Partei als Zukunftswerkstatt.

Es ist keine Herabsetzung der Bundesregierung, wenn sie eher als Reparaturbetrieb denn als Zukunftswerkstatt gesehen wird. Ganz im Gegenteil.

1. Angela Merkels Grußwort zum Leipziger CDU-Bundesparteitag zeigte, dass sie den “Reparaturbetrieb“ mit außerordentlichem Weitblick führt, trotz drängender Forderungen des Hier und Jetzt. Die von Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) geführte Bundesregierung richtet ihre Politik gegenüber realen Defiziten bei im Koalitionsvertrag 2018 vereinbarten und auch bei neuen Zielen sehr wohl strategisch auf die Zukunft. Zwei Beispiele aus Merkels Grußwort verdeutlichen dies: *1)

  • Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz wird ab 1. März 2020 ermöglichen, künftig “nicht die falschen Menschen ins Land ein(zu)laden, sondern diejenigen, die uns wirklich helfen, den Fachkräftemangel zu beseitigen.“
  • Klimawandel und Digitalisierung sind die vordringlichen Herausforderungen für die Zukunft. Die Digitalisierung bedeutet eine Abkehr von bisher vorherrschenden Technologien, verändert die Produktionsweisen (z.B. durch Robotik und 3D-Druckverfahren), die Arbeitsbedingungen und die Berufswelt zu einer “Industrie 4.0“. Die Digitalisierung wie auch der Klimawandel erfordern prioritäre Konzentration der Politik auf Bildung, Forschung und Entwicklung. Die Bundesregierung setze deshalb zukunftsorientiert auf eine “Weiterbildungsstrategie“ für lebenslanges Lernen, auf einen “digitalen Binnenmarkt“, der für die EU erarbeitet wird, und auf “Forschungspakte und Hochschulpakte bis 2030“.

2. Der Anspruch der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK), die CDU als “Zukunftswerkstatt“ zu führen, ist in manchen Medien kritisch kommentiert worden: Mit ihrer “langen Rede, die vieles antippte, aber im Ungefähren blieb – und die Delegierten nur an wenigen Stellen inspirierte“, habe AKK nur an wenigen Stellen “aufhorchen“ lassen. *2)

Gewiss erschließt sich die Führungsaufgabe “Partei als Zukunftswerkstatt“ leichter und öffentlichkeitswirksamer, wenn man — wie Annalena Baerbock bei der Bundesdelegiertenkonferenz der GRÜNEN in Bielefeld — Zukunftsvisionen beschwörend predigt, die Anhänger begeistert und mitreisst. Ein nüchterner Politikbeobachter sah in Baerbocks Inszenierung allerdings: “Viel Pose, wenig Politik, euphorische Zeilen und TV-Aufsager mit verzücktem Gesicht.“ *3)

AKK musste bei ihrer Führungsaufgabe “CDU als Zukunftswerkstatt“ die Arbeit der von Angela Merkel geführten Bundesregierung respektieren, gerade als Kabinettsmitglied und Bundesministerin der Verteidigung. AKK hat die wesentlichen Zukunftsthemen in ihrer Rede “den Problemen als Maßstab unterworfen“, wie Norbert Röttgen es in seinem Debattenbeitrag forderte.

Dies sei an nur zwei von AKK benannten Aufgaben für die “CDU als Zukunftswerkstatt“ kurz illustriert: “Wie kann Deutschland in zehn Jahren aussehen?“ *4)

Innovationstempo als Problem/Aufgabe: Erfolgen Innovation und Digitalisierung in Deutschland zu langsam, übernehmen Konzerne in den USA oder China die Treiberrolle. Dann könnte die deutsche Industrie auf die Rolle „einer verlängerten Werkbank“ reduziert werden. Deutsche Unternehmen seien daher zu fördern, um “Weltmarktführer“ zu bleiben — im Wandel von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz. Die “Industrie 4.0 ist in Deutschland erfunden worden … Wir wissen, dass mit der Digitalisierung Arbeitsplätze wegfallen, und es wäre fahrlässig, wenn wir so täten, als ob das nicht passiert. Aber es ist unsere Aufgabe, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass neue Arbeitsplätze entstehen können … Lasst uns an der Vollbeschäftigung festhalten, auch und gerade in Zeiten der Digitalisierung!“ Ein neues “Digitalministerium“ soll als “Nukleus“ die Kräfte bündeln, “um diese Entwicklung voranzutreiben.“ Digitale Techniken können:

  • die Klimapolitik unterstützen: so sei „mit Wasserstoff, mit synthetischen Kraftstoffen in einer CO2-verträglichen Weise (zu) schaffen, dass der Verbrenner weiter in Deutschland bleibt“;
  • zu “maximal intensivem Bürokratieabbau“ beitragen;
  • mit z.B. 3D-Brillen im Klassenzimmer die Bildungshorizonte dramatisch erweitern;
  • mit Assistenzsystemen in Wohnungen oder Autos auch älteren Menschen Mobilität und Verbleib in ihrem Zuhause ermöglichen.
  • So können Technologie- und Wirtschaftspolitik den Menschen dienen.

