Iran: Abfrage oder Gespräch?

Wenn es bei schwersten Problemen notwendig erscheint, die Öffentlichkeit zu orientieren, wird der zuständige Sachverstand im TV konsultiert. Das ist anzuerkennen.

Ob das Ziel der Orientierung zu erreichen ist, hängt auch von der Methode ab, wie die Sachverständigen ihren Rat darbieten können.

Dem Thema “Iranische Revolution 1979“ widmete sich am 6. Oktober 2019 Michaela Kolster im Forum Demokratie. *1) Dazu waren ausgewiesene Iran-Experten eingeladen: Yakov Hadas-Handelsman, 2012 bis 2017 Botschafter Israels in Deutschland; Arye Sharuz Shalicar, israelisch-deutsch-iranischer Publizist; Guido Steinberg, Stiftung Wissenschaft u. Politik (SWP Berlin); Jürgen Trittin, MdB-Grüne, Vorsitzender der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe.

Frau Kolster hatte eine umfangreiche Fragenliste von mindestens 30 Fragen zu den Folgen der iranischen Revolution bis in die heutige Zeit vorbereitet, offenbar fest entschlossen, diese Liste abzuarbeiten.

Selbst komprimiert umfasste der 30-Fragen-Katalog Kolsters zur iranischen Revolution mindestens 15 Themen, teils in zeitlichem Zick-Zack abgefragt, was das Verständnis zusätzlich erschwerte.

  • Deutsch-israelische Beziehungen; Vorgeschichte der Revolution (Mossadegh-Sturz 1953 durch Geheimdienste: USA-CIA und britischer MI6; Wurzel des iranischen Antiimperialismus); Schah Reza Pahlevi: Bündnisfehler des Westens; Säkulare Kräfte in der Revolution 1979 (brutal abgetan);
  • Führungsschwäche des Schah, deutsche Soraya-Sentimentalität: der Trittin-Spaß durfte nicht fehlen; Anti-Israel-Politik Irans wird wegen westlicher Abhängigkeit vom Öl ignoriert (Hadas-Handelsman); Khomeinis islamisch-fundamentalistischer Führungsanspruch und schiitischer Revolutionsexport auch gegen Sunniten (z. B. Saudi-Arabien);
  • Shalicars Mutter durfte in Persien Mini-Rock tragen; Scharia-Herrschaft durch Khomeini, dessen Bücher ignoriert wurden (Ausnahme: Peter Scholl-Latour!); iranisches Feindbild Westen, verstärkt nach acht Jahren Krieg mit Irak, der westliche Waffenlieferungen nutzte, Antisemitismus als Instrument pan-islamischer Einigung (Steinberg);
  • Khomeini-Revolution 1979 als Sieg der UdSSR? (Keinesfalls, das “Ende säkularer Blockkonfrontation“ (Trittin) wurde verkannt, vom Westen wie von der UdSSR, dadurch sei der Aufstieg des politischen Islam erleichtert worden);
  • Stabilität im Mittleren Osten durch “Terror-Zweigstellen“ (Shalicar) Irans bedroht (Hizbollah, Hamas, Huthis etc.); Gefahr der aktuellen Lage: wechselseitige “Provokation mit hohem Eskalationsrisiko“ (Trittin); Konfliktlösung durch Dritten Weg zwischen Trump und EU (aussichtslos?); Reformen im Iran?

Mit der 30-Fragen-Liste also begann die Abfrage der Experten — einer um den anderen erhielt seine Frage. Eine Stunde Zeit für die Abfrage: Zwei Minuten pro Frage/Experte im Durchschnitt. Es erscheint als bemerkenswerte Ironie, dass diese Abfrage unter dem Programm-Titel Gespräche lief. *1)

An wen mag Frau Kolster, Programmgeschäftsführerin Phoenix (ZDF), als Adressat für solche “Orientierung“ gedacht haben?

Informativ war diese Sendung gewiss für Islam-Wissenschaftler, Iran-Kenner und auch für TV-Studenten, die sich Notizen machen, diese nacharbeiten, und das Video *1) noch einmal nutzen.

Die große Chance der Sendung, ein breites Publikum außenpolitisch aufzurütteln, wurde leider vertan. Dies ist als schwerwiegender Fehler zu werten, vor allem, weil der Konflikt mit dem Iran mehr als bedrohlich ist.

Denn dies war die Quintessenz der Expertenanalyse, die im Kolster-Katalog der 30 Abfragen fast unterging: Die Eskalationsgefahr im Konflikt mit dem nuklear rüstenden Iran sei so groß, und das im Nahen Osten bereits ablaufende Kriegsgeschehen sei so weit fortgeschritten, dass der geringste Irrtum in der Kalkulation der Akteure zu einem Flächenbrand des Krieges führen könne.

Mit diesen vier Iran-Experten wäre es durch ein Gespräch, fokussiert auf das Thema der Eskalationsgefahr im Irankonflikt, sicher möglich gewesen, eine größere interessierte Öffentlichkeit außen- und sicherheitspolitisch zu orientieren. Gelingt ein solches Gespräch, ist sein Orientierungswert umso höher, je intensiver die Gruppe der Sachkenner ihre Einsichten darlegen und im Gespräch austauschen kann. Die 30-fach gelistete Abfrage durch Frau Kolster hat dies leider verhindert und das Problem akuter Kriegsgefahr im Mittleren Osten für die öffentliche Wahrnehmung eher verschüttet.

Würde Phoenix-TV Transkriptionen anbieten wie z. B. CNN, wären wenigstens die sachkundigen Thesen der vier Iran-Kenner für die interessierte Öffentlichkeit leichter zugänglich.

So blieb die Methode Abfrage statt Gespräch leider weit unter dem gerade beim Iran-Thema gebotenen Orientierungsziel.

*1) GESPRÄCHE. Forum Demokratie. Wegscheiden der Demokratie – 1979, Iranische Revolution. Moderation: Michaela Kolster; https://www.phoenix.de/sendungen/gespraeche/forum-demokratie/wegscheiden-der-demokratie–1979-iranische-revolution-a-1233555.html.