„Kusch …

in der Gosse“, dies Zitat scheint an den Hund beim Gassi-Gehen gerichtet. Es erinnert aber zugleich — bedenkt man im übertragenen Sinn, was hinten herauskommt — an eine besonders üble justizpolitische Episode in der Freien und Hansestadt Hamburg. *1)

Hier wird deshalb daran erinnert, weil vor einigen Wochen der Vorsitzende der Hamburger CDU, Roland Heintze, die jüngste Geschichte der Hansestadt Hamburg etwas zu sehr klitterte:

„Dabei sollte man aber nicht vergessen, dass der Bürgermeister, der in dieser Stadt bislang am längsten am Stück regiert hat, mit Ole von Beust ein CDU-Bürgermeister ist. Es gab also schon einmal eine Zeit, in der wir Hamburg erfolgreich gestaltet und die Dominanz der SPD über viele Jahre durchbrochen haben. Wir werden daran arbeiten, dies zu wiederholen.“ *2)

Mookt man, mutt ja, nutzt ja nichts, Herr Heintze! Aber hier wird Ihnen zugehört, wenn Sie fordern, dass man dabei „nicht vergessen“ sollte. Denn die politisch sehr durchwachsene „Zeit, in der (die CDU) Hamburg erfolgreich gestaltet“ habe, sollten Sie so nicht wiederholen!

Es geht hier nicht um die widerwärtigen Vorgänge, die sich nach der Wahl 2001 im Dreieck Ole von Beust (CDU, Erster Bürgermeister), Ronald Schill (PRO-Partei, Zweiter Bürgermeister und Innensenator), Roger Kusch (CDU, Justizsenator) abspielten und im Boulevard wie einleitend erwähnter Hundedreck breitgetreten wurden. Schill, der berüchtigte „Richter Gnadenlos“, hatte mit den fast 20 % seiner PRO die CDU in Hamburg mit gerade 26 % an die Regierung gebracht.

Es geht hier um eine Justiz- und Strafvollzugspolitik, die von Justizsenator Kusch verantwortet, durch den Strafrechtler und ehemaligen Generalstaatsanwalt von Schleswig-Holstein, Professor Heribert Ostendorf, als „Kulturschande“ qualifiziert wurde. *3)

Kusch „profilierte“ sich mit einer brutalen Politik nicht nur gegen die in Justizvollzugsanstalten (JVA) Einsitzenden, sondern auch gegen viele hochqualifizierte Beamte, die in JVA arbeiten. Die unserer Gesellschaft durch eine besonders verantwortungsvolle und schwierige Aufgabe dienen.

Damit kriminellen Rückfalltaten vorgebeugt, unsere Sicherheit vor schweren Straftaten verbessert wird.

Damit gerade jugendliche Straftäter einsehen und darauf vorbereitet werden, „künftig einen rechtschaffenen und verantwortungsbewussten Lebenswandel zu führen“. *4)

Damit sie resozialisiert, also für ein straffreies Leben in Freiheit befähigt werden. Und durch „soziales Lernen sowie die Ausbildung von Fähigkeiten und Kenntnissen, die einer künftigen beruflichen Integration dienen“, gefördert werden. *4)

Sodass sie — professionell auf den Tag der Entlassung vorbereitet — positiv wirkende Kontakte, Betreuung, Wohnung und Arbeit finden können.

Ein Jahrzehnt liegt nun der dramatische „Hamburger Appell“ zurück: „Herr Justizsenator Kusch, kehren Sie zu einer Strafvollzugspolitik nach Gesetz und Vernunft zurück!“ *5)

Die Feststellungen im Hamburger Appell wurden durch 16 angesehene Fachleute vorgetragen — wie hochrangige Bedienstete im Strafvollzug, Sozialtherapeuten und Kriminologen.

  • „Die Mitarbeiter im Hamburger Strafvollzug sind enttäuscht, verunsichert und wütend. Gewachsene Strukturen werden zerschlagen. Das in Köpfen, Einstellungen und Organisationsformen gewachsene fachliche Kapital wird missachtet, das Engagement der Mitarbeiter zerstört.“
  • „Es ist sachlich unsinnig, den offenen Vollzug so radikal zu reduzieren. Denn fast die Hälfte der inhaftierten Männer verbüßt Freiheitsstrafen von weniger als einem Jahr, rund 70 Prozent sind nicht wegen eines Verbrechens gegen Leib und Leben verurteilt. Aber auch und gerade Gefangene mit längeren Strafen brauchen gegen Ende der Verbüßung die Überleitung in die Freiheit mit Hilfe des offenen Vollzuges.“

So wurde die Anklage der „Kulturschande“ (Prof. Ostendorf) gegen die Politik des Senators Kusch deutlich gemacht. Eine gegenüber anerkannten und praktisch bewährten Zielen des Strafvollzugs destruktive Politik, die Senator Kusch mit Parolen wie „Haft dürfe kein ´Luxusurlaub`, sondern müsse ´spürbar` sein“ u.ä.m. begleitete.

