Nordkorea-“Vermittler“?

Man mag Trump oder Kim Jong-un für verrückt *1) halten. Den Schutzpatronen Kims, Präsident Putins Russland und Präsident Xi Jinpings China, eine Last von Verbrechen gegen Menschen- und Völkerrecht und auch Komplizenschaft mit Kim zurechnen. Die Frage ist: Sollte sich Deutschland, sollte sich die EU vom Konflikt um Nordkoreas nukleare Drohungen fern halten?

Oder sollte Deutschland sich solidarisch an die Seite der USA und deren ostasiatische Bündnispartner, die atomwaffenfreien Demokratien Südkoreas und Japans stellen, die sich vom Streben Kims nach interkontinental einsatzfähigen Nuklearwaffen bedroht sehen?

Wer die letztgenannte Position einnimmt, kann die Tonlage gerade aus der noch für Außenpolitik zuständigen SPD kaum verstehen.

Da ist der Außenminister Sigmar Gabriel *2): Er vergleicht den Konflikt um Nordkoreas Drohungen mit der Lage vor dem Ersten Weltkrieg, der nicht zuletzt durch den Militarismus des deutschen Kaiserreiches ausgelöst wurde. Ein absurder Vergleich — ausgerechnet vom deutschen Chef-Diplomaten!

Gabriel sieht auch Verantwortlichkeiten für die Konflikteskalation in Ostasien: Aber eher nicht in der Nuklearrüstung Kims, den aktuellen Starts interkontinentaler Raketen als atomare Trägerwaffe, weniger in den wüsten Drohungen Kims — das kenne man ja.

Nein, Gabriel machen die drastischen Warnungen des US-Präsidenten Trump an Kim Jong-un „Angst“. Gewiss hätte Trump aus Gabriels Sicht zu den konkreten nuklearen Drohungen Kims gegen Amerika schweigen sollen.

Bei diesen außenpolitischen Fragwürdigkeiten Gabriels bleibt es nicht: Thomas Oppermann, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, „plädiert für EU als Vermittler“ im Nordkoreakonflikt. *3)

Was haben SPD, Deutschland und die EU denn als „Vermittler“ im von Kim Jong-un geschürten Konflikt zu bieten?

Außer erwiesener Unfähigkeit zu vermitteln — z. B. in den Balkan-Konflikten oder angesichts der russischen Völkerrechts- und Kriegsverbrechen gegen die Ukraine und in Syrien? Ist die von Oppermann vorgeschlagene EU-Vermittlung in Ostasien Großmannssucht? Nach erwiesener Mediations-Unfähigkeit der EU bei Konflikten selbst im eigenen Nachbarschaftsraum?

Auch eine Analyse des angesehenen China-Experten der Deutschen Welle (DW), Matthias von Hein, die uns den Hass Nordkoreas auf die USA durch den Koreakrieg ab 1950 nahe bringt, weckt kein Verständnis für den SPD-Vorschlag einer EU-Vermittlung.

Im Gegenteil: Wurde nicht im Koreakrieg ab 1950 Südkorea durch den auch opfervollen Einsatz der USA vor der kommunistischen Invasion bewahrt? Einer Invasion, angefangen und betrieben von Nordkorea mit Hilfe der sowjetischen UdSSR und der Volksrepublik China. *4)

Kann es bei einem derart aggressiven Konflikt-Akteur wie Kim Jong-un überhaupt um „Vermittlung“ gehen?

Oder geht es hier um Solidarität mit den Demokratien Japans und Südkoreas, die auf die Schutzgarantien der USA vertrauen müssen: gegenüber der Raketen- und Nuklearpolitik Nordkoreas und dessen nicht minder bedrohlichem konventionellen Militärarsenal an der Grenze zu Südkorea.

Und kann bei einem derart aggressiven Konflikt-Akteur wie Kim Jong-un überhaupt eine andere Politik wirken als robuste Abschreckung, Sanktion und Eindämmung?

Selbst die Russländische Föderation und China haben Anfang August 2017 an einem einstimmigen Beschluss des UN-Sicherheitsrates zu Sanktionen gegen Nordkorea *5) mitgewirkt. Nachdem Kim Jong-un im Juli 2017 interkontinentale ballistische Raketenstarts vorgeführt und sich mehrfach seiner Fähigkeit auch zu Nuklearschlägen gegen die USA gerühmt hatte.

