Kongress der USA: Völkerrechtsbrecher?

Keine Frage für die Wirtschaftsministerin Zypries: Schärfere Sanktionen gegen Russland — „Wir halten das schlicht und ergreifend für völkerrechtswidrig“. *1) Helfen wir Bundesministerin Zypries zu erinnern, was „schlicht und ergreifend völkerrechtswidrig“ ist!

Völkerrechtswidrig war und ist die Aggressionspolitik Russlands! Gegen die sich die Sanktionen richten, die mit überwältigender Stimmenmehrheit von beiden Kammern der US-Legislative — Repräsentantenhaus (419 vs 3) und Senat (98 vs 2) — beschlossen wurden. Damit würde wohl ein Veto des auf einen „Deal“ mit Putin erpichten Präsidenten Trump als Lachnummer enden; schon eine Zwei-Drittel-Mehrheit in beiden Kammern könnte das Präsidenten-Veto gegen dieses fast einstimmig beschlossene Gesetz aufheben.

Zwei SPD-Minister, Zypries und Gabriel, protestieren nun lautstark. Nicht etwa gegen Putins Kriegs- und Aggressionspolitik, sondern gegen das überwältigende überparteiliche Votum der Vertreter des amerikanischen Volkes, das sich gegen Putins völkerrechtswidrige Machenschaften wendet. Und gegen einen Trump-Putin-Deal zulasten Osteuropas und Eurasiens! *2)

Ein Votum und Gesetz:

  • Gegen die Annexion der ukrainischen Krim.
  • Gegen die andauernden militärischen Interventionen auf dem Staatsgebiet der Ukraine.
  • Gegen die illegale Besetzung von Süd-Ossetien und Abchasien in Georgien und von Transnistrien.
  • Gegen den von Russland geführten „Informationskrieg“ und die nachrichtendienstliche Einflussnahme in der Europäischen Union, der NATO und den Nachbarländern in Eurasien.
  • Gegen die Kampagnen zur Einmischung in den US-Wahlkampf, für die nach Erkenntnissen amerikanischer Sicherheitsdienste „overwhelming evidence“ *3) vorliege. Weshalb schon unter Präsident Obama Sanktionen gegen Russland eingeführt wurden.

Zypries und Gabriel drohen den USA mit Sanktionen. Sogar etwas voreilig im Namen von Europa: Europa sei „bereit, auch kurzfristig Gegenmaßnahmen zu ergreifen — auch auf anderen Gebieten“ (Zypries). *1)  Bei der SPD nun auch die von Martin Schulz geschmähte „asymmetrische Mobilisierung“? Drohung gegen die USA, keine Kritik an Russland! Und dies, obwohl Russland die vertragswidrige Dreistigkeit besaß, vom deutschen Konzern Siemens gelieferte Gasturbinen auf die besetzte ukrainische Krim zu verlagern.

Haben Gerhard Schröder, Außenminister Gabriel und Präsident Putin bei ihrem St. Petersburger Palast-Dîner Anfang Juni nicht nur die Realisierung des „Nord Stream 2 Gas-Pipeline-Projekts“ bekräftigt? Vielleicht auch — nach vollzogenen Annektionen — Interesse am Übergang zu business as usual ausgedrückt? *4)

Das Projekt „Nord Stream 2″ stößt bekanntlich auf außen- und europapolitische Bedenken, „weil es die Sicherheitsinteressen der Ukraine, des Baltikums und Polens außer Acht lässt. Hier wird nämlich eine Erdgasverbindung zwischen Russland und Deutschland entwickelt und dabei parallel die Erdgasverbindung zwischen Russland und der Ukraine gekappt.“ *5)

Zypries und Gabriel sehen insbesondere „Nord Stream 2“ von neuen USA-Sanktionen bedroht. Zum Vorteil angeblicher US-Exportinteressen von Flüssiggas nach Europa. Dabei seien die USA hier noch gar nicht EU-Marktteilnehmer und „Flüssiggasterminals werden in Europa erst gebaut“, so der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter, MdB. *5)

