„Islamische Welt“.

Diplomaten um angemessene Wortwahl zu bitten, muss arrogant erscheinen.

Aber dass Berufsdiplomaten es zulassen, dass ihr Minister vor Presse und Öffentlichkeit mehrfach von „der islamischen Welt“ redet, erscheint dem außenpolitischen Laien verwunderlich.

Es gibt keine islamische, keine christliche, keine buddhistische Welt. Es gibt Länder mit christlicher oder muslimischer oder buddhistischer Mehrheitsbevölkerung, was in einzelnen Regionen mancher dieser Länder auch wieder differenziert zu sehen ist.

Viele Muslime verstehen, was Freiheit bedeutet, wollen politische und wirtschaftliche Freiheitsrechte. Viele Muslime verstehen auch, dass Freiheit missbraucht werden kann. Wir Bürger in der Bundesrepublik Deutschland ebenso wie sehr viele unserer muslimischen Mitbürger sind empört, wenn wir rechtsextremen oder fundamentalistisch aufgehetzten Mob randalieren sehen. Und so empfinden viele Bürger in Ländern, in denen die Mehrheit der Menschen muslimischen Glaubens ist.

Deshalb missfällt das Wort von „der islamischen Welt“. Kürzlich zeigte uns z.B. der Journalist Theo Koll im TV-Auslandsjournal, wie stark sich die Türkei modernisiert hat.

Im türkischen Fernsehen trat eine junge, offenbar ungewöhnlich strenggläubige Muslimin mit folgenden Thesen auf: Die Gleichberechtigung von Mann und Frau sei ein Irrweg. Dem Koran zufolge sollten also einem Herrn vier Ehefrauen erlaubt sein. Am TV-Podium fiel eine ebenfalls junge Frau jener Dame ins Wort: „Von Deiner Sorte braucht ein Mann in der Tat vier Frauen.“ Toll!

Da bedarf es nicht der langjährigen Erfahrung in der Zusammenarbeit mit türkischen Partnern, die hohes professionelles und kulturelles Niveau auszeichnet, gleich welchen Glaubens sie sind, um zu ermessen, dass die Türkei zu Europa gehört.

In weniger als 10 Minuten hat uns der Journalist Theo Koll illustriert, wie modern die Türkei ist. Dies sollte sich herumsprechen, wenn über die europäische Beitrittsperspektive einer sich rapide reformierenden und modernisierenden Türkei politisch debattiert wird.

Herr Außenminister, es gibt sie nicht, „die islamische Welt“.