Dies war bereits die bisher achte UN-Resolution zu Vereinbarungen für internationale Sicherheit seit 2006, die von Nordkorea immer wieder gebrochen werden.

Rechtfertigt dies nicht die harten Worte der Warnung von Präsident Trump und US-Verteidigungsminister James Mattis an Kim Jong-un und dessen Raketen- und Nuklearpolitik?

Hervorgehoben zum Charakter des Kim Jong-un-Regimes sei hier auch Punkt 17 der UN-Resolution 2371 (2017) vom 5. August 2017. Der UN-Sicherheitsrat:

  • „Regrets the DPRK’s massive diversion of its scarce resources toward its development of nuclear weapons and a number of expensive ballistic missile programs,
  • notes the findings of the United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Assistance that well over half of the people in the DPRK suffer from major insecurities in food and medical care,
  • including a very large number of pregnant and lactating women and under-five children who are at risk of malnutrition and
  • nearly a quarter of its total population suffering from chronic malnutrition,
  • and, in this context, expresses deep concern at the grave hardship to which the people in the DPRK are subjected“. *5)

Der Diktator Kim Jong-un hat sein Land und dessen Menschen nicht nur in dieses von der UN beklagte Elend geführt.

Zu seiner Tyrannei lässt sich ferner feststellen: Laut dem Demokratieindex der Zeitschrift The Economist hat Kim Jong-un sein Land auf den letzten Platz 167 von 167 Ländern geführt. Deutlich hinter die Zentralafrikanische Republik, die Platz 166 einnimmt. Von den maximal 10 Punkten, die Norwegen bei den Kriterien „Wahlprozess und Pluralismus“ sowie „Bürgerrechte“ erreicht, gewährt Kim Jong-un seinem Volk: 0 Punkte! Null, nada, nichts! *6)

Dank der Hilfe und des Schutzes durch die USA hat sich Südkorea als „vollständige Demokratie“ auf Rang 21 des Demokratieindex entwickelt — noch vor Spanien und Frankreich! Und das Land hat sich großen Wohlstand erarbeitet.

Vermittlung durch die EU bei einem Konfliktakteur wie Kim Jong-un? Warnung an die USA durch Gabriel und Oppermann zu maßvollem Dialog mit solchem Diktator? Mit einem Kim Jong-un, der dringend neben seiner Tyrannei zum Machterhalt auch äußere Feinde braucht und deshalb mit Feindbildern hetzt, um sein Volk in Schrecken nieder zu halten?

Bei solchen Äußerungen der SPD-Politiker Gabriel und Oppermann orientiert sich der Bürger besser an Empfehlungen durch amerikanische Sachverständige *7):

  • „Threats posed by the North Korean nuclear and missile programs must be front and center in U.S. national security decisionmaking …
  • The United States should, in coordination with U.S. allies and China, significantly intensify economic, diplomatic, and other forms of pressure on North Korea and its leadership in order to compel Pyongyang to negotiate a near-term, verifiable freeze of its nuclear and missile programs, accompanied by a long-term North Korean commitment to denuclearization.“

Solange Kim Jong-un seinen konfrontativen, militärischen Nuklear-Kurs fortsetzt:

  • Abschreckungskapazität gegen die nukleare Drohung durch Kim bereithalten.
  • Maßnahmen der Isolierung und der Sanktionen gegen Nordkoreas nukleare und die übermäßig aggressive konventionelle Rüstung treffen.
  • Und bei Nachweis von Sanktionsbruch “Sekundär-Sanktionen“ gegen Schutzpaten des nordkoreanischen Regimes einführen — das gelte auch für Russland und China.

Dies sind Empfehlungen von Fachleuten in Amerika zur Behandlung des Kim Jong-un-Regimes, die auch den europäischen Bürger überzeugen können.

Der strategische Ansatz dieser Fachleute ist: Eingrenzung („Containment“) des Nordkorea-Konflikts — durch Abschreckung, Sanktionen und Isolierung bis zur erwiesenen Bereitschaft zu Verhandlungen. Verhandlungen, die auf Abbau der Nuklearwaffen und Kontrolle durch internationale Inspektion zielen.

Ein Regimewechsel wäre den Menschen in Nordkorea zwar zu wünschen. Aber niemand will den von außen erzwingen. Schon gar nicht Südkorea — für die Menschen dort ist verlässlichen Berichten zufolge die Wiedervereinigung mit Nordkorea der reine Albtraum.