Sollte die EU ihre Energiepolitik auf ein breiteres Angebot ausrichten, dürfe dies „nicht zulasten der Ukraine oder Osteuropas geschehen. Wir sollten also schauen, wo wir aus Afrika, um bessere Handelsbeziehungen herzustellen, aber auch aus den USA mehr Widerstandsfähigkeit .. erreichen für unsere Energieversorgung. Das Nord-Stream-2-Projekt untergräbt das Ganze und macht Deutschland abhängiger vom russischen Gas, als wir das heute vielleicht ahnen.“ (Kiesewetter) *5). Unsinnige Einwände für die Energiepolitiker Gerhard Schröder (Gazprom und BASF/Wintershall), Gabriel und Zypries?

Wenn Gabriel und Zypries den USA mit handelspolitischer Vergeltung durch die EU drohen, weil US-Sanktionen gegen Russland vielleicht „Nord-Stream-2“ treffen, wird von Deutschland wieder ein Konflikt mit Polen, den Baltischen Ländern sowie der Ukraine ausgehen. Diese SPD-Politik wird wieder zur Spaltung Europas und der EU beitragen; Gerhard Schröder hatte es bereits in seiner Amtszeit vorexerziert.

Der US-Kongress hat den Präsidenten überdies ausdrücklich verpflichtet, dass er bei „Sanktionen gegen die Russische Föderation, die wirksam und entscheidend gegen die russische Aggression in der Ukraine gerichtet waren, Einigkeit mit europäischen und anderen Schlüsselpartnern bewahrt und weiterhin sucht.“ *6)

Die Auftritte von Zypries, Gabriel und ihre Lautstärke wirken für transatlantisch engagierte Bürger schon deshalb befremdlich, gerade weil der Präsident Trump vom US-Kongress verpflichtet wird, in der Sanktionspolitik gegen die russischen Übergriffe mit den europäischen Partnern zu kooperieren. Und eben nicht seine Ankündigungen eines freihändigen bilateralen „Deals“ mit dem „starken Führer Putin“ in die Tat umzusetzen!

Die Drohungen von Zypries und Gabriel gegen die USA — faktisch gegen das Repräsentantenhaus und den Senat des amerikanischen Volkes — wegen des Gesetzes von Sanktionen gegen die Russländische Föderation aus den oben nicht einmal vollständig gelisteten Gründen, erscheinen noch aus einem weiteren Grund fragwürdig.

Zypries und Gabriel scheinen sich einer anpasserischen Politik gegenüber den russischen Großmacht-Aggressionen zu nähern: Hinnahme der russischen Annektions-„Erfolge“, zurück zum Geschäft? Fingerzeig und Vorwürfe an den US-Kongress: Industriepolitik unter dem Vorwand von Sanktionen (Gabriel). Drei Finger weisen zurück: Industriepolitik mit deutschem Ost-Geschäft trotz andauernder russischer Verbrechen gegen das Völkerrecht.

Dies wäre, von führenden Sozialdemokraten vermittelt, der Eindruck einer Annäherung der SPD an die  „business as usual“-Russlandpolitik von: Horst Seehofer, Victor Orbán, Marine le Pen und sogar der AfD.  Und nicht zuletzt entspricht dies dem nunmehr vom US-Kongress zurückgewiesenen „Russland-Deal“-Gehabe Trumps.

Im Vergleich zu solchem Eindruck von Opportunismus gegenüber der fortgesetzt aggressiven „Nachbarschaftspolitik“ Russlands und gegenüber dem verbreiteten Anti-Amerikanismus in Deutschland hat der US-Kongress in seinem Sanktions-Gesetz ein nobles Zeichen gesetzt: Der Kongress hat den völkerrechtlichen Grundsatz des „ex injuria jus non oritur“ beschworen. Aus Unrecht kann kein Recht entstehen!

