McAllister statt McRykov

… ist eine hilfreiche Alternative, um Lehren aus der Debatte um das Referendum in Schottland zu ziehen. **)

Zwei Vorgänge motivieren zu dieser Gegenüberstellung.

Erstens: Der unsägliche Informationskrieg des Putin-Regimes. Russische Beobachter des Referendums behaupteten, das Wahlverfahren habe grundlegende internationale Normen verletzt. Und die hohe Wahlbeteiligung (85 %) zeige „nordkoreanischen Verhältnisse“. *1) Dies ist nun allerdings sehr durchsichtig.

Zumal Putin, der Kreml und seine Anhänger offen auf das „JA“ setzten, also den Austritt Schottlands aus dem Vereinigten Königreich. Um das Krim-„Referendum“ nach dem Landraub der Halbinsel als demokratische Entsprechung des Referendums in Schottland zu feiern.

Und damit sind wir bei dem Medienunternehmer und prominenten Politiker der Putinpartei, Konstantin Rykov. Der trat als pseudo-schottischer McRykov auf. Um die „JA“-Kampagne für die Unabhängigkeit Schottlands des schottischen Premiers Alex Salmond, der Putin gewogen ist, auf seine Art zu unterstützen. *1).

Zweitens: DIE ZEIT ist bekannt und oft geschätzt für ihr Bestreben, den Leser zu orientieren. Die folgenden „Lehren“ erteilt sie uns: Der konservative britische Premier David Cameron ist ebenso wie der Oppositionsführer von der „korrupten“ Labour-Party, Ed Miliband, „ein außerordentlich schwacher“ Zeitgenosse. „Weder Cameron noch Miliband haben Populisten wie Alex Salmond etwas entgegenzusetzen. Der schottische Ministerpräsident führte die beiden englischen Elite-Politiker über Monate wie Tanzbären am Nasenring herum.“ *2)

Diese Auffassung, wie Leser von der ZEIT belehrt und orientiert werden, ist hier gar nicht zu kritisieren. Die Dame schätzt eben starke Herren. Das ist ihr gutes Recht. Was den anglophilen Leser dann doch andere Fachleute konsultieren lässt, ist ihr deutscher Rat an Großbritannien. Nämlich das nachzuholen, „was überfällig ist: ein moderner Staat zu werden mit einer schriftlichen Verfassung.“ *2) Solcher Rat ausgerechnet aus Deutschland zur Demokratie in Großbritannien zeigt wohl erstaunliche Geschichtsvergessenheit.

So also kann man vom Kreml-„Schotten“ Konstantin McRykov über die sehr strenge Lehrerin DIE ZEIT zum „Halbschotten“ David McAllister kommen, um das schottische Referendum besser zu verstehen. Zumal Herr McAllister im Schottenrock *3) geheiratet habe, was immer ein sympathisches Symbol für eine Eheschließung ist.

Dem CDU-Abgeordneten des Europäischen Parlamentes, David McAllister, sind erhellende Informationen zu verdanken: *3)

Wie „Schottland sein Verhältnis zum Vereinigten Königreich definiert, ist ein Thema, was die Menschen seit langem beschäftigt … Dieses Referendum ist das Ergebnis von langjährigen Verhandlungen zwischen der britischen Regierung in London und der schottischen Regionalregierung gewesen. Und man hat sich am Ende auf diese eine Frage („Sind Sie der Ansicht, dass Schottland ein unabhängiges Land sein soll?“, RS) verständigt und auf das Prozedere. Und wahlberechtigt, entscheidungsberechtigt sind die Menschen, die in Schottland leben und arbeiten“. *3)

Also ein demokratisch „lupenreiner“ Prozess hat in Schottland stattgefunden, Mister McRykov! Frei nach Shakespeares Hamlet: Nichts ist faul im Staate Großbritannien!

Die Befürworter der Unabhängigkeit Schottlands („JA“-Lager) seien – so McAllister – die Schottische Nationalistische Partei (SNP) des schottischen Premiers Alex Salmond, die Grünen und kleinere linksgerichtete Parteien. Das „Nein“-Lager, d.h. die Pro-Union-Kampagne für den Erhalt des UK, umfasse die Konservativen, die Labour Party und die Liberalen, den Koalitionspartner des Premiers Cameron.