Eine Strategie mit dem Ziel des nuklearen Rückbaus in Nordkorea erfordert „komplexe und sorgfältig abgestimmte Verhandlungen mit Nordkorea, den US-Alliierten und China. Und bisher beispiellose Fähigkeiten und Koordinierung im Rahmen der US-Regierung“. *7) Hoffen wir, dass dies von der Trump-Regierung geleistet wird!

In diesem strategischen Verhandlungsprozess wie Oppermann eine “Vermittler“-Aufgabe für die EU zu sehen, erscheint zumindest realitätsfern.

*1) Kim und Trump: Wenn die Kriegsgefahr real wird. KOMMENTAR ALEXANDRA FÖDERL-SCHMID „…weder bei Kim Jong-un noch bei Donald Trump weiß (man), wie weit sie zu gehen bereit sind. Dass Fachleute beide für Psychopathen oder gar für verrückt halten, trägt nicht gerade zur Beruhigung bei.“ – derstandard.at/2000062585467/Kim-und-Trump-Wenn-die-Kriegsgefahr-real-wird.

*2) Nordkorea-Krise. Gabriel warnt vor Atomkrieg und vergleicht Lage mit Erstem Weltkrieg. Mittwoch, 09.08.2017, FOCUS Online/Wochit.

*3) Nordkorea-Konflikt. Oppermann plädiert für EU als Vermittler; 10.08.2017, http://www.faz.net/aktuell/politik/nordkorea-konflikt-oppermann-plaediert-fuer-eu-als-vermittler-15145473.html.

*4) Matthias von Hein. Nordkorea: Die Wurzeln des Hasses. Nordkoreas Bevölkerung wächst seit sechs Jahrzehnten mit Hass auf die USA auf. Die Propaganda funktioniert, weil die Erinnerung an den Korea-Krieg lebendig ist. Mental ist das Land in den 1950er Jahren gefangen. 11.08.2017; http://www.dw.com/de/nordkorea-die-wurzeln-des-hasses/a-40055585.

Von Hein schreibt: „Dieser Krieg — um es klar zu sagen — war vom Norden selbst vom Zaun gebrochen worden. Nordkoreanische Truppen hatten am 25. Juni 1950 den 38. Breitengrad überschritten. Pjöngjang wollte mit dem Waffengang die Wiedervereinigung der seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs geteilten Halbinsel erzwingen. Dennoch: Wenn US-Präsident Donald Trump jetzt mit Feuer, Zorn und ungezügelter Macht droht und dann damit nachlegt, Nordkorea würden „Dinge zustoßen, die sie niemals für möglich gehalten haben“, dann passt das sowohl ins Narrativ Pjöngjangs als auch zur historischen Erfahrung.“

*5) sog.“Democratic People’s Republic of Korea“ („the DPRK“).

Der UN-Sicherheitrat in Resolution 2371 (2017) vom 5. August 2017: „Acting under Chapter VII of the Charter of the United Nations, and taking measures under its Article 41,

1. Condemns in the strongest terms the ballistic missile launches conducted by the DPRK on 3 July and 28 July of 2017, which the DPRK has stated were launches of intercontinental ballistic missiles, and which used ballistic missile technology in violation and flagrant disregard of the Security Council’s resolutions;“.

Zu Zitat Punkt 17: Hervorhebung durch Spiegelpunkte RS.

*6) Demokratieindex; https://de.wikipedia.org/wiki/Demokratieindex.

*7) AVERTING CATASTROPHE: US POLICY OPTIONS FOR NORTH KOREA.

On April 18, 2017, Bruce Jones, director of the Brookings Foreign Policy Program, convened six Brookings experts—John Allen, Richard Bush, Robert Einhorn, Steven Pifer, Jonathan Pollack, and Evans Revere—with decades of diplomatic and military experience focused on North and South Korea, China, Japan, and nuclear and missile proliferation, to provide analysis and policy recommendations for addressing the ongoing threats posed by North Korea. The edited transcript below reflects their assessments of North Korean threats and motivations; potential escalatory scenarios; the interests of regional actors including China, Japan, and South Korea; and U.S. objectives and policy options going forward.

DIRECTOR’S SUMMARY; https://www.brookings.edu/wp-content/uploads/2017/04/fp_201704_north_korea_avoiding_catastrophe.pdf. (Übersetzung RS).