Nachschmerz.

In der Folge einer Impfung ist heftiger Nachschmerz aufgetreten. So what? Ich lenke mich ab mit der Lektüre einiger Artikel und Interviews. Und was passiert? Ein Nachschmerz aus dem Berufsleben wird wieder geweckt.

Spanien: Anfang April 2018 verkündet die baskische Terrororganisation Euskadi Ta Askatasuna (ETA), die seit 1960 fast 900 Menschen ermordet und Tausende verletzt hat, dass sie sich ab Juni auflösen wolle. Seit einem Jahr liefert sie Waffen aus ihren Arsenalen an die Behörden aus.

Die Erinnerung an einen geschätzten Kollegen mit herausragenden Verdiensten in der Zeit des Übergangs von der Franco-Diktatur zur Demokratie kehrt wieder. Verbunden mit einer einzigen Meinungsverschiedenheit, die ich aus hierarchischen und politischen Zwängen unterdrücken musste. Daher der Nachschmerz.

Es war wohl Ende 1997 in der Regierungszeit des konservativen Ministerpräsidenten José María Aznar. 1995 hatte die ETA versucht, nicht nur Aznar, sondern auch König Juan Carlos I. mit Sprengstoff umzubringen. Morde und Entführungen, um inhaftierte Terroristen frei zu pressen, verdunkeln jene Jahre, setzen sich bis etwa 2008 fort.

Ich selbst habe in Perú den Terror des „Sendero Luminoso“ („Leuchtender Pfad“) erlebt. Und weiß, dass die Regierung ausländische Organisationen dahinter sah oder zumindest des Verständnisses für die Terroristen verdächtigte.

Zurück nach Spanien, Madrid, Ende 1997, Empfang für schriftlich eingeladene Gäste durch den Deutschen Botschafter, Herrn Dr. Henning Wegener. *1)

Auch mein in Spanien hoch angesehener Kollege Dieter Koniecki ist mit Gattin von Botschafter Dr. Wegener eingeladen und zum Empfang unterwegs. Nicht eingeladen ist allerdings die Vorsitzende von Amnesty-International (AI) in Spanien, Silvia Escobar, die sich dem Ehepaar Koniecki angeschlossen hat. Wohl ermutigt durch ein „entonces vámonos juntos“ der beiden.

Ohne Erwähnung des hier gleich berichteten Vorfalls hatte Dr. Wegener, von 1995 bis 1999 Botschafter in Spanien, viele Jahre später in einem Interview geäußert: „In meiner Zeit waren die Spanier besorgt, dass irgendwelche ETA-Leute von der deutschen Justiz geschützt werden. Da musste man agieren und die Sorgen zerstreuen.“ *2)

Weshalb die AI-Vorsitzende Silvia Escobar nicht über eine Einladung zum Botschaftsempfang verfügte, mag durchaus erklärbar sein. Der Botschafter lädt schließlich nicht zuletzt Vertreter des spanischen Staates ein, die in jenen Jahren Ziel des ETA-Terrors waren. Und Amnesty-International-España wird bei spanischen Staatsdienern zu Zeiten des ETA-Terrors nicht so gewürdigt worden sein, wie z. B. AI in Deutschland.

So nahm der Ärger seinen Lauf: Am Eingang zum Empfang wurde festgestellt, dass Señora Escobar nicht eingeladen und damit nicht einzulassen war.

Nur wer das vulkanische Temperament meines Kollegen Dieter Koniecki kennt, kann die Szenen erahnen, die sich nun abspielten. Hausherr, Gastgeber, Rang als Botschafter der Bundesrepublik Deutschland — alles dahin in einem Stück aus dem Tollhaus mit dramatischem Abgang aller Drei, Eheleute Koniecki und Frau Silvia Escobar.

Zwar hatte ich Gelegenheit, mit dem Kollegen zu sprechen. Doch dieser Versuch war auf der Stelle beendet, als ich zu einem klärenden Gespräch mit Botschafter Dr. Wegener riet.

Partner in Spanien und Deutschland — Politik, Presse, Parteifreunde — der Vorstand der Friedrich-Ebert-Stiftung, ein Netzwerk von SPD-MdBs waren bereits von Dieter Koniecki informiert worden. Eine nicht angebrachte Großzügigkeit des Kollegen wuchs zum „Skandal“ gegen den Botschafter Dr. Wegener, der in seiner Einladungspolitik nachvollziehbar gehandelt hatte.

Mit demütiger Bitte um Verständnis für meine Sichtweise — insbesondere an den hoch geschätzten Dieter.

Damit ist dieser Nachschmerz aus dem Berufsleben abgearbeitet. Feierabend.

*1) Vom diplomatischen Dienst des Auswärtigen Amtes beurlaubt, war Dr. Wegener von 1977 bis 1981 Leiter des Büros für Auswärtige Beziehungen sowie Leiter der Abteilung Außen- und Sicherheitspolitik in der Bundesgeschäftsstelle der CDU, Bonn. Im Rahmen dieser vielfältigen Aufgaben leistete Dr. Wegener — in kollegialer Zusammenarbeit mit dem legendär erfolgreichen Hans Eberhard Dingels, Leiter der Internationalen Abteilung der SPD — bedeutende Beiträge zur Förderung von Parteien für die Demokratie in Entwicklungsländern. Besonders wirksam erwies sich diese Arbeit auch in Portugal und in Spanien. Die Friedrich-Ebert-Stiftung und die Konrad-Adenauer-Stiftung haben diese Initiativen in international hoch anerkannter Weise vorbereitet, erweitert und vertieft.

*2) Interview mit Botschafter a. D. Dr. Henning Wegener. 27. April 2012. Von Michael Gehler, Marcus Gonschor und Hinnerk Meyer; http://www.kas.de/upload/dokumente/2013/Mitgestalter_Europ 130418_mitgestalter_europas_wegener.pdf.