Soziale Sicherung als Problem/Aufgabe: Derzeit umfassen die Sozialausgaben in unserem Land jährlich “eine Billion Euro, das sind 1 000 Milliarden Euro“ (AKK). Damit erreichen Sozialausgaben 40 % des deutschen Volkseinkommens, dh. die Summe (2.5 Bio. € in 2018) aller Leistungseinkommen (Arbeitsentgelte, Gewinne, Mieten, Pachten, Zinsen, Dividenden) die durch Einsatz von Arbeit, unternehmerischer Leistung und durch Einsatz von Vermögen in Deutschland pro Jahr erwirtschaftet werden.

  • Hier sei eine Problemlage gegenüber dem Zukunftsthema Generationengerechtigkeit erreicht, die auf Strukturwandel in der Sozialpolitik dränge, damit “die Leistungen … zielgerichteter bei denen ankommen, die es wirklich brauchen.“
  • Angesichts der Gefahr, “mit der Gießkanne (zu) verteilen“ (AKK), sei Rückbesinnung auf die Werte der Freiheit, der Eigenverantwortung, der Solidarität geboten. Also Rückbesinnung auf den Grundsatz der Subsidiarität, das heißt,  “wenn der Staat die Menschen in Ruhe lässt, aber nicht im Stich … Wir wollen Wohlstand für alle, aber wir wollen nicht Wohlfahrt für alle. Nicht jeder in Deutschland ist ein Bedürftigkeitsfall, und wir sollten ihn auch nicht dazu machen.“ (AKK).
  • Von einigen Sozialdemokraten, Grünen und den LINKEN werde zum Thema Hartz IV, der finanziellen Grundsicherung für erwerbsfähige Arbeitslose (und für weitere Leistungsberechtigte), gefordert, Sanktionen abzuschaffen. Auch dann, wenn die angebotene Arbeitsaufnahme im Einzelfall verweigert wird. Damit sollten die Menschen “ermutigt“ werden. Dem hält AKK entgegen: “Ja, ermutigen wollen wir sie auch. Aber .. in allererster Linie zunächst einmal die ermutigen, die jeden Morgen um 6 Uhr aufstehen, die ihre Kinder zur Schule schicken, die zur Arbeit gehen, die sich nicht viel leisten.“
  • Trotz sehr hoher Sozialausgaben leben “2,4 Millionen Kinder in Armut, beträgt die Schulabbrecherquote über 6 Prozent, und durchschnittlich 14 000 Kinder werden Jahr für Jahr sexuell missbraucht.“ Versagt die Soziale Sicherheit gegenüber den Schwächsten der Gesellschaft? Damit werden prioritäre Aufgaben für die Familien-, die Bildungs- und die Schulpolitik aufgezeigt. Gerade an dieser Aufgabe muss sich der Föderalismus als Verantwortungsgemeinschaft von Bund, Ländern und Kommunen bewähren.

3. AKKs Herausforderung der innerparteilichen Gegner.

Jene CDU-Kritiker, von denen die Bundesregierung oft maßlos herabgesetzt wurde, Vertreter der sogenannten “Werte-Union“ bis hin zu Friedrich Merz (“grottenschlecht“ u.ä.m.), wurden von AKK auf dem Parteitag mit eindrucksvoller Klarheit herausgefordert: „Wenn ihr der Meinung seid, dass dieses Deutschland, so wie ich es möchte, nicht das Deutschland ist, das ihr euch vorstellt, wenn ihr der Meinung seid, dass dieser Weg, den ich gemeinsam mit euch gehen möchte, nicht der Weg ist, den ihr für den richtigen haltet, dann lasst es uns heute aussprechen, und dann lasst es uns heute auch beenden, hier und jetzt und heute.“ *4)

Die Herren rührten sich nicht, sie werden den Weg der Hinterlist weitergehen, wie in Parteien üblich.