Abschließend rät David McAllister uns Deutschen: Die Stimmung in Schottland sei sehr „aufgeheizt“. Gerade nach dem Referendum vom 18.09.2014 wären „wieder Brücken zwischen den unterschiedlichen Lagern zu bauen“. Deshalb sollten die europäischen Bürger „außerhalb des Vereinigten Königreichs sich jetzt mit öffentlichen Kommentaren zurückhalten.“ *3). McAllisters Wort ins Ohr der ZEIT!

Für Information und Rat danken wir dem CDU-Abgeordneten des Europäischen Parlamentes, David McAllister. So vorab informiert fällt der Blick auf die britische Debatte schon leichter, um nähere Aufschlüsse zu gewinnen. Die führen doch ein ganzes Stück weiter als die „fünf Lehren“ der ZEIT.

So hält der schottische Historiker Niall Ferguson – wohl eher konservativ und etwas rabiat, dafür aber an den amerikanischen Universitäten Harvard und Stanford lehrend, „die Debatte über die Unabhängigkeit Schottlands (für) abgeschlossen … Die Befürworter einer Abspaltung haben schlicht eins übergebraten bekommen … Der britische Premier David Cameron habe triumphiert … Er habe die ´Eiterbeule des schottischen Separatismus aufgestochen`“. *4)

Ein der britischen Labour Party nahestehender Journalist und Autor, Martin Kettle, informiert über sozio-politische Faktoren, die das Ergebnis des Referendums erklären: *5).

Das „Nein“ gegen die Abspaltung Schottlands sei den Frauen zu verdanken, während viele Männer für den Austritt aus dem Vereinigten Königreich offen geworben und votiert hätten. Wohlhabendere Schotten hätten für den Verbleib in, ärmere Schotten tendenziell für den Austritt aus dem UK gestimmt.

Dies sei besonders in den schottischen Wahlkreisen der Labour Party auffallend gewesen: „Poorer Scotland, Labour Scotland, slipped towards yes … to the independence camp“. Der ehemalige britische Premier Gordon Brown, Schotte durch und durch, habe verhindert, dass dies zum „Erdrutsch“-Sieg der Befürworter des Austritts führte. *6)

Gordon Brown appellierte nicht an Furcht vor dem Unbekannten. Vielmehr warnte er vor Risiken des Austritts aus dem UK, die genau bekannt seien. Als „reale Risiken“ benannte Brown in seinen Reden: *7)

1. Die Unsicherheit, welche Währung ein unabhängiges Schottland einführen würde.
2. Bankrott Schottlands, wenn Alex Salmond und die SNP ihre Drohung wahrmachten, den schottischen Anteil an Großbritanniens Schulden nicht zu übernehmen. Dies würde dann eintreten können, wenn das Rest-Britannien sich einer Währungsunion mit Schottland verweigerte.
3. Die Notwendigkeit für Schottland, eine Währungsreserve von etwa 30 Mrd. britischen Pfund aufzubauen, sollte Schottland das britische Pfund als Währung außerhalb einer gesetzlich vereinbarten Währungsunion mit dem UK behalten wollen.
4. Steigende Güterpreise, Zinsen und Kreditkosten für Schottland.
5. Gefährdung von 1 Mio. Arbeitsplätzen, die von der Mitgliedschaft Schottlands im UK abhängen.
6. Schließlich sagt Gordon Brown einen massiven Verlust an Einnahmen eines schottischen Separat-Staates voraus. Dies werde die Finanzierung des Nationalen Gesundheitsdienstes in Schottland gefährden. Einzig und allein durch die Abspaltungspolitik der SNP.

