Kommunalpolitischer Loyalitätskonflikt.

25. Mai 2014 Kommunalwahl in NRW. Schien für mich in Bad Honnef eine klare Sache.

Wally Feiden, SPD, als Bürgermeisterin auch von mir geschätzt und gewählt, da integer und bürgernah.

Zur SPD in Bad Honnef.

Doch Frau Bürgermeisterin Feiden wird nicht bis zum Ende ihrer Wahlzeit am 30. November 2014 amtieren. Sie machte von ihrem Recht auf „Niederlegung“ des Amtes zum Frühjahr 2014 Gebrauch.

Das ist zu respektieren. Danke Frau Bürgermeisterin Feiden und alle guten Wünsche für Ihr weiteres Wirken zum Wohle von Bad Honnef!

Kommunalpolitik in Bad Honnef ist ein zu umfangreiches Gebiet, als dass ich die Gründe für diese Entscheidung Frau Feidens beurteilen könnte. Also wird der neue SPD-Kandidat für das Bürgermeisteramt in Bad Honnef – Herr Guido Leiwig, 47 Jahre – wohl auch auf meine loyale Stimme zählen können.

Herr Leiwig hat bereits einen eindrucksvollen Lebensweg zurückgelegt: Vom Fernmeldehandwerker zum Kommandeur bei der Bundeswehr mit Personalverantwortung über mehrere Hundert Soldaten und zivile Mitarbeiter. Die SPD Bad Honnef hätte keinen geeigneteren Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters vorschlagen können.

Nun zu einem anderen Feld der Loyalität. Mit Freude kann ich wie schon oft in den letzten Jahrzehnten feststellen: Der Mensch wird entweder als Rheinländer geboren oder er kann es in einem keineswegs zügigen Prozess – geduldig sich anpassend – bis zum gelernten Rheinländer bringen. Oder aber auch nicht.

Zum Verschönerungsverein VVS.

Bad Honnef ist eine der Perlen der Rhein-Romantik, die vor zwei Jahrhunderten begann. Lord Byron besang „the castled crag of Drachenfels“. William Turner schuf hier Bilder von einer Schönheit, die Menschen in aller Welt anrührt. Alexander von Humboldt soll Bad Honnef das „Nizza am Rhein“ genannt haben.

Für den geborenen Rheinländer ist allerdings nicht untypisch, dass seine romantische Seite sich mit robuster Heiterkeit, kältester Berechnung und brutalem Profitstreben paart. Die Verwüstung des Siebengebirges und des Drachenfels durch Steinbrüche, um Trachyt und Basalt nicht zuletzt für Gotteshäuser zu gewinnen, ist bis heute zu bestaunen.

Kaum von Lord Byron besungen, wäre der Drachenfels abgeräumt worden, hätte nicht die preußische Regierung 1828 wenigstens dort die Steinhauerei verboten.

Doch der Rheinländer wäre eben nicht der Rheinländer, hätte er keine rheinische Lösung gegenüber rigiden preußischen Verboten gefunden.

Die Lösung mag von romantisch empfindenden rheinischen Ehefrauen geboren worden sein. Jedenfalls entdeckten nicht wenige Besitzer von Steinbrüchen plötzlich die Schönheit des Siebengebirges.

Diese – so könnte das sorgende Kalkül gewesen sein – ließe sich noch steigern, würden Steine und Felsen, die romantischen Aussichten und der Bequemlichkeit wandernder Damen und Herren im Wege stehen, beseitigt werden. Für einige Jahre ging das Treiben in den Steinbrüchen also ungestört weiter – Romantik und Kommerz verbanden sich glücklich in rheinischen Herzen.

Schließlich hatten es die Basaltbrecher aber so weit getrieben, dass sie empörte Romantiker und Freunde des Siebengebirges beschwichtigen mussten. Daher – so mögen diese schlauen Steinbruch-Unternehmer kalkuliert haben – sollten preußische Verwalter durch die Gründung einer „Institution“ überlistet werden. So wurde 1869 der „Verschönerungsverein für das Siebengebirge (VVS)“ aus einer sicher feucht-fröhlichen Taufe gehoben.

Das brachte bis an die Schwelle des 20. Jahrhunderts Ruhe für das Steinbruchgewerbe im Siebengebirge. Dann war jedoch der Punkt erreicht, wo selbst der Rheinländer erkannte, dass nun „entweder-oder“ galt: Siebengebirge oder Basalt!

So sei der Verschönerungsverein VVS – sicher nicht ohne retardierendes „sowohl als auch“ – wie seine heutigen Chronisten schreiben „ab etwa 1895, als die Basaltbrüche sich immer weiter ausdehnten … auch ein Naturschutz- bzw. Naturdenkmalverein“ geworden. Der Freund rheinischer Lebensart und des VVS schätzt jedes Wort solcher Chronik. *1)

„Um sein Ziel der Erhaltung der Siebengebirgslandschaft zu erreichen, nutzte der VVS verschiedene Strategien: er erwarb Grundstücks-Schutzstreifen, so dass sich Steinbrüche nur bis zu diesen Schutzstreifen ausdehnen konnten … und letztlich gelang es dem politisch sehr einflussreichen Verein, bei Kaiser Wilhelm II. die Durchführung einer Lotterie zur Beschaffung neuer finanzieller Mittel zu erreichen … Heute ist der VVS Besitzer von 850 ha im zentralen Siebengebirge“, das als Naturdenkmal in Europa und in Deutschland mit hohen Auszeichnungen gewürdigt wird. Dies ehrt die nachhaltige Arbeit des VVS.

