Nachrichtensperre!

Dreieinhalb Monate nach der Wahl vom 24. September 2017 beginnt die Erste Runde der Großen Koalition der Willigen von CDU, CSU und SPD. Der SPD wird mit ihrem spärlichen Wahlresultat von 20 % von CSU-Unterhändler Dobrindt zwar entsprechend spärlicher Einfluss auf die Politik zugestanden, aber …

Dafür bekommen die SPD und ihr Chef Martin Schulz gewaltige Zugeständnisse vorab. Denn wie Martin Schulz mitgeteilt hat, ist die Union aus CDU/CSU auf die SPD angewiesen, wenn sie im gewohnten GroKo-Kreis „weiter so“ regieren will.

Hier ist die Liste der Zugeständnisse an SPD-Chef Martin Schulz.

Erstens: Die Erste Großrunde der Sondierungsgespräche findet im Willy-Brandt-Haus der SPD statt.

Hoffen wir das Beste in einer Zeit, da Streit in der Partei wieder an das Wort vom „Intrigantenstadel SPD“ erinnert. Das machte vor gut 10 Jahren die Runde — vor allem wegen der Hamburger Verhältnisse und jener im Willy-Brandt-Haus. Kurt Beck hat dazu nie vergessene Worte gesagt.

Die verlorenen Wahlkämpfe von 2017 haben der SPD-Chef Martin Schulz und sein Vorgänger, der Geschäftsführende Vizekanzler und Außenminister Sigmar Gabriel, vielleicht mit Humor verkraftet. Heute könnte ihre Partei-Freundschaft aus dem „Intrigantenstadel SPD“ den „Komödienstadel SPD“ machen. Doch daraus wird wohl nichts.

Denn leider verbreitet die BILD-Zeitung wieder mal zur Unzeit die Rangfolge der beliebtesten PolitikerInnen: Sigmar Gabriel Platz 1, Martin Schulz Platz 8 von 10 Rängen. Beide haben im Vergleich zum Vormonat Federn gelassen: Schulz (minus 9 Prozentpunkte) jedoch dreimal so viele wie Gabriel (minus 3 Punkte). *1)

Und obendrein betitelt BILD die Rangzahlen: „Schulz war noch nie so unbeliebt“. Da wünschen wir Martin Schulz die alte Einsicht: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht!“ Immerhin hat er Alice Weidel (AfD) auf Platz 10 verwiesen.

Zweitens, als weiteres Zugeständnis der CDU/CSU-Union darf SPD-Chef Martin Schulz ankündigen: Es gibt einen ganz anderen Verhandlungsstil als bei der JAMAIKA-Sondierung von Union, FDP und Grünen. Das ist die ganz große Überraschung, weil sie immer noch zusammen GroKo-regieren.

Das heißt vor allem: Keine Balkonbilder! Gerade vom Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft, dem von „den Leuten“ so gern betrachteten Jamaika-Sondierungsort, „halten sich Union und SPD betont fern“ *1).

Kein Balkonazo? Das stimmt uns Deutsche aber traurig; nur wenige werden sich freuen — bestimmt die Angestellten des Jamaika-Sondierungsorts, der Parlamentarischen Gesellschaft.

Aber man habe Verständnis: Wenn eine GroKo ihren Schatten vorauswirft, dann braucht es supergroße Sondierungs-Teams von CDU, CSU, SPD. Da sind alle zu wichtig und zu zahlreich, um auf den Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft zu passen, damit sie huldvoll von oben herab die Leute, das Volk, die Steuerpflichtigen grüßen können …

Drittens, und noch ein Zugeständnis der CDU/CSU-Union. SPD-Chef Martin Schulz darf ankündigen: Nachrichtensperre! *1) Und das müssen wir aus dem „Mehr Demokratie wagen“-Willy-Brandt-Haus der SPD hören! Was habt ihr denn zu verbergen?

Habe die Ehre! Jetzt wird es ernst. Da hört der Spaß auf! Zwar droht CSU-Chef Horst Seehofer an, er „werde persönlich alles dafür tun, dass diese Koalition zustandekommt“. Aber selbst unter dem Eindruck dieser Zusage vom mächtigen Horst Seehofer wagt BILD nur die Prognose: Mit „etwas Glück hätte Deutschland dann an Ostern eine neue Regierung.“ *1)

„Mit etwas Glück“? Wo bleibt Ihre geschätzte Urteilskraft, werte BILD-Redaktion? Sondierungen, Beratungen, SPD-Sonderparteitag am 21. Januar 2018, Koalitionsverhandlungen, SPD-Mitgliederbefragung … Und überdies: Bei derart widerstreitendem Pro und Contra zum GroKo-Ziel aus SPD-Führungskreisen stellt sich die Frage, ob die SPD-Unterhändler noch weniger ernsthaft verhandeln werden als die FDP bei Jamaika.

Und über alledem wird scheinbar der CSU-Politiker Markus Söder, designierter Ministerpräsident Bayerns, vergessen. Dessen neue Machtfülle steht bereits im September 2018 bei den bayerischen Landtagswahlen auf dem Spiel.

„Mit etwas Glück“? Unter diesen Umständen Hoffnung auf die alt-neue GroKo-Bundesregierung bis Ostern schon?

Und am Ende bis Ostern Nachrichtensperre? Das wäre der vollendete April-Scherz zum Ostersonntag am 1. April 2018! Wie sollen wir das bloß aushalten: Bis Ostern ohne Indiskretionen, ohne durchgestochene Verhandlungs-Kommentare, ohne Gerüchte? Ohne Sprüche von SPD-Stegner oder CSU-Dobrindt?

Weil nur „gemeinsame Erklärungen“ *1) von CDU, CSU, SPD erlaubt werden, wenn es nach der Martin Schulz zugestandenen GroKo-Verhandlungs-Regie geht? Was glaubt ihr denn, welchen Informations- und Unterhaltungswert diese „gemeinsamen Erklärungen“ haben werden?

Deren Tonlage ist bekannt und im kommenden Karneval sicher sehnlichst erwartet: „Das Jahr 2015 darf sich nicht wiederholen“. „Deutschland braucht eine stabile Regierung“. „Deutschland braucht mehr Gerechtigkeit“. Bis hin zur Endlosschleife: „Deutschland braucht ´Investitionen`: in Bildung, Infrastruktur, Kinder, Familien, Schulen, Gesundheit, Sicherheit, Polizei, Integration, Rente, Vertrauen und — wie gesagt — Gerechtigkeit“!

Vielleicht dann doch lieber: Nachrichtensperre! Merkt ihr Politiker nicht, wie im Volke die Lust auf Neuwahlen wächst? Lust auf eine ganz deftige “Klatsche“ (BILD)?

*1) KLATSCHE KURZ VOR BEGINNEN DER SONDIERUNGSGESPRÄCHE. Umfrage-Debakel für Merkel und Schulz; veröffentlicht am 05.01.2018 – 12:30 Uhr; bild.de. Quelle: ARD DeutschlandTrend. Erhebungszeitraum: 2.1.2018 bis 3.1.2018.