Sebastião Salgado: großartiger Preisträger!

So hat Bascha Mika zu meiner größten Freude über den Träger des Friedenspreises 2019 geurteilt, den der deutsche Buchhandel jährlich verleiht. *1)

Wim Wenders wird Sebastião Salgado mit der Laudatio ehren; die TV-Übertragung ist am Sonntag, 20. Oktober um 11.00 Uhr, im ZDF zu sehen.

Vorausschicken möchte ich, dass ich mich als Schüler zwischen 14 und 18 Jahren intensiv theoretisch und praktisch an der Technik und der Bildgestaltung in der Schwarz-Weiß-Fotografie versucht habe. Noch heute denke ich dankbar an meinen Vater, an den Lehrer Walter Sehmisch in Schulenburg/Leine, an den stets hilfsbereiten Hausmeister Gerd Fichte der dortigen Grundschule, wo sich das kleine Labor befand, und an Herrn Schenk, Lehrer an der Freiherr-vom-Stein-Schule in Hildesheim, die diese Versuche gefördert haben.

Ich möchte nur zum Werk Sebastião Salgados sagen, dass ich jedes seiner großen Bilder mit Ehrfurcht betrachte.

Deshalb haben mich kritische Kommentare verstört, vor allem von Frau Professor Elisabeth Neudörfl, die ich im Deutschlandfunk hörte und dann las: Durch “opulent inszenierte“ Bilder sei „Salgados Blick auf die Welt ´rückwärtsgewandt`. Er fotografiere Pinguine in der gleichen Ästhetik wie Minen-Arbeiter.“ Ein Bild marokkanischer Bootsflüchtlinge habe Salgado gar vom Hubschrauber der verfolgenden Küstenwache fotografiert. *2)

Letzterer Vorwurf hat mich besonders verärgert: In Wirklichkeit wurde diesen Flüchtlingen dadurch das Leben gerettet, weil die starke Strömung in der Straße von Gibraltar bei defektem Motor sie auf den Atlantik hinausgetrieben hatte. *3)

Gewiss habe ich dem Sachverstand der Professorin für Dokumentarfotografie und den kritischen Kulturwissenschaftlern fachlich nichts entgegen zu setzen. Aber im Rahmen einer Podiumsdiskussion werfen diese Fachleute auch die Frage auf: „An wen richten sich Salgados zahlreiche Bildbände, seine wandförmigen Großformate?“ Da sind wir wieder bei dem herabsetzenden Urteil “Opulenz“ über Salgados Bildwerke.

Für mich bleibt die Hochachtung vor Sebastião Salgados Werk: Vor der gesellschaftlich motivierenden Wirkung seiner Bilder, der Kraft ihrer Komposition, ihrer Formkontraste in feinsten Nuancen der Licht-Schatten-Malerei, ihrem hintergründigen Grauen vor der Ausbeutung von Menschen, der Plünderung der Natur.

Deshalb kann ich den Vorwurf nicht teilen, hier ginge es um Ästhetik, gleich ob Pinguine oder Minenarbeiter oder Trümmerwüsten in Kabul fotografiert würden.

Die namhafte Preis-Jury würdigt Salgados Werk als „aufrüttelnde“ Forderung nach Frieden in der Welt, für die Menschen, für die Natur. Ich sehe, um nur wenige Beispiele zu nennen, in der bildnerischen Gestaltungskraft und, meinetwegen, der „Ästhetik“ (Neudörfl) Salgados vor allem seinen Respekt gegenüber dem Abgebildeten: 

  • für die Würde der geschundenen Arbeiter in den Goldgruben von Serra Pelada,
  • für die erinnernde Würde in den Trümmern dessen, was einst die Prachtstraße von Kabul war und
  • in der Schönheit seiner Naturbilder aus aller Welt die Warnung vor dem Verlust, der durch unseren zerstörenden Konsum droht.

Deshalb teile ich das Urteil von Bascha Mika über Sebastião Salgado: Ein großartiger Preisträger!

*1) Friedenspreis für Sebastião Salgado. Der Bilder-Erzähler. Bascha Mika im Gespräch mit Gisa Funck. 18.06.2019; https://www.deutschlandfunk.de/friedenspreis-fuer-sebastiao-salgado-der-bilder-erzaehler.700.de.html?dram:article_id=451690

*2) Kritik an Friedenspreisträger Salgado. 09.10.2019; https://www1.wdr.de/kultur/kulturnachrichten/friedenspreis-salgado-fotografie-100.html

*3) Überlebensinstinkt. Sebastião Salgado über die Gründe für Flucht und Migration; https://www.taschen.com/pages/de/company/blog/819.ueberlebensinstinkt.htm