Als Kusch forderte, „das Jugendstrafrecht in Deutschland ganz abzuschaffen, also halbe Kinder wie Erwachsene zu behandeln, brachte er im Februar 2006 Richter, Strafrechtler und Kriminalwissenschaftler gegen sich auf.“ *3)

Prof. Ostendorf hielt Senator Kusch vor: „Mit derartigen auf Primitivreaktionen abzielenden Ideen sichere er sich vielleicht die Sympathie der Einfältigen, entferne sich aber nicht nur von allen kriminologischen Erkenntnissen — die dem Jugendstrafrecht enormen Erfolg attestieren —, sondern auch von Recht und Grundgesetz.“ *3)

Das Bundesverfassungsgericht stellte kurz darauf klar *4):

  • „Jugendliche befinden sich biologisch, psychisch und sozial in einem Stadium des Übergangs, das typischerweise mit Spannungen, Unsicherheiten und Anpassungsschwierigkeiten, häufig auch in der Aneignung von Verhaltensnormen, verbunden ist.“
  • „Die Fehlentwicklung, die sich in gravierenden Straftaten eines Jugendlichen äußert, steht in besonders dichtem und oft auch besonders offensichtlichem Zusammenhang mit einem Umfeld und Umständen, die ihn geprägt haben.“

Und das Bundesverfassungsgericht folgerte:

„Für den Jugendstrafvollzug hat das Ziel der Befähigung zu einem straffreien Leben in Freiheit besonders hohes Gewicht. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Verpflichtung des Staates, negative Auswirkungen des Strafübels auf die Lebenstüchtigkeit des Gefangenen weitestmöglich zu mindern, hier besonders ausgeprägt ist.“

Ein vernichtendes Urteil für den „Aufräumer Kusch“. Der „war 2001 von seinem alten Freund, dem Ersten Bürgermeister Ole von Beust, nach Hamburg geholt worden. Er war die Antwort der CDU auf den reaktionären Innensenator Ronald Schill“ *3) — wohl um dem Boulevard zu beweisen, dass die Hamburger CDU auch „gnadenlos“ sein kann.

Dies alles sollten Bürger der Hamburger CDU, die sich heute durch ihren Landesvorsitzenden Heintze ihrer langen Regierungszeit unter Ole von Beust rühmt, nun wirklich „nicht vergessen“ (Heintze). *2)

Das letzte Wort sollen verurteilte Straftäter haben — mit dem höflichen Vorbehalt, dass es hier im einleitend erwähnten übertragenen Sinn zu verstehen sei: „Kusch und Schill sind in der Gosse gelandet“. *1)

*1) Die Redaktionsgemeinschaft „der lichtblick“, die Gesamtinsassenvertretung der JVA Tegel, die Gesamtverwahrtenvertretung. Gefangenenzeitung der lichtblick, Seidelstraße 39 D-13507 Berlin; Ausgangspunkt. Offener Brief an Justizsenator Heilmann der Gesamtinsassenvertretung der JVA Tegel, der Gesamtverwahrtenvertretung und der Redaktionsgemeinschaft „der lichtblick“. Internet: www.lichtblick-zeitung.de. Datum: 05.12.2012.

*2) Welt am Sonntag, 17. Mai 2015, Seite Hamburg 1, „Olympia allein reicht nicht“. Die neue Hamburger CDU-Spitze: Landeschef Roland Heintze und Fraktionschef André Trepoll. Interview von Jana Werner.

*3) Roger Kusch war viereinhalb Jahre lang Justizsenator in Hamburg. VON RÜCKERT. 31. Dezember 1899; http://www.zeit.de/2006/14/Kusch.

*4) Bundesverfassungsgericht, Urteil des Zweiten Senats vom 31. Mai 2006. Zum Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für den Jugendstrafvollzug. (ECLI:DE:BVerfG:2006:rs20060531.2bvr167304).

*5) STADTGESPRÄCH HINZ&KUNZT 145/APRIL 2005.