Nicht zuständig!

Bei der Recherche zu Peer Steinbrücks wenig glücklichem Wort „Bananenrepublik“, das außenpolitisch beleidigend wirkt, stieß ich auf eine traurige Information.

Der ecuadorianische Poet, Romanschriftsteller und Journalist, Alejandro Carrión Aguirre, war am 4. Januar 1992 wenige Wochen vor der Vollendung seines 77. Lebensjahres verstorben. Am 11. März 2015 werden viele Menschen in Ecuador und in der Welt des 100. Geburtstags dieses Repräsentanten lateinamerikanischer Kultur gedenken.

Unvergesslich ist mir aus der Zeit Anfang der 1980er Jahre die Lektüre der „Notas al andar y ver“ im Comercio. Hier notierte Alejandro Carrión Gedanken aus geistigen und räumlichen Streifzügen, um sein Land ästhetisch und kulturell zu heben.

Daran musste ich heute denken, als ich vor dem Stadthaus Bad Honnef parkte.

Ins Auge springt immer wieder, dass manche Autofahrer aus Parkgebühr oder Straßenbenutzung das Recht ableiten, Dreck zu verbreiten.

Wer kennt nicht den Müll an unübersichtlich kurvigen Ausfahrten von Schnellstraßen. Unweit der Bonner Museumsmeile schilderte mir kürzlich ein Arbeiter bei einem gebührenpflichtigen Parkplatz an einer Baustelle, welchen Abfall Autofahrer dort zunächst unbemerkt abkippen. Bis hin zu einem Kühlschrank, der bereits mit Müll aufgefüllt war. „Abschaum, Gesocks“, rief ein erbitterter Passant, der zum Gespräch stieß. *1)

Dies passt auch zum rassistischen Gegrunze in Fußballstadien, wenn ein schwarzer Spieler am Ball ist.

Zuständig sind wir Bürger allesamt für den Zustand unseres Gemeinwesens.

Die Zuständigkeitsfrage wird jedoch nicht selten unsinnig bürokratisiert, sobald es sich um Institutionen und ihre Beschäftigten mit Stellenbeschreibung handelt. Zwei Beispiele dazu.

Vor der „Konrad Adenauer-Gedenkstätte“ in Rhöndorf. Samstag, 3. August 2013, gegen 11.00 Uhr. Das Haus geöffnet, im Empfangsraum Angestellte, die auf Besucher warten. Jeder dort weiß, wie sehr Adenauer seinen Rosengarten liebte. Entsprechend gestaltet ist der Vorgarten des Gebäudes. Ich sehe hin. Mindestens acht der Floribunda-Rosensträucher überwiegend in bräunlicher Welke ihrer Dolden abgeblüht. Zwischen Rosen und Ziergräsern etwa ein Dutzend bis zu 40 cm hohe Unkräuter, zum Teil Disteln. Mit einer kleinen Gartenschere ließe sich dies in weniger als 15 Minuten herrichten.

Warum geschieht das nicht? „Ich bin dafür nicht zuständig!“ Konrad Adenauer noch unter uns, er hätte es sicher selbst gemacht. Gelassen würde er wohl sagen: „Der Mensch iss, wie er iss. Andere jibt et nich.“ Auch nicht im Rheinland.

Zurück zum Parkplatz vor dem Stadthaus Bad Honnef. Heute gegen 14.30 Uhr. Dort lagen Plastikmüll und eine offensichtlich prall gefüllte Windel, schnell aus dem Auto entsorgt. Also weg, um den mit klarem Wasser berieselten Quellstein und den zweiten Stein zur Erinnerung an bedeutende Persönlichkeiten, die Bad Honnef besuchten, zu betrachten. Die beiden rötlich gemaserten, polierten Granitblöcke des Brunnens „Zeitenstrom“ prägen einen stillen Raum. Ein Meisterwerk des Bildhauers Reinhard Puch aus der Eifel. Finanziert von hochherzigen Spendern.

Hinter einer nahen Bruchsteinmauer sieht man ein modernes Gebäude. Davor stehend fällt der Blick auf den linken Teil des Hauses für die Pfarrgemeinde St. Johann Baptist. Im rechten Gebäudeteil befindet sich die Arbeiterwohlfahrt (AWO) mit der „Tafel“ in Bad Honnef. Jeden Montag werden dort Lebensmittelpakete an Bedürftige ausgegeben.

Vor der AWO ist ein rechteckiger Vorgarten, vielleicht 50 qm. Ein Ortskundiger berichtet, dass dort gewöhnlich sog. Penner lagerten. Da hätten die Malteser im Mai 2013 das Gelände im Rahmen einer „72-Stunden-Aktion“ mit einfachen Mitteln aufgewertet. Dabei sei der kleine Vorgarten mit Sträuchern und Koniferen bepflanzt worden.

Wie wurde diese freundliche Geste der Malteser von der AWO, ihren Mitarbeitern und den Empfängern der Tafelspenden gewürdigt?

Anblick der erst im Mai gepflanzten Sträucher: Ein kleiner Buchsbaum und neun Koniferen, zehn Immergrüne – verdorrt, braun, tot! Wenige Sträucher, rotblättrige Berberitzen und Kirschlorbeer, sehen gesund aus. Vielleicht standen sie dort schon länger. Ein Gartenschlauch zum Bewässern oder fünf Gießkannen einmal die Woche während der Einwachszeit – waren alle damit überfordert? Die Mitarbeiter, die Ehrenamtlichen, die sicher zahlreicheren Empfänger der „Tafel“, der Lebensmittelspenden – für alle jene alles unzumutbarer Aufwand?

Aber das mögen sinnlose Fragen sein. Die zu erwartende Antwort wird wie beim Adenauer-Haus lauten: Nicht zuständig!

An die AWO: Ruft mich an oder schickt mir eine e-mail, wenn es mal klemmt. Lasst mir Zugang zum Wasserhahn. Die Gießkanne oder den Schlauch bringe ich selbst mit.

*1) Nachtrag 05.11.2013: Heute in Phönix-TV Erfahrungsbericht einer jungen Familie mit Kind auf der Autobahn A 2 mit unbewachten „Rastplätzen“. Unvorstellbarer Dreck und Vandalismus. Ein Vertreter der Straßenmeisterei, die bei den „Rastplätzen“ regelmäßig aufräumt, formuliert sein Urteil über uns Autobahn-Nutzer und dann auch „zuständige Bürger“: „Die Bürger benehmen sich wie die Schweine“. Dass er damit den Schweinen Unrecht tut, weiß der tierkundlich Interessierte. Da helfen nur Video-Überwachung und engmaschige Kontrollen.