Seit einem Vierteljahrhundert wandere ich regelmäßig durchs Siebengebirge, zum Drachenfels und sehr oft durch die Rhöndorfer Weinberge. Bei Sonnenschein kann man dort Siebenschläfer, Eidechsen, Kreuzottern und harmlose Nattern bewundern. Und Falken, die beim Siegfriedfelsen nisten.

Der Siegfriedfelsen wirft gelegentlich Felsbrocken ab. Manchmal rollten ein paar bis auf die quer unter diesem Felsen verlaufenden Weinbergwege. Starker, fest verankerter Maschendraht entlang der Metall-Geländer, die über den Hangmauern die Weinberge zu den Wegen hin begrenzen, würde auch dies verhindern.

Nun scheint es am 4. Januar 2011 (laut Wikipedia) zum Abgang eines wohl größeren Steinbrockens gekommen zu sein. Die Hinweistafeln auf Steinschlagrisiko und Begehen der Weinbergwege „auf eigene Gefahr“ genügten wohl versicherungsrechtlichen Ansprüchen nicht mehr. Obwohl das Risiko, im Siebengebirgswald durch Baumsturz umzukommen, weitaus größer ist und nicht durch einfachste Maßnahmen verringert werden kann.

Zum SPD-VVS-Konflikt.

Jedenfalls sperrte die Stadt Bad Honnef einige der Weinbergswege und verbot die Bewirtschaftung der Weinberge unterhalb des Siegfriedfelsens. Diese Maßnahme werde in der Bevölkerung und von den betroffenen Winzern als unverhältnismäßig kritisiert, heißt es in Presseberichten.

Auch diese Kontroverse kann ich nicht beurteilen und will sie deshalb nicht bewerten. Außerdem wandere ich weiterhin regelmäßig unterhalb des Siegfriedfelsens auf nicht gesperrten Weinbergwegen.

Und damit komme ich zum Loyalitätskonflikt, in den mich die bevorstehende Kommunalwahl stürzt. Als Wanderer gilt meine Hochachtung dem Verschönerungsverein für das Siebengebirge (VVS) mindestens ebenso wie der lokalen SPD und ihrem Kandidaten für das Amt des Bad Honnefer Bürgermeisters.

Und da stört mich der Bericht der Bad Honnefer Wochenzeitung (HWZ) *2) vom 8. November 2013, also kurz vor der alle Rheinländer verbindenden Karnevalszeit.

Zitiert werden von der HWZ abfällige Äußerungen unseres Kandidaten für das Bürgermeisteramt, Guido Leiwig, über den ehemaligen Regierungspräsidenten von Köln, den seit 2012 amtierenden Vorsitzenden des VVS, Hans Peter Lindlar, einen gelernten Geographielehrer. Einziger „Defekt“ dieses administrativ und politisch hoch erfahrenen VVS-Vorsitzenden mag aus enger Parteisicht seine Vergangenheit als angesehener CDU-Politiker sein.

Herrn Leiwig zufolge werde Lindlar „den Anforderungen als Vorsitzender nicht gerecht. … Der Chef des VVS .. hat mit seiner ungeschickten Vereinsführung und seiner Verweigerungshaltung eiskalt in Kauf genommen, dass die Winzer über die Klinge springen … Jahrzehntelang hatte der VVS einen untadeligen Ruf. Dieser Ruf ist nun ernsthaft in Gefahr.“ *2)

Natürlich geht es um Geld. Geld, um den Rhöndorfer Siegfriedfelsen so zu sichern, dass Wanderer und Winzer an seinem Fuße nicht von Felsbrocken bedroht werden.

Dazu habe – so Herr Leiwig laut HWZ – das Land NRW einen Finanzierungsvorschlag gemacht. 25 % der Kosten von rd. 2 Mio. €, also rd. 500 Tsd. €, sollte danach der VVS übernehmen. Das ist kein kleiner Happen, erkennt der Leser der HWZ sofort. Denn in die restlichen 75 % der veranschlagten Kosten teilen sich am Rettungsprojekt „Winzer in Rhöndorf“ 4 Beteiligte: Das Land NRW, der Rhein-Sieg-Kreis sowie die Städte Bad Honnef und Königswinter.

Der VVS ist bekanntlich durch erhebliche Investitionen und Reparaturen gerade nach einem verheerenden Unwetter am 5. Juni 2011 belastet. Das Annatal kann Wanderer wieder erfreuen, nachdem der VVS Reparaturarbeiten an Wegen und Brücken organisierte. Jedoch bleiben der Eselsweg und das wunderschöne Nachtigallental, die den Drachenfels mit Königswinter verbinden, bis heute gesperrt: Lebensgefahr durch Felsabgänge und Erdrutsche.

