Kakophonie zum EU-Rat.

Die Staatschuldenkrise vor allem in der Eurozone lässt sich nur im zäh und langfristig zu erarbeitenden Kompromiss Schritt für Schritt lösen.

Das weiß jeder aufmerksame Zeitungsleser. Nun aber kommt der Sozialdemokrat Carsten Schneider, MdB, und kräht zum Ergebnis des Ratsgipfels: Frau Merkel müsse eine „180 Grad Wende“ erklären und „alle Auflagen an ein Land sind nur noch Papiertiger“!

Dies nun ausgerechnet von der SPD! Die uns Griechenland unter der Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Finanzminister Eichel in die Eurozone geholt hat. Gegen Warnungen von Eurostat; die Statistikbehörde hatte die frisierten Zahlen entlarvt. Auch die EZB hatte die Hellas-Angaben moniert. Und nicht nur auf dieser Ebene waren die Bedenken vorgebracht worden.

Vertreter der deutschen Wirtschaft haben gewarnt und darauf bestanden, dass Griechenland die Konvergenzkriterien zu erfüllen habe. Der zu jener Zeit amtierende BDI-Präsident Hans Olaf Henkel: „verheerendes Signal“*) Auch die heutigen Regierungsparteien lehnten die Aufnahme Griechenlands in die Währungsunion ab.

Dann hat die rot-grüne Regierung den Maastrichtvertrag und den Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie seine Bestimmungen für solide Staatshaushalte gebrochen. Da spielte Hellas schon keine Rolle mehr. Ab 2005 zeigte Finanzminister Steinbrück in seiner Funktion im EcoFinRat, wo statutengemäß monatlich von den Finanzministern nachhaltige Solidität des Haushaltsgebarens zu prüfen ist, zur hellenischen Staatsschuldenproblematik nur „benign neglect“. Er selbst räumt dies heute ein, was in der Politik ein Zeichen großen Formats ist.

Es ist ja richtig: Wenn man vom Rathaus kommt, ist man immer klüger! Zum Glück ist die SPD-Führung gegenüber der Problematik staatlicher Überschuldung seit längerem einsichtig. Eine gute 180 Grad Wende!

MdB Carsten Schneider hält aber nun eine angebliche „180 Grad Wende“ bei der Bundeskanzlerin für so kritikwürdig, dass er dafür sogar eine besondere Erklärung einfordert.

Wollte Carsten Schneider mit seiner ohnehin falsch adressierten Kritik am Ende sagen, man solle vom Rathaus genauso blöd oder unklug kommen, wie man hineinging?Eigentlich mag man es nicht glauben.

Wie kommt MdB Carsten Schneider außerdem zu dem Urteil: Nach dem EU-Rat in Brüssel sind „alle Auflagen an ein Land nur noch Papiertiger“? An dieser Aussage kann nicht viel dran sein. Denn wie könnte sonst die SPD heute dem Fiskalpakt, dem ESM und den damit verbundenen Auflagen zustimmen?

Wenn ein führender Haushaltspolitiker wie Herr Carsten Schneider solches äußert, und es stellte sich heraus, dass seine Behauptung zutrifft, würden die Finanzmärkte der Euro-Zone und dem Euro das Vertrauen entziehen. Die Kurse der Staatsanleihen für Euro-Länder würden verfallen, die Zinsen für Kredite an staatliche Schuldner drastisch steigen, der Euro-Kurs zum Dollar sinken.

Ein unverantwortliches Spiel mit dem Feuer hat sich Herr Schneider erlaubt. Aber wieder zeigt sich, dass seine Aussage als belanglos eingestuft wird. Nicht von diesem Bürger-„Journalisten“. Aber von Akteuren, die wirkliche Bedeutung haben und außerdem für Sachverstand und Risikobewertung bezahlt werden: von den Finanzmärkten.

Nach den Beschlüssen des Brüsseler Rats und zur gleichen Zeit (13.00 Uhr) als Carsten Schneider, MdB, seine Bewertung dieser Einigung über TV-Meldungen zum Besten gab … stieg der EuroStoxx und auch der DAX um über 3,6 %, der Euro gegen den Dollar um 1,8 %, sanken die Zinsen für italienische und spanische Staatsanleihen!

Die SPD hätte uns um die Euro-Währung besorgte Bürger besser solche Kakophonie  erspart. Denn nach dem Fiskalpakt Ende 2011 erhoffen wir uns von den heutigen Brüsseler Beschlüssen einen weiteren großen Schritt zur Sicherung des Euro und des europäischen Einigungswerks. Wenn auch nicht Carsten Schneider, MdB, so haben uns doch immerhin die Finanzmärkte Vertrauen signalisiert.

*) Berliner Zeitung, 3. Mai 2000, Wirtschaft warnt vor Beitritt Griechenlands zur Währungsunion, Ruth Berschens, Hendrik Munsberg, Bettina Vestring.