Politikinstrument: Gefühlsduselei.

Im Verhältnis Bürger und Politik sind Zustände eingerissen, die hier bereits als Infantilisierung des Bürgers kritisiert wurden.

Die eines Landes der „Ideen und kreativen Köpfe“, der über Jahrzehnte aufgebauten Bildungs- und Forschungsinstitute unwürdig sind. Politische Bildung – vergebliche Mühe?

Es ist zu befürchten, dass hinter diesen Vorgängen Methode steckt, die ganz besonders verwundert, wenn sie in der Sozialdemokratie auffällt. Der SPD, die im nächsten Jahr als Partei der Demokratie, der Bildung, der Wissenschaft, des Aufstiegs, der Chancengleichheit, der Partizipation und Mitbestimmung den 150. Gründungstag begehen wird.

Zwei Phasen ließen staunen. Zunächst gestatteten gerade Politiker der 1968er Generation und jünger den Bürgern die Beteiligung … an ihrem Familienleben. Bunte, Bild, BamS und Glotze boten die Arena: Schröder – Hillu, Scharping – Gräfin Pilati, Wulff – Frau Bettina, Seehofer etc. – da ging bekanntlich einiges daneben. Dies führte zum Strategiewechsel.

So erreichte uns die zweite Phase des politischen Dialogs mit dem Bürger: Vater-, Mutter-Attitüde von Politikern. „Herz“ und ein kumpelhaftes „Zusammenhalten“ verspricht „Landesmutter“ Kraft. Das angesehene Forschungsinstitut RWI rechnet uns vor, wie herz- und fürsorglich die Mutter an die Kinder denkt, denen sie ungerührt neue Schulden aufpackt. Der SPIEGEL höhnt: „Rotgrün hat für alle ein Herz … seit die authentische Frau Kraft regiert … die neue Hoffnung der Sozialdemokratie (würde) auch in Athen eine gute Figur machen.“ (17. Mai 2012, Jan Fleischhauer, Euros nach Nordrhein-Westfalen tragen.)

Der neue „Landesvater“ Albig versicherte vor der Wahl, dass er seine Landeskinder „mag“ und sie „stark machen“ will; die Kalkulation des Kommunikationsfachmanns ging auf. Nun merken immer mehr linke Politiker, dass dies beim Wähler zieht. Sogar der von Jürgen Trittin so getaufte Obama Deutschlands, Cem Özdemir, wird heute mit der abgrundtiefen Frage zitiert, ob Peter Altmaier wohl ein Umweltminister mit „Herz“ sein wird.

Auch Frau Claudia Roth legt die Mutti-Platte auf und flötet uns zu: „Ich zieh mir ein Dirndl an und kämpfe für Bayern München“. Ähnlich tüttelt Frau Leutheusser-Schnarrenberger, die bis heute nicht verstanden hat, dass Freiheit nur herrscht, wenn die Bürger sicher leben. Die Justizministerin hätte eigentlich Wichtigeres zu tun als uns mit ihrer Liebe für Bayern München zu kommen. Nämlich die überfälligen EU-Vorgaben zur Datenspeicherung und zur Sicherung unserer Freiheit umzusetzen.

Natürlich mögen sich die Damen getrost Fußballspiele ansehen, wenn sie sich noch in die Pöbel-Arenen trauen. Deshalb sollte die Politik lieber den Vereinen die horrenden Kosten für Polizei, für Randale und Vandale aufbrummen. Das wäre für die Vereine wirksamer Anreiz, für sportliches Verhalten innerhalb und außerhalb der Stadien zu sorgen. Seit Jahren schon meiden Bürger die DB-Züge und den ÖPNV im zeitlichen und örtlichen Umfeld von Ligaspielen.

Je näher der große Wahltermin rückt, um so aufdringlicher wird das anbiedernde Privatgedöns. Substitution von Sachfragen durch Privat-Tümelei als Form der Bürgernähe in Zeiten größter Unsicherheit mit Inflationsgefahren und vielen anderen Konfliktherden!

Gerade Sozialdemokraten sollten nachdenken, wenn Herr Fleischhauer schreibt: „Leider ist der kollektive Wirklichkeitsverlust kein auf Griechenland beschränktes Phänomen der Massenpsychologie. Die Deutschen verstehen sich ebenfalls auf diese kindliche Form der Verdrängung, man muss sich nur die Wahl in Nordrhein-Westfalen ansehen.“ (A.a.O. Hervorhebung, RS).

Herz- und Privatpolitik als Opium fürs Volk. Nüchterne, politisch mitdenkende Bürger aller Parteien, Verbände und Organisationen der Zivilgesellschaft vereinigt euch rechtzeitig gegen diesen Stil maßgeblicher Politiker. Schafft ein öffentliches Meinungsklima, das solchen Politikstil ablehnt. Damit unsere moderne Bürger-, Diskussions- und Streitkultur nicht schleichend korrumpiert wird.