Lithium-Valley. 

Zum wohlhabenden “Lithium-Valley“ könnte das malerische Jadar-Tal im Westen Serbiens werden, wenn das “Lithium-Bergbauprojekt“ umgesetzt wird, das die Europäische Union (EU) und Serbiens Präsident Aleksandar Vučić vereinbart haben. 

1. Das europäische “Lithium-Bergbauprojekt“ im Jadartal Serbiens.

Grundlage des “Lithium-Bergbauprojektes“ ist das “Abkommen über die strategische Partnerschaft zu nachhaltigen Rohstoffen, Batterie-Wertschöpfungsketten und Elektrofahrzeugen“. Dieses Abkommen wurde  am 19. Juli 2024 in Belgrad anlässlich des „Critical Raw Materials Summit“ zwischen der EU und Serbien als “memorandum of understanding“ unterzeichnet. 

Bundeskanzler Scholz nahm an diesem Gipfeltreffen zu “kritischen Rohstoffen“ teil, da durch das Abkommen die europäischen Klimaziele, die Modernisierung der Industrie und die künftig notwendige Rohstoffversorgung erreicht werden sollen. Das britisch-australische Bergbauunternehmen Rio Tinto, das den Lithium-Abbau in Serbien betreiben werde, habe geschätzt, die Lithium-Vorkommen in der Jadartal-Region ermöglichten den jährlichen Abbau von 58 Tausend Tonnen Lithium, was ausreiche, um jährlich 1.1 Millionen Elektro-Fahrzeuge zu produzieren. *1) 

2. Proteste in Serbien.

Bevor die Chancen dieses “Zukunftsprojektes“ erörtert werden, sei zunächst auf den massiven Widerstand in Serbien hingewiesen.

  • Seit Wochen komme es im Konflikt über das Lithium-Bergbauprojekt zu Protesten, an denen sich „bis zu 120 000 Menschen allein in Belgrad“ beteiligt hätten. Die serbische Bevölkerung beobachte mit Argwohn, „wie hochrangige deutsche und EU-Politiker ein für die Umwelt potenziell katastrophales Projekt unterstützen und gleichzeitig die Augen vor den Demokratie- und Rechtsstaatsproblemen im Land zu verschließen scheinen.“ *2) 
  • Aktuell wird sogar vor einer “Staatskrise“ Serbiens gewarnt. *3) 
  • „Die Erfahrungen aus Chile und anderen Weltregionen zeigen, dass nach dem Abbau von Lithium nur noch verwüstete Landschaften übrigbleiben. Die serbische Bevölkerung wehrt sich dagegen. Fallen Deutschland und Europa ihr in den Rücken?“ *4) 
  • Das offensichtliche Interesse Deutschlands an der E-Mobilität und damit am Lithium-Bergbau in Serbien habe die Opposition in Serbien nur weiter angestachelt; Gräueltaten Nazi-Deutschlands in der Bergbau-Region des Jadartales werden erinnert. *5)   

3. Bewertung des Lithium-Bergbauprojektes: Vučić, Šefčovič, Scholz. 

In diesem Konflikt sind die Bewertungen des “Zukunftsprojektes“ durch seine drei politischen Protagonisten — Bundeskanzler Scholz, Maroš Šefčovič, Vizepräsident der Europäischen Kommission, und Serbiens Präsident Aleksandar Vučić — von zentraler Bedeutung. *6)

Serbiens Präsident Aleksandar Vučić: Für Serbien werde das “Lithium-Bergbauprojekt“ zu einem “Quantensprung in die Zukunft“. *6)

  • Dies folge aus den Zusagen und Vereinbarungen mit den Projektpartnern der EU und Deutschlands. Die Vorstandsvorsitzenden von Mercedes und Stellantis, von Finanzinstitutionen wie der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) und der Cassa Depositi e Prestiti (CDP) Italiens hätten ihr Interesse an den hohen serbischen Lithiumvorkommen und ihrem Einsatz in der Produktion von Batterien bekundet. 
  • Das im Bergbau geförderte Lithium würde nicht exportiert, sondern in einer “Wertschöpfungskette“ — Lithium-Abbau, Kathodenproduktion für Lithium-Ionen-Batterien, E-Auto-Komponenten — in Serbien weiter verwendet. 
  • Werde diese “Wertschöpfungskette“ in vollem Umfang realisiert, könne das  Bruttoinlandsprodukt Serbiens im Vergleich zum Jahr 2023 um bis zu 16.4 Prozent steigen. 
  • „Das ist ein anderes Land, … es ist nicht das Serbien, das wir kennen. Es sind riesige Veränderungen, es ist ein riesiges Wachstum“. Gerade die bisher arme Region um das Jadartal könnte durch Abbau und Weiterverarbeitung der Lithiumvorkommen an Wohlstand gewinnen. Ausstrahlungseffekte für ganz Serbien seien zu erwarten.

