Junge Familien …

im Griff von Klientelpolitikern! Dieser Eindruck konnte bei der Sendung von Herrn Jauch am Sonntag aufkommen.

Bislang glaubte dieser Bürger-„Journalist“: Familienwerte und familiäre Entscheidungen junger Eltern gehören nicht in Wahlkämpfe. Ein Irrtum!

Dieses Thema sollte tatsächlich in den kommenden Wahlkämpfen debattiert werden. Nicht nur, weil es ohnehin nicht zu verhindern ist. Sondern weil sich gut organisierte und sogar mit Kirchen vernetzte Interessengruppen als Lobby im politischen Geschäft aufgestellt haben.

Zurück zur Runde von Herrn Jauch. Da ist der als Krankenpfleger gestartete Professor Stefan Sell. Ausgewiesener Fachmann der Studiengänge für Kita-Personal. Bis zu 5 Jahre dauert inzwischen deren Studium. Zur Freude aller akademisch ambitionierten Sozialpädagogen.

Eine richtige Wachstumsindustrie ist diese Wissenschaft geworden. Kein Wunder, dass der Vorschlag, arbeitslose Mütter, die mehrere Kinder groß gezogen haben, in Krippen oder Kitas zu beschäftigen, durch Kampagnen empörter, „professionell“ ausgebildeter ErzieherInnen und ihrer organisierten Interessenvertretung zurückgewiesen wurde.

Eine eloquente Kita-Leiterin erweckte den Eindruck, dass Eltern die Pflicht haben, ihre Kinder in solchen Einrichtungen abzuliefern. Zu den Gehältern sagte sie: für Berufsanfänger € 1400 netto (!); eine Angabe zum Brutto-Gehalt wäre sicher transparenter gewesen. Jedenfalls stellte sie das Einstiegs-Gehalt als Skandal dar. Auch wenn dies sicher das Ergebnis ordnungsgemäßer Tarifverhandlungen ist.

Und dann stellte die Dame fest: Schlechte Bezahlung bedeute zugleich mangelnde Anerkennung ihrer Arbeit! Mit Unterstützung durch Professor Sell wurde die Kita-Arbeit auch als keineswegs „gute“, sondern als gesundheitsschädliche Arbeit beschrieben.

Bei aller Sympathie für gute Bezahlung der Arbeit mit Kindern mögen nicht wenige Eltern überlegen, ob sie ihr Kleinkind in eine Kita geben, wo das Selbstbild vorherrscht: Schlechte Arbeit, schlecht bezahlt, daher ohne die gebührende gesellschaftliche Anerkennung.

Der ehemalige Arbeitsminister Norbert Blüm, IG-Metaller, beklagte, dass die Familien den Interessen der Wirtschaft untergeordnet würden.

Die Gesundheit einer Mutter wird bekanntlich vor und nach der Geburt durch ein Beschäftigungsverbot (sog. Mutterschafts-„Urlaub“) geschützt. Der BDA-Präsident, Herr Hundt, erwarte wohl, so indigniert Herr Blüm, dass direkt danach die Mütter sich gefälligst wieder am Arbeitsplatz einzufinden hätten. Frau Ministerin Kristina Schröder stellte sogleich klar, dass Entscheidungen von Eltern, ob sie beide arbeiten und ihr Kind in eine Krippe geben oder ob das Kind in der Familie betreut werde, zu respektieren seien.

Natürlich verfolgen auch Herr Blüm und Frau Schröder politische Interessen. Dennoch habe ich mit gewissem Konsens in der Runde gerechnet. Gerade weil der SPD-Vorsitzende Gabriel mit seinem Glück über die kleine Tochter Marie erfreut hatte. Und ich setzte auf sozialdemokratisches Bewusstsein, dass durchaus nicht alle Arbeitsplätze für junge Mütter den Maßstäben „guter“ Arbeit entsprechen: Verkäuferinnen im Handel, Arbeit am Fließband, in Krankenhäusern, in vielen Kleinbetrieben.

Mein Irrtum bestand in folgendem verfehlten Analogieschluss: Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel fordert bekanntlich, die Wirtschaft solle sich der Demokratie anpassen und nicht umgekehrt, wie es die Kanzlerin sehe.

Verständnis für Norbert Blüms Kritik an der Wirtschaft bei der SPD zu erwarten, schien daher naheliegend. Denn Anpassung der Wirtschaft an ein Abstraktum wie Demokratie ist ja relativ nichts sagend im Vergleich zu Blüms Forderung an die Wirtschaft, die Situation von Familien besser zu berücksichtigen. „Nah bei den Menschen“ ist zudem regelmäßig von SPD-Politikern zu hören. Nicht zuletzt von Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.

Vergebliches Hoffen: Frau Kraft intervenierte, unterbrach Herrn Blüm und Frau Schröder immer wieder, wurde laut und unangenehm im Ton.  Offensichtlich unfähig oder nicht willens zu angemessener Streitkultur in der familienpolitischen Debatte. Junge Väter und Mütter sollen arbeiten. Wie Frau Schwesig weiß Frau Kraft: Junge Eltern wollen Kitas, sie wollen beide arbeiten, sie wollen kein Betreuungsgeld.

Da sah der sozialliberale Bürger staunend eine klientelpolitische Allianz unter Führung der großen Kritikerin der „Mövenpick-Klientelpartei“ FDP: sozialpädagogische Wissenschaft, das Kita-Geschäft nebst Gewerkschaft der Erzieherinnen und die SPD-Zukunftshoffnung Frau Kraft. Gut organisiert, wie sie alle sind, hatten sie auch viele Claqueure mitgebracht. Nur die Vertreter der evangelischen Kirche fehlten.

Fazit: Leider gehört die Debatte über Werte, Entscheidungen junger Eltern, das Wohl kleinster Kinder unter drei Jahren, über Mütter und ihren Gesundheitsschutz wohl doch in den Wahlkampf.

Leider! Denn die Klientelpolitiker haben trotz kirchlicher Lobbyhilfe eine keineswegs „heilige“, dafür aber effektive Allianz hochgerüstet. Da haben die Staatsbürger die Pflicht zu entscheiden.