Aber zwei Indizien zeigten, dass der CDU-Parteitag AKKs Mut anerkannte:

  • Fast 10 Minuten standing ovation!
  • Und der Antrag der Jungen Union, gegen den Kurs von AKK die Kanzlerkandidatur für 2021 per Ur-Wahl durch die Mitglieder zu entscheiden, wurde von 78 % der CDU-Delegierten abgelehnt.

AKK ist also in ihrer Führungsrolle überzeugend bestätigt worden. Zu dieser gehört eben auch, den Prozess zu leiten, vor der Bundestagswahl im Herbst 2021 die gemeinsame Kanzlerkandidatur von CDU und CSU zu organisieren.

4. Fazit

AKKs zukunftsorientiertes, konkretes Problem- und Lösungs-Bewusstsein hebt sich ab vom gefühligen Sendungsbewusstsein der GRÜNEN, die für die kommende Bundestagswahl maßgeblicher Herausforderer der CDU/CSU sein werden.

Ferner ist zu hoffen, dass das Bewusstsein national-völkischer Alleinvertretung des Staatsvolkes in Deutschland, das weithin in der AfD bemerkbar ist, bei der kommenden Bundestagswahl deutlich abgelehnt wird.

Dies kann gelingen, wenn die Migrationspolitik der Bundesregierung nachhaltig beweist, dass die Fehler der Jahre 2015/2016 mit den hohen Folgekosten bei weitem nicht bewältigter Integration von inzwischen zwei Millionen in unser Land „Geflüchteten“ nicht wiederholt werden. Dass Einwanderung kontrolliert und gesteuert wird, so dass vor allem geeignete Fachkräfte den Bedarf am Arbeitsmarkt decken. Bundeskanzlerin Merkels Bemerkungen zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz *1) belegen diesen Wechsel in der Migrationspolitik.

Abschließend die “Wetten, dass“-Frage nach der Kanzlerkandidatur von CDU/CSU, zu der die Prognosen zweier herausragend kompetenter Beobachter Berliner Politik vorliegen:

  • Eva Quadbeck, stellvertretende Chefredakteurin der Rheinischen Post und Leiterin des Parlamentsbüros in Berlin, am 23.11.2019 im Phoenix-TV: Armin Laschet, Ministerpräsident NRW.
  • Gerhard Schröder, Alt-Bundeskanzler der SPD, setzte bekanntlich bereits Anfang September 2019 auf Laschet und hält die Wette für “ein gutes Abendessen in diesem schönen Restaurant“ *5)

Dies ist leider auch alles, was manchem derzeit noch zum Thema SPD einfällt.

*1) 32. Parteitag der CDU Deutschlands. 22. bis 23. November 2019, Leipziger Messe. Grußwort der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, MdB; https://www.cdu.de/leipzig2019/reden-und-berichte.

*2) AKK UND DIE MARKTWIRTSCHAFT. Ein Wort der Selbstkritik wäre schön gewesen. EIN KOMMENTAR VON HEIKE GÖBEL. AKTUALISIERT AM 22.11.2019; faz.net.

*3) GRÜNEN-PARTEITAG. Viel Pose, wenig Politik. VON CHRISTOPH SCHWENNICKE am 19. November 2019; https://www.cicero.de/innenpolitik/gruenen-parteitag-bielefeld-annalena-baerbock-robert-habeck/plus. Es bedarf schon eines Kommentators vom Range Schwennickes, um solche Quintessenz zum Grünen-Parteitag zu formulieren: “Gegen die perfekte Inszenierung vom Grünen-Parteitag in Bielefeld scheint kein Kraut und auch kein Kommentar in den Medien gewachsen. Dabei sind die Grünen von heute jetzt jene Leute, vor denen die Grünen von früher immer gewarnt haben … Schon immer alles gewusst, vom Lauf der Klimageschichte recht bekommen und die einzig richtigen Antworten für die Zukunft. Wer hat einer solchen Legacy ernsthaft etwas entgegenzusetzen.“

*4) 32. Parteitag der CDU Deutschlands. 22. bis 23. November 2019, Leipziger Messe. Bericht der Vorsitzenden der CDU Deutschlands Bundesministerin Annegret Kramp-Karrenbauer; https://www.cdu.de/leipzig2019/reden-und-berichte.

*5) „Würde ein gutes Abendessen verwetten“. Schröder wirbt für Laschet als CDU-Kanzlerkandidat. 07. September 2019, 08:32 Uhr; https://www.spiegel.de/politik/deutschland/gerhard-schroeder-ueber-armin-laschet-der-naechste-kanzlerkandidat-a-1285713.html