VVS-Vorsitzender Lindlar habe alle Kräfte rheinischen Gemüts aufbieten müssen, um nach heftiger Debatte seinem Verein eine Zusage für die Sicherung des Siegfriedfelsens von 165 Tsd. € abzuringen. Rechtsgutachten bestätigten, so Lindlar, dass der VVS zu gar keiner Zahlung verpflichtet sei.

Das in der Region angesehene VVS-Mitglied Frau Ursula Voll springt Herrn Lindlar bei: „Herr Leiwig sollte sich besser die Stellungnahme seiner Parteifreundin, der derzeitigen Bürgermeisterin von Bad Honnef, Wally Feiden (SPD) zu eigen machen. Die hat nämlich bei Befragungen sachkundig festgestellt ´Das Land ist in der Pflicht (…), denn es ist verantwortlich für die Flurbereinigung.` Herr Lindlar hat als Vorsitzender des VVS und als Versammlungsleiter sehr umsichtig eine Spaltung des Vereins verhindert … Die Mehrheit der Versammlung hat zu Recht eine hohe Verschuldung von bis zu 450.000 Euro (plus Zins und Zinseszins) aus großer Verantwortung für die übrigen Aufgaben und die Zukunft des Vereins abgelehnt … Denn der VVS hat die Interessen des gesamten Siebengebirges zu vertreten, die Anbaufläche für Wein in Rhöndorf ist nur ein kleines Teilstück davon.“ *3)

Mir sind Äußerungen aus dem VVS über Herrn Leiwig bekannt, die ich besser nicht wiedergebe. Sie zeigten mir zu meiner nicht geringen Heiterkeit, dass der echte Rheinländer – und das ist die Mehrheit im VVS – beinhart werden kann, wenn ihm die Wand gegen den Rücken drückt. Vor allem, wenn es ums Geld geht. Obwohl der rheinische Mensch von Natur joviale Haltung pflegt, „de Wojen chlätten und niemand nidde weh tun will“. *4)

Rheinisches Konfliktverhalten sei dennoch veranschaulicht. Vor Jahren saß ich auf einer Bank des Friedhofs von Unkel und genoss die Sicht auf Rhein und Drachenfels. Unfreiwillig wurde ich Ohrenzeuge eines Gesprächs zwischen zwei etwa 60-jährigen Rheinländern – einer Dame und einem katholisch gewandeten geistlichen Herrn.

Die Dame: „Dad find ich aber nidde so schön, dad Du mir dad so sahren tust.“ Der Geistliche: „Dedwejen sahr ichet Dir ja.“

Loyalitätskonflikt und Lösung.

Diese Schärfe hat auch der Konflikt zwischen dem geborenen Rheinländer Hans Peter Lindlar und dem bestenfalls angelernten Rheinländer Guido Leiwig erreicht. Beide integre, gestandene Persönlichkeiten. Und doch neige ich bei nüchterner Konfliktanalyse eher zum VVS und Herrn Lindlar.

Dafür ist ein Grund ausschlaggebend: Herr Leiwig hält es offenbar für rheinische Verhandlungskunst, Herrn Lindlar vorzuwerfen, „dass es ihm nicht um den Erhalt des Weinbaus … im Siebengebirge geht, sondern in erster Linie um den Erhalt seines Vereins.“ *2)

Einem Vereinsvorsitzenden vorzuhalten, dass es ihm um den Erhalt seines Vereins geht! Das geht gar nicht, da ist bei mir Feierabend, Ende der Fahnenstange der Loyalität. Auch gegenüber der SPD in Bad Honnef, auch gegenüber ihrem ausgezeichneten Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters, Herrn Leiwig.

Cheerleader haben die politischen Parteien genug. Dafür sorgen sie selbst. Schaut flüchtig durch die Druckerzeugnisse ihres Umfeldes. Cheerleading hat nichts mit Loyalität zu tun.

Und die persönliche Lösung des Loyalitätskonflikts zwischen VVS und SPD/Bad Honnef? Die Arbeit des VVS und ihres Vorsitzenden werde ich 2014 mit einer Spende unterstützen. Bei Herrn Leiwig und der SPD werde ich überdenken, ob ich ihn am 25. Mai wohl wählen sollte. Iss ja noch wat hin.

*1) Geschichte und Bedeutung des VVS; http://www.naturpark-siebengebirge.de (Hervorhebung RS).

*2) Lindlar versagt als Interessenvertreter des Siebengebirges, November 8, 2013, HWZ, www.diebadhonnefer.de/tag/spd. (Den Weinbau bei Rhöndorf gefährden 3 Felsen mit teils geborstenen Klippen, RS).

*3) Der VVS hat Recht!, HWZ, November 15, 2013. (Flurbereinigung umfasst Eingriffe in land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz auf gesetzlicher Grundlage, um z.B. die Landwirtschaft, den Umwelt- oder Naturschutz zu fördern. RS).

*4) Mit der Bitte um Nachsicht für fehlerhaftes Rheinisch.