Maroš Šefčovič, Vizepräsident der Europäischen Kommission: Für den slowakischen Politiker werde das Abkommen zwischen der EU und Serbien über das Lithium-Bergbauprojekt „die Türen für die größten ausländischen Direktinvestitionen in der Geschichte Serbiens öffnen. Deswegen ist es ein historischer Tag für Serbien, aber auch für Europa.“ *6)

  • Bereits derzeit sei “die EU der wichtigste Investor und Handelspartner Serbiens“. 
  • Der Klimaschutz und der “grüne Wandel“ erforderten kritische Rohstoffe wie Lithium, Nickel, Kobalt. Dies werde mehr Zusammenarbeit zwischen serbischen Unternehmen und der europäischen Industrie ermöglichen.
  • Schon die bei dem gegenwärtigen Treffen geführten Geschäftsgespräche gerade durch “Vertreter der Europäischen Batterieallianz und der Europäischen Rohstoffallianz“ ließen Ansiedlungen und hochwertige Arbeitsplätze in Serbien erwarten, das Mitglied dieser Allianzen ist. 
  • Die EU werde diese Kooperation von “über 800 Unternehmen“ zum Austausch des Fachwissens mit Serbien fördern, “etwa durch die Batterieakademie, die für die EU arbeitet.“ 

Bundeskanzler Scholz: Für ihn und die Ampel-Regierung ist das Lithium-Bergbauprojekt in Serbien „ein wichtiges europäisches Projekt, das man gar nicht hoch genug einschätzen kann, und auch ein Beitrag dazu, dass Europa in einer Welt, die sich ändert, souverän bleiben kann und nicht von anderen abhängig ist.“ *6)

  • Denn neben der Europäischen Kommission, “die soeben eine wichtige Übereinkunft“ mit Serbien unterzeichnet hat, seien auch Unternehmen und Finanzinstitutionen im Lithium-Bergbauprojekt in Serbien involviert. 
  • Mit dem Abbau von Lithium in Serbien erhöhe Europa wie auch Deutschland die Widerstandskraft (Resilienz) gegenüber der bisherigen Abhängigkeit von außereuropäischen Rohstoffen und Lieferketten (vor allem von China!) und fördere zugleich die Modernisierung der europäischen Industrie.
  • Das Erreichen der Klimaziele durch CO2-freie Elektromobilität könne nur durch sicheren Bezug von Lithium gelingen, das für die Batterien gebraucht werde.
  • Scholz betont, “das Jadarprojekt (sei) zunächst einmal gut für Serbien“: Der “Bergbau werde mit den höchsten heute möglichen Standards stattfinden, was Umweltschutz und Biodiversität betrifft.“ Arbeitsplätze, Wohlstand und Wertschöpfung in Serbien würden geschaffen — “nicht nur unmittelbar für den Bergbau, sondern auch für Teile der Wertschöpfungsketten, die sich daran anschließen.“
  • Mit diesem Ziel habe sich Scholz “als deutscher Bundeskanzler, bei den G7-Staaten, bei den G20-Staaten, in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit, im Rahmen der Welthandelsorganisation, in der Europäischen Union dafür eingesetzt, … dass auf den Bergbau die erste Verarbeitungsstufe, aber auch weitere Produktionsprozesse folgen müssen. Nicht immer alles, aber doch ein erheblicher Teil, der unmittelbar darauf folgt, kann und soll in den Ländern selbst stattfinden.“ 
  • So könne in den europäischen Ländern mit Bergbau für kritische Rohstoffe der Wohlstand erhöht, und zugleich die europäische Abhängigkeit von außereuropäischen Rohstoffquellen und Lieferketten vermindert werden.
  • Abschließend versicherte der deutsche Bundeskanzler: „Es ist mein Ehrgeiz, dabei mitzuhelfen und dafür zu sorgen, dass die Staaten des westlichen Balkans, nachdem ihnen das schon vor so langer Zeit, vor 20 Jahren, in Thessaloniki versprochen wurde, in naher Zukunft eine Perspektive auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union haben.“ Die Anforderungen der EU müssen erfüllt werden, aber “wir wollen gern dabei helfen, dass das gelingt.“ 

4. Erfolgshoffnung für das Lithium-Bergbauprojekt im serbischen Jadartal. 

Wird das Lithium-Bergbauprojekt im serbischen Jadartal zum Erfolg geführt werden? 

Dieser Erfolg würde mittelfristig erkennbar an den realisierten Standards für die Umwelt, für die Biodiversität und für die soziale Lage der Menschen, die von der EU und der Bundesregierung mit den beteiligten Unternehmen angestrebt werden. 

