelligente“ Flüchtlingspolitik scheitern sollte.

*1) Flüchtlingskrise. Zoff beim Krisen-Gipfel im Kanzleramt. BILD. 01.11.2015.

**) Hasselfeldt ist Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Kauder Vorsitzender der Unionsfraktion aus CDU und CSU im Deutschen Bundestag.