Österreich abstrafen?

Nun ist auch Österreich vom Unterstützer zum Gegner der Merkelschen Flüchtlingspolitik geworden. Denn das kleine Nachbarland will nicht Deutschlands „Warteraum“ für Flüchtlinge werden, so der Sozialdemokrat Bundeskanzler Faymann. *1) Die deutsche Antwort darauf: Österreich-Bashing?

Bundeskanzlerin Merkel hatte bekanntlich im völligen Alleingang die chaotische Zuwanderung ermutigt. Gleichwohl besaß Merkel nicht nur aus Sicht der österreichischen Regierung in ihrem TV-Gespräch mit Anne Will Ende Februar die Chuzpe, Österreich und den Westbalkanstaaten „nationalen Alleingang“ vorzuwerfen. Und obendrein noch zu posaunen: „Das ist nicht mein Europa.“ *1)

Diese Haltung Merkels wurde von der österreichischen Bundesregierung zu Recht zurückgewiesen.

Nun wird sogar aus der deutschen Qualitätspresse gegen das Nachbarland Stimmung gemacht. *2)

Durch bemerkenswerte Feststellungen fällt z. B. ein FAZ-Korrespondent mit Sitz in Wien auf. Zunächst konstatiert er, was der deutschen Willkommenskultur politisch sicher völlig fremd ist: „Österreichs Politiker wollen mit scharfen Tönen in der Flüchtlingspolitik bei den Wählern punkten.“ *3)

Dann hält er dem Nachbarland vor, durch die „harte Haltung“ in der Flüchtlingsdebatte von der „Wirtschaftsmisere“ abzulenken. Und behauptet: „Doch über die Rückschläge in Wirtschaft und öffentlichen Finanzen spricht niemand.“

Dies erscheint mehr als dreist. Denn die Rückschläge, über die in Österreich angeblich niemand spreche, „enthüllt“ der Autor anhand einer überall einsehbaren Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte. *4)

Dass über die Probleme, die in dieser Expertise „Radar 2016“ analysiert werden, „niemand spricht“, ist eine abwegige Behauptung des FAZ-Korrespondenten.

Erstens: Schon deshalb, weil Deloitte sich selbst definiert „als smarter Impulsgeber für den Wirtschaftsstandort Österreich“: „Mit dem Deloitte.Radar analysieren wir seit drei Jahren die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich. Dieser ist für unsere Kunden, für unsere 1.200 Mitarbeiter, sowie für uns selbst Lebensraum und -grundlage.“ *4)

Zweitens: Auch ein kurzer Blick in die Qualitätspresse Österreichs belegt, dass die FAZ-Behauptung „Doch über die Rückschläge in Wirtschaft und öffentlichen Finanzen spricht niemand“ nicht zutrifft. *5) :

  • „ARBEITSMARKT. Ruf nach höherer Strafe für Betriebe ohne Behinderte. (234 Leserkommentare, d.h. Postings!! RS) Die Arbeitslosigkeit unter Behinderten explodiert. Behindertenanwalt Buchinger stellt den Kündigungsschutz infrage.“
  • „Statistik: Flüchtlinge landen nach und nach offiziell in der Arbeitslosigkeit (1126 Postings!! RS)“.
  • „Wirtschaftsklima: Österreich mit stärkstem Minus in EU (26 Postings).“
  • „TEUERUNG. Inflation mit 1,2 Prozent auf höchstem Wert seit dem Sommer. (156 Postings) Der tägliche Einkauf ist um knapp zwei Prozent teurer als vor einem Jahr – Inflation im Jänner in der Eurozone hingegen nur bei 0,3 Prozent.“

Wie sind solch eklatante Widersprüche zwischen Behauptung und Realität in einer angesehenen Zeitung zu erklären?

Betreiben Bundesregierung und bedeutende Organe unserer Qualitätspresse ein „Österreich-Bashing“, weil das kleine Nachbarland dem deutschen Kurs nicht folgen will?

Niemand wundere sich, wenn Deutschland in Europa zunehmend Dominanzgehabe unterstellt wird. Und unser Land als antipathische Großmacht gefürchtet und isoliert wird.

*1) Flüchtlingskrise. Österreich: Alle direkt nach Deutschland schicken. Österreichs Kanzler rückt vollends von Angela Merkel ab. Sein Land sei kein Warteraum für Deutschland. Deshalb macht Faymann nun einen neuen Vorschlag zur Lösung der Flüchtlingskrise, 02.03.2016; faz.net.

*2) Flüchtlingskrise. Deutschland weist Österreichs Forderung nach Tagesquoten zurück. Österreichs Bundeskanzler Faymann will Flüchtlinge aus Griechenland gleich nach Deutschland durchwinken. Jetzt hat die Bundesregierung auf den Vorschlag reagiert und kritisiert das Nachbarland scharf, 02.03.2016; faz.net.

Und Bild: FLÜCHTLINGSKRISE. Ösi-Minister giftet erneut gegen Merkel, 29.02.2016; bild.de.

*3) Flüchtlingskrise. Wiens harte Haltung lenkt von Wirtschaftsmisere ab. Österreichs Politiker wollen mit scharfen Tönen in der Flüchtlingspolitik bei den Wählern punkten. Doch die Migrationsdebatte verdeckt, dass das Land in weiteren Schwierigkeiten steckt. Doch über die Rückschläge in Wirtschaft und öffentlichen Finanzen spricht niemand; 03.03.2016, von CHRISTIAN GEINITZ, faz.net.

*4) Pressetext Deloitte. Radar 2016 zum Download. Mit dem Deloitte.Radar analysieren wir seit drei Jahren die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich. Dieser ist für unsere Kunden, für unsere 1.200 Mitarbeiter, sowie für uns selbst Lebensraum und -grundlage.

*5) Leicht zu finden bei http://derstandard.at/ unter Wirtschaftspolitik, Arbeitsmarkt.