Begründeten Ängsten vor verwüsteter Umwelt und mit Schwermetallen belastetem Grund- und Trinkwasser, die nicht nur in der serbischen Bevölkerung verbreitet sind, sondern die auch von namhaften Umweltschützern vorgebracht werden, muss überzeugend begegnet werden. Die EU und die deutsche Bundesregierung sollten daher von dem Bergbauunternehmen Rio Tinto, das den Lithium-Abbau in Serbien betreiben werde, Zertifizierungen für europäische Umwelt- und Sozialstandards einfordern. *7) 

Außerdem wird die Verlässlichkeit der Regierung des serbischen Präsidenten Vučić bezweifelt: Das Land sei zwar EU-Beitrittskandidat, werde jedoch gegenüber Öffentlichkeit, Presse und Justiz autoritär geführt. Zudem beteilige sich die Vučić-Regierung nicht an den EU-Russland-Sanktionen und habe ein Freihandels-Abkommen mit China geschlossen, das über weltweite Marktanteile von 40 bis 60 Prozent bei E-Autos und kritischen Rohstoffen für die E-Mobilität verfüge. *8) 

Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Wirtschaft, Franziska Brantner (Grüne), begründet die Zusammenarbeit mit Serbien mit der für die EU-Klimaziele erforderlichen Verfügbarkeit von Rohstoffen: *4)

  • Im Fall des für die Produktion von Batterien notwendigen Lithiums sei die Abhängigkeit der EU von China derzeit unvertretbar hoch: Lithium werde „hauptsächlich in Chile und Australien abgebaut und komplett in China weiterverarbeitet.“ 
  • Derart große Abhängigkeit habe sich nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine als gefährlich erwiesen. Das Lithium-Bergbauprojekt in Serbien sei Teil einer Strategie der Bundesregierung, solche risikoreiche Abhängigkeit zu verringern.    
  • Die EU werde das Lithium-Bergbauprojekt in Serbien mit neuen Prüfungen der Umweltverträglichkeit und Beratung begleiten. Die Umweltstandards umfassen Schutz von Wasser und Böden; Bergbau-Reststoffe sollen wiederverwendet werden. Zudem müsse die serbische Bevölkerung an der Wertschöpfungskette von Batterieproduktion und E-Mobiltät beteiligt werden. 
  • Die entscheidende Frage für den serbischen Staat und seine Bevölkerung sei: „Wird das Projekt von Rio Tinto mit europäischen Partnern umgesetzt, oder machen es die Chinesen?“ Brantner bezweifelt, dass eine chinesisch-serbische Partnerschaft für “Demokratie, Umwelt und die lokale Bevölkerung in Serbien“ vorteilhafter sei. 

5. Fazit: Politische Haftung für den Erfolg des Lithium-Bergbauprojektes in Serbien

Staatssekretärin Brantner sieht in dem Lithium-Bergbauprojekt in Serbien „eine Chance, der Welt zu zeigen“, dass deutsche und europäische Unternehmen die neuen Rohstoffe für die Verkehrs- und Energiewende klima-, umweltfreundlich und sozial durch Bergbau fördern und weiterverarbeiten können. *4)

Somit werden die Europäische Union und Deutschland politisch vor den Augen der Welt dafür haften, dass im serbischen Jadartal die Umwelt nicht verwüstet wird. 

Nicht die staatlich-administrativ zuständige und verantwortliche serbische Regierung, sondern die EU und Deutschland werden als politische Garanten dafür in Anspruch genommen werden, dass durch Schutz der Umwelt und der Biodiversität in der Jadartal-Region ein prosperierendes europäisches “Lithium-Valley“ entsteht.

*1) Despite protests, Serbia readies to mine lithium as early as 2028. 19. Juli 2024. Euractiv.com with AFP; https://www.euractiv.com/section/enlargement/news/despite-protests-serbia-readies-to-mine-lithium-as-early-as-2028/

*2) Lithium-Bergbau: EU enttäuscht Serbiens Bevölkerung. Nikola Burazer.  15.08.2024; https://www.ipg-journal.de/regionen/europa/artikel/mine-des-anstosses-7709/

*3) Deutschlands großer Lithium-Hunger löst jetzt in Serbien eine Staatskrise aus. 12.08.2024; https://www.focus.de/earth/analyse/proteste-in-belgrad-deutschlands-grosser-lithium-hunger-loest-jetzt-in-serbien-eine-staatskrise-aus_id_260216246.html

*4) Staatssekretärin über Lithium : „Es gibt keinen Rabatt“. 12.08.2024; https://taz.de/Staatssekretaerin-ueber-Lithium/!6026645/

*5) ‘Bad Blood’ Stalks a Lithium Mine in Serbia. By Andrew Higgins. Aug. 18, 2024; https://www.nytimes.com/2024/08/18/world/europe/serbia-lithium-mine.html

*6) Pressekonferenz des Kanzlers in Serbien. Lithium-Abkommen: Wohlstand und Frieden im Westbalkan stärken. Mitschrift Pressekonferenz. Freitag, 19. Juli 2024; https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/pk-in-serbien-2299998

*7) Claudia Kemfert. Deutschlands schwieriger Serbien-Deal ist nicht die Lösung.  23.07.2024; https://www.focus.de/earth/experten/oekonomin-claudia-kemfert-deutschlands-schwieriger-serbien-deal-ist-nicht-die-loesung-unseres-problems_id_260153612.html.

*8) Europäische Industriepolitik: Die deutsche Wirtschaft lässt sich nur europäisch retten. Ein Gastbeitrag von Jonathan Barth und Sophie Pornschlegel. 23. Mai 2024; https://www.zeit.de/wirtschaft/2024-05/europaeische-industriepolitik-deutsche-wirtschaftspolitik-ampel-koalition/