Neue Sozialbindungen.

Heute gab es im Deutschen Bundestag einen giftigen rot-grünen Wortwechsel.

Sigmar Gabriel musste sogar daran erinnert werden, dass die Exekutive besser den Mund hält, wenn die ohnehin kleine Opposition redet.

Da wurde klar, wie kurzlebig politisches Kampfgeschrei ist: „Rot-Grün ist die Koalition von morgen“ – so der Vizekanzler der GroKO noch vor weniger als einem Jahr, am 14. April 2013 auf dem SPD-Bundesparteitag. *1)

Welcher realistisch in der Politik mitdenkende Bürger kann nicht verstehen, dass Politik-Parolen alsbald in die Mülltonne gehören? Vor allem, wenn es um Moral geht: Schluss mit dem „Egoismus“, dem „Zeitalter des egoistischen Neoliberalismus“, gegen die „wahren Asozialen unseres Landes!“ *1) (Zum alten SPD-Freund Theo Sommer ein anderes Mal, vielleicht.)

„Wir wollen wieder die Menschen und das Gemeinwohl in den Mittelpunkt der Politik stellen.“ Damit „Deutschland besser“ werden kann, z.B. durch „gute Arbeit“, „gute Infrastruktur“, durch „anständige Löhne“, für eine „gute Zukunft“ *1) und nicht zuletzt durch „neue Sozialbindungen“. *2)

Wer wollte diese Ziele nicht unterstützen? Zumal die Methode der „neuen Sozialbindungen“ ja bereits in unserem Grundgesetz verankert ist (Artikel 14, Absatz 2). *3)

Und damit kommen wir zu einer fast deprimierenden Feststellung der Süddeutschen Zeitung über „neue Sozialbindungen“. Die scheint das Ziel der Großen Koalition – die soziale Spaltung zu überwinden, Deutschland „besser zu machen“ – ins Reich der Illusionen zu verweisen: „Partnerwahl und Ungleichheit. Heiraten zementiert soziale Spaltung.“ *4) Ist Politik ein so vergebliches Bemühen?

Die SZ sagt uns heute: „Früher war das so: Die Hälfte der deutschen Männer heiratete in eine untere Einkommens- und Bildungsschicht. Heute hingegen haben immer mehr Menschen einen Partner mit ähnlichem Job und ähnlich viel Geld. Das verschärft soziale Ungleichheit“.

Und deshalb übernimmt die SZ eine Empfehlung amerikanischer Sozialforscher für „neue Sozialbindungen“: Zurück in die 1960er Jahre; „denn damals heirateten eben viele Männer mit viel Geld viele Frauen mit wenig, die Schichten mischten sich stark, was für Gleichheit sorgte … Und jetzt kommt es: Wenn die Menschen wieder zufällig heiraten würden, also viel häufiger Partner aus anderen Schichten als heute, fiele die Ungleichheit“ und zwar auf das Maß, das „das Land in den Sechziger Jahren tatsächlich aufwies, als Vorstandschefs noch nicht 300 mal so viel verdienten wie ihre Arbeiter unten in der Fabrik.“ *4)

Und hier setzte ja auch Sigmar Gabriel an. Mit seiner Diagnose, „die soziale Spaltung in Deutschland nehme zu – ´und die Menschen spüren das. Auf der einen Seite stehen Löhne von weniger als 5 Euro und Durchschnittseinkommen von 28.000 Euro im Jahr. Auf der anderen Seite stehen Managergehälter von 10 und mehr Millionen Euro pro Jahr. Das hat nichts mehr mit Leistung zu tun!`, so Gabriel. ´Niemand leistet das 200- oder 300-fache seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.`“ *1)

Recht hat der SPD-Vorsitzende. Doch an der „sozialen Spaltung“ wird wohl auch Sigmar Gabriels Wechsel von „Rot-Grün“ zur Großen Koalition nichts ändern. Denn die Gewerkschaften wissen, warum sie durch Mitbestimmung die Managergehälter genehmigen.

Bleibt daher nur eine Hoffnung? Rückkehr zu den Heiratsgewohnheiten der 1960er Jahre?

Leider eine vergebliche Hoffnung. Wie die von der SZ und ihrem Experten, dem Münchner Paartherapeuten Wolfgang Schmidbauer, empfohlene „neue Sozialbindung“ zeigt. Dass es darauf ankomme, „einem Suchenden einen Partner mit ähnlicher Qualifikation zu vermitteln … Wir leben in unsicheren Zeiten … Da sucht man nach einem Partner, der einem ähnlich ist. Das bietet mehr Geborgenheit“. Und das „zementiert die soziale Spaltung.“ *4)

Ja, ist das denn die Möglichkeit? Kann ein politisch engagierter Bürger solches hinnehmen?

Leider wird die SZ bestätigt. Von BILD. Und BILD hat auch keine schöne Botschaft: „Heute haben viele Paare schon auf der Hochzeitsreise die Scheidung im Gepäck“, sagt der BILD-Experte Rechtsanwalt Hermann Messmer. Und nun dämmert es auch dem Laien: Verdienen beide Partner etwa gleich, entfällt der Unterhaltsanspruch. Die Kosten der Scheidung für deren Urheber, wer immer es ist, werden minimiert.

Scheidungsplan (BILD) oder Suche nach „Geborgenheit“ (SZ) – es läuft auf dasselbe hinaus: Die soziale Spaltung wird zementiert. Durch die „neuen Sozialbindungen“, durch die moderne Partnerwahl.

Da bleibt also doch nur die Hoffnung auf die Politik. Gebt der Politik eine Chance!

*1) Daniel von Fromberg, Sigmar Gabriels Rede auf dem Bundesparteitag, „Deutschland besser und gerechter machen“, 14. April 2013; www.spd.de/partei/parteitag/.

*2) Koalitionsvertrag 2013, 4.2. Lebensqualität in der Stadt und auf dem Land. In: Vorwärts, Die Zeitung der Sozialdemokratie, November, Dezember 2013, Stichwort „neue Sozialbindungen“ S. 61.

*3) www.bpb.de/nachschlagen/lexika/lexikon-der-wirtschaft/ … Sozialbindung.

*4) Von Alexander Hagelüken, http://www.sueddeutsche.de/geld/partnerwahl-und-ungleichheit-heiraten-zementiert-soziale-spaltung-1.1875581; 30. Januar 2014.

*5) RECHTSANWALT HERMANN MESSMER „Es geht immer nur ums Geld, egal, ob viel da ist oder wenig“; bild.de, 26.01.2014.