Mag diese Maxime auch von den USA schon missbraucht worden sein, diesmal ist ein würdiges völkerrechtliches Signal aus Amerika nach Europa gekommen: „The United States, consistent with the principle of ex injuria jus non oritur, … does not recognize territorial changes effected by force, including the illegal invasions and occupations of Abkhazia, South Ossetia, Crimea, Eastern Ukraine, and Transnistria.“ *7)

Aber selbst diese Bekräftigung des völkerrechtlichen Prinzips „Aus Unrecht kann kein Recht entstehen“ lässt Bundesministerin Zypries nicht zweifeln: Schärfere Sanktionen gegen Russland — „Wir halten das schlicht und ergreifend für völkerrechtswidrig“. *1)

Sicher schlicht. Aber nicht ergreifend, Frau Ministerin Zypries!

*1) Deutsche Welle. DEUTSCHLAND. Zypries: US-Sanktionen gegen Russland „völkerrechtswidrig“. 31.07.2017; http://p.dw.com/p/2hPuz.

*2) https://www.congress.gov/bill/115th-congress/house-bill/3364/text#toc-H26CEE3C1402742ACA89E9D7DEF11A5E5.

Insbesondere: TITLE II—SANCTIONS WITH RESPECT TO THE RUSSIAN FEDERATION AND COMBATING TERRORISM AND ILLICIT FINANCING.

Subtitle B—Countering Russian Influence In Europe And Eurasia

SEC. 251. FINDINGS (1) bis (6). SEC. 252. SENSE OF CONGRESS. (1) bis (10).

*3) Putin: Russia promises retaliation as Senate passes sanctions bill.

Putin says US behavior ‚destroys international law‘ as bill is passed for Trump’s signature after going through Congress. Senate votes to place new sanctions on Russia. Shaun Walker in Moscow. Friday 28 July 2017; https://www.theguardian.com/world/2017/jul/27/putin-russia-us-sanctions-bill.

*4) Putin, Gabriel und Schröder. Dinner mit einem alten Bekannten. Die Ukraine, Syrien und andere Krisen waren die Themen: Außenminister Gabriel hat in St. Petersburg ein Vieraugengespräch mit Kremlchef Putin geführt. Beim anschließenden Abendessen trafen sie einen alten Bekannten.

Aus St. Petersburg berichten Severin Weiland und Benjamin Bidder. Samstag, 03.06.2017; http://www.spiegel.de/politik/deutschland/wladimir-putin-dinner-mit-sigmar-gabriel-und-gerhard-schroeder-a-1150591.html.

*5) US-Sanktionen gegen Russland. „Auch die deutsche Wirtschaft muss ihren Beitrag zur Rechtsstaatlichkeit leisten“.

Der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter hat Kritik an den erweiterten US-Sanktionen gegen Russland zurückgewiesen. Ziel der Sanktionen seien nicht vorrangig die Verbesserung von Wirtschaftsbeziehungen, sondern dass sich Russland wieder an Recht und Gesetz halte.

Roderich Kiesewetter im Gespräch Ann-Kathrin Büüsker. 27.07.2017; http://www.deutschlandfunk.de/us-sanktionen-gegen-russland-auch-die-deutsche-wirtschaft.694.de.html?

*6) Siehe *2): SEC. 212. SENSE OF CONGRESS. It is the sense of Congress that the President

(1) should continue to uphold and seek unity with European and other key partners on sanctions implemented against the Russian Federation, which have been effective and instrumental in countering Russian aggression in Ukraine;

(2) should engage to the fullest extent possible with partner governments with regard to closing loopholes, including the allowance of extended prepayment for the delivery of goods and commodities and other loopholes, in multilateral and unilateral restrictive measures against the Russian Federation, with the aim of maximizing alignment of those measures; and

(3) should increase efforts to vigorously enforce compliance with sanctions in place as of the date of the enactment of this Act with respect to the Russian Federation in response to the crisis in eastern Ukraine, cyber intrusions and attacks, and human rights violators in the Russian Federation.

(Hervorhebungen RS).

*7) Siehe *2): SEC. 253. STATEMENT OF POLICY.