Libyens unsichere Zukunft – entfesselter „Lynchmob“.

Wo zeigte sich Führung durch den „Nationalen Übergangsrat“ in Libyen? Wo waren die operettenhaft uniformierten „Generäle der Libyschen Nationalen Befreiungsarmee“ im Kampf gegen den Tyrannen Gaddafi?

Befürchteten sie alle, dass eine lebend an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag überstellte Führung des Gaddafi-Regimes zu viel über die neue „Elite“ Libyens wusste und der Weltöffentlichkeit enthüllen könnte? Bekam deshalb das bewaffnete Gesindel freie Fahrt?

Die Bilder des Mord- und Plündermobs treffen auf merkwürdig abgewogene Zeitungsaufmacher in Deutschland.

Die Süddeutsche: „Mit Gewalt zum Erfolg. Der Diktator ist tot, es lebe das Volk.“ Die Frankfurter Rundschau: „Gaddafi wurde aus nächster Nähe erschossen – Offizielle Version lässt Fragen offen.“ Die FAZ: „Todesumstände weiterhin unklar.“ Die taz: „Neue Freiheit in Libyen – ´Gaddafi wollte uns alle auslöschen`.“

Einzig Christian Stöcker im SPIEGEL benennt, was in abstoßender Deutlichkeit zu sehen war: „Weltöffentlicher Lynchmob“.

Italien, auf dessen politische Kultur hierzulande ja gern mit erheblich eingeschränktem Blickwinkel herabgesehen wird, gibt ein weiteres Beispiel politischen Anstandes. Das Zitat aus einem Artikel Pierluigi Battistas bedarf keines Kommentars.

„Lynch-Justiz ist .. die falsche Grundlage für einen jungen Staat, urteilt die liberal-konservative Tageszeitung Corriere della Sera: ´Die verunstaltete Leiche Gaddafis ist der schlimmste Auftakt für das neue, befreite Libyen. Keine Kriegsaktion, kein Militärblitz wie die Tötung von Osama Bin Laden, sondern eine Schändung bestimmen den Neubeginn. Ein Akt der Vergeltung, der vom Wutschrei der aufgebrachten Menge begleitet wird. Sie wohnte jedoch nicht der tragischen Hinrichtung eines Tyrannen bei, sondern der Besudelung eines Symbols, das verhöhnt und vernichtet werden soll. … Doch keine Tortur, die die Folterknechte Gaddafis dem libyschen Volk auferlegt haben, kann die Brutalität rechtfertigen, mit der gestern eine grausame und unmenschliche Tyrannei zu Ende ging.`“ (eurotopics – Europäische Presseschau 21.10. 2011).