Machtallüren der Kirchen.

Dieser Bürger-„Journalist“ hat Hochachtung vor Glauben, Religion, theologischer Wissenschaft und vor der Bindung der Menschen an ihre Kirchen.

Aber die politischen Anmaßungen führender Kirchenpolitiker sollten aus Gründen politischer wie religiöser Hygiene zurückgewiesen werden.

In den 1970er Jahren haben wir über Kanzelworte zu Wahlen nur noch gelacht; schließlich blieben sie im dunkel Mahnenden. Wer hätte sich damals träumen lassen, dass jenes gar nichts war im Vergleich zu dem, was sich die Vorsitzenden der Kirchen heute herausnehmen.

Nicht genug damit, dass sie für die Erhöhung von Einkommen- und Kapitalertragsteuer eintreten, die ihnen über die Kirchensteuer ihrer Mitglieder und mit der durchaus großzügigen Verwaltungshilfe des Staates die Kassen füllt. Das Ärgerliche ist, dass solche Forderungen der Institutionen des Glaubens auch diejenigen Steuerpflichtigen treffen, die nicht an eine Kirche gebunden sind.

Zur Heuchelei des EKD-Ratsvorsitzenden, Präses Schneider,*1) bleibt nur stilles Staunen. Dieser Stifter von Ehe und Familie, von der Taufe bis zur Trauung, meint: „Wir sollten ruhig darüber diskutieren, ob man das Ehegattensplitting aufgibt.“

Dann beißt natürlich der progressive Einkommensteuertarif richtig einträglich für die Kirchen zu. Und scheinbar milde fügt er hinzu: „Bei niedrigeren Gehältern ist das Splitting ein sozialer Ausgleich, den ich befürworte.“ Das kostet ihn nämlich gar nichts, denn bei diesen niedrigen Einkommen ist eh` keine Steuer und damit auch keine Kirchensteuer zu holen.

Obendrein mischt sich Präses Schneider in die Kontroverse um das Betreuungsgeld ein: „Das Betreuungsgeld ist ein Fehler.“ Sicher, denn das könnte ja zum Verlust von Kunden für kirchliche Krippen und Kitas führen, die der Steuerzahler kräftig subventioniert. Und wenn beide Eltern arbeiten gehen, statt dass Vater oder Mutter sich dem Kleinkind unter drei Jahren widmet, gibt´s am Ende noch mehr Kirchensteuer. Schlimmer noch: Kirchliche Parteinahme in einem so wertgeladenen Konflikt ist als Ideologie zu werten.

Der katholische Erzbischof Zollitsch verfügt dagegen über eine Persönlichkeit, die sich mit Heuchelei gar nicht erst aufhält. Er fordert schlicht, direkt und unverschämt mehr Katholiken in der Regierung, vor allem im Bundeskabinett. Gegen den Anspruch der Bürger, dass öffentliche Ämter nach Kompetenz statt nach Konfession besetzt werden.*1)

Bürger, die solch dreiste Vermengung von Religion, Geschäft und Macht abstößt, müssen Orientierung für politische Kultur und Anstand woanders suchen, jedenfalls nicht bei den obersten Kirchenpolitikern!

Wer in der Kontroverse um das Betreuungsgeld eine Position politischer Kultur sucht, der mag sich von einer Äußerung des ehemaligen Verfassungsrichters Udo di Fabio zu diesem Thema leiten lassen:

„Familienpolitik ist manchmal auch ein ideologisch vermintes Gelände. Das ist bedauerlich. Wir haben das Problem, dass Familien sehr belastet sind in einer Gesellschaft, die auf Mobilität und Wohlstand fixiert ist. Da haben es gerade junge Familien mit mehreren Kindern schwer. Der Ausbau der Kinderbetreuung ist richtig und war überfällig. Man kann Familien aber auch direkt mit Leistungen helfen. Was man wählt, ist eine Frage der politischen Pragmatik und der Generationengerechtigkeit. Für ideologischen Kampf taugt das Thema nicht.“*2)

Und ganz grundsätzlich hilft, sich an eine Mahnung zu erinnern, die Hans-Ulrich Klose, MdB, in einem Fall politischer Einmischung (Afghanistan-Einsatz) an Frau Käßmann richtete: „Frau Käßmann und die Kirche sollten das Wort Gottes verkünden … Ich bin schon in einer Partei, ich brauche keine zweite.“*3)

Dieses „Wort zum Sonntag“ soll mit einem Appell schließen: Kirchen und andere Organisationen in den Programmbeiräten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks könnten die politische Kultur in unserem Land stärken. Indem sie einen Beitrag zu Machtverzicht und demokratischer Transparenz leisten. Indem sie zulassen, dass zunächst einmal die Hälfte der Beiratsposten demokratisch gewählt werden. Über eine Liste mit Angaben zur Person nach Maßstäben wie im Deutschen Bundestag. Gewählt von den Gebührenzahlern!

*1) DTS-Meldung vom 16.02.2013

*2) tagesspiegel.de, 06.01.2012, Interview.

*3) Bild, 14.01.2010