Gordon Brown konfrontiert seine schottische Heimat mit der Frage: Welche Botschaft sendet Schottland der Welt, wenn es verkündet, wir werfen unsere Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich weg, ebenso die Zusammenarbeit, das Teilen, die Idee der Solidarität. „Dies ist nicht das Schottland, das ich kenne.“ *7)

Gordon Brown appelliert an seine Landsleute: Unsere Vision von der Zukunft Schottlands ist nicht der separate Staat, sondern eine Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, der die Menschen vertrauen können. Deshalb „wähle ich für meine Kinder, für die kommenden Generationen und die Zukunft unseres Landes“. *7)

Der Autor Steve Richards berichtet über das Urteil von Wahlexperten, die allein Gordon Brown die Fähigkeit bescheinigten, im Rahmen der Pro-Union-Kampagne Botschaften vermittelt zu haben, die „noch unentschiedene“ Wähler überzeugen konnten. *6)

Gordon Brown hat über viele Jahre als Schatzkanzler der New Labour-Regierung Tony Blairs die härteste Regierungslast getragen, um finanz- und wirtschaftspolitische Stabilität des Landes zu sichern. Von 2007 bis 2010 steuerte Premierminister Gordon Brown das Vereinigte Königreich durch die Weltwirtschaftskrise. Dieses hart erworbene politische Vertrauenskapital hat maßgebend zur klaren „Nein“-Mehrheit (55 % gegen 45 %) im Referendum geführt, die Einheit Großbritanniens erhalten.

Der Staatsmann Gordon Brown hat in den letzten Wochen entscheidend zum Zusammenhalt des UK beigetragen. In einer hart umkämpften Zerreißprobe für seine schottische Heimat.

In den kommenden Monaten wird Gordon Brown, MP, gemeinsam mit Premierminister David Cameron, dem stellvertretenden Premier Nick Clegg und Oppositionsführer Ed Miliband konkrete Maßnahmen ausarbeiten, die vom „battleground“ zum „common ground“ für Großbritannien führen sollen. Das wäre der „highground“ für das UK. Dafür sei bereits ein Zeitplan vereinbart, der bis Ende Januar 2015 in einen Gesetzentwurf für die Verabschiedung im House of Commons münden werde. *8)

Abschließend sei noch einmal hingewiesen auf die Belehrung durch die ZEIT: zur angeblich „außerordentlich schwachen“ Qualität führender Politiker des UK und zum britischen Demokratiedefizit – nach deutscher Messlatte. Ferner auf den Identitätsschwindel des „Schotten“ McRykov. Alles zur Kenntnis genommen!

Der herzliche Dank des deutschen Lesers für Hilfe beim Verständnis für die aktuelle Debatte um die Zukunft des Vereinigten Königreichs gebührt jedoch den zitierten britischen Autoren und nicht zuletzt dem deutschen Schotten David McAllister.

**) Die offizielle Landesbezeichnung „Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland“ wird im folgenden mit UK (United Kingdom …) abgekürzt.

*1) Russia cries foul over Scottish independence vote. Luke Harding; theguardian.com, Friday 19 September 2014.

*2) GROSSBRITANNIEN. Fünf Lehren aus dem Schottland-Referendum. Von Imke Henkel, Glasgow; zeit.de, 19. September 2014, 18:46 Uhr.

*3) MCALLISTER ÜBER SCHOTTLAND-REFERENDUM. „Das ist eine sehr emotionale Debatte“. David McAllister im Gespräch mit Annette Riedel; dradio.de, Interview der Woche/Beitrag vom 14.09.2014.

*4) Historiker: Debatte über schottische Unabhängigkeit abgeschlossen. DTS-Meldung vom 20.09.2014, 11:12 Uhr.

*5) Scotland votes no: the union has survived, but the questions for the left are profound. Martin Kettle; theguardian.com, Friday 19 September 2014.

*6) Awkward no more: how Gordon Brown found his voice. Steve Richards; theguardian.com, Wednesday 17 September 2014.

*7) Gordon Brown makes passionate appeal to Labour voters in final no rally. Nicholas Watt, chief political correspondent; theguardian.com, Wednesday 17 September 2014. (Übertragung der Gedanken Browns, RS).

*8) Gordon Brown delivers speech on future of Scotland; www.telegraph.co.uk/news/uknews/scottish-independence/11110624/Gordon-Brown-delivers-speech-on-future-of-Scotland.html; 20 Sep 2014 (S. dort auch das Video der Ankündigungen in Browns Rede).