Politische Kopfjäger?

Viele SPD-Mitglieder mögen nicht ohne Bedenken dem Eintritt ihrer Partei in die dritte „Große Koalition“ (GroKo 3) zugestimmt haben. Mit der Hoffnung auf eine stabile Regierungsführung in schwerer Zeit.

Wackelt die GroKo 3-Regierung bereits nach einem halben Jahr?

Und warum? Weil die SPD, innerparteilichem Druck der GroKo 3-Gegner folgend, auf Kopfjagd geht?

Liegt nicht schwerste Arbeit auf den Bundesministern? Wegen des Fiaskos der Jamaika-Verhandlungen (CDU/CSU, Grüne, FDP) mussten innerhalb weniger Monate der Bundeshaushalt 2018 und der Bundeshaushalt 2019 erarbeitet werden.

Die Probleme im Inland und die Kriege in unserer Nachbarschaft, die kommenden Wahlen — Bayern, Hessen, Europa-Parlament — und dennoch, die SPD leistet sich eine zeitfressende Kopfjagd, als hätte sie nichts besseres zu tun …

Es geht um den Kopf des Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen. Der Vorwurf: dessen Äußerungen zu Krawallen in Chemnitz nach der Messerstecherei von Migranten mit einem deutschen Todesopfer und zwei verletzten Deutschen.

Maaßens öffentliche Stellungnahme war sicher mit seinem Vorgesetzten abgesprochen, dem Bundesminister des Innern, Horst Seehofer (CSU-Vorsitzender). Und zu gut gespielter Empörung von SPD, Linkspartei, Grünen und sogar der FDP schienen Maaßens Kommentare der Bundeskanzlerin Merkel ein Fehlurteil über die Lage in Chemnitz vorzuhalten und damit die Kanzlerin zu desavouieren. Eine Seehofer/Maaßen-Intrige gegen die Kanzlerin?

Das bedurfte natürlich energischer Merkel-Beschützer nicht nur bei der SPD, sondern als ein fast parlamentarisches Gebot für LINKE, GRÜNE und FDP, sich als Vertreter der Legislative ausgerechnet vor die mächtige CDU-Vorsitzende und Chefin der Exekutive, Angela Merkel, zu stellen. Ja, in welcher Gewaltenteilung leben wir denn?

Was steckt hinter der Kampagne gegen Maaßen und Seehofer, der sich vor den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz gestellt hatte?

Die Äußerungen von Maaßen zu Chemnitz wurden breit kommentiert: Amtsmissbrauch? Mag sein, ist aber fraglich, wenn Innenminister Seehofer Zustimmung „signalisiert“ hatte … Stillos oder Dummheit sind andere Varianten der Kritik. Vereinzelt wurde Maaßen zugestimmt, aus Sicherheitskreisen und dem Geheimdienstmilieu. Auch der CDU-Ministerpräsident Sachsens, Michael Kretschmer, hatte wie Maaßen „Hetzjagden“ auf vermeintliche Migranten bestritten.

Ein Grund für die SPD-Kopfjagd auf Maaßen?

Nach großem Backenblasen war die SPD wieder einmal gescheitert beim Versuch, Thilo Sarrazin wegen eigener Meinung zur Migrationspolitik und unpassender Analysen zum Islam aus der „Partei des freiheitlichen Sozialismus“, SPD genannt, zu werfen. Recht krachend gescheitert, nachdem der bundesweit populäre SPD-Genosse Heinz Buschkowsky, der sich mit Parallelgesellschaften bestens auskennt, das beanstandete Buch von Sarrazin öffentlich vorgestellt und positiv bewertet hatte.

Vor allem SPD-Linke waren auf Sarrazin losgegangen. Ralf Stegner natürlich. Und ein Student, Vorsitzender der Jungsozialisten, von dem ein Satiriker sagt, „wer Parteifreunde wie Kevin Kühnert hat, braucht keine Wähler mehr: Die Zukunft der Partei soll ein kindischer Netztroll sein, der seinen Mob auf Abweichler hetzt.“ *1)

Brauchen die SPD-Kopfjäger — Kühnert, Stegner, Nahles usw. — nun wenigstens den Kopf von Maaßen, wenn es schon beim Rauswurf von Sarrazin nicht klappen will?

Ein weiterer Grund für die Kopfjagd auf Maaßen.

Mindestens das Drittel der SPD-Mitglieder, das gegen die GroKo 3 stimmte, und ein deutlich größerer Anteil der SPD-Funktionäre streben eine ROT-ROT-GRÜNE-Koalition an.

Ein in der öffentlichen Wahrnehmung großes Hindernis für diesen Plan ist jedoch die Maaßen geschuldete Tatsache, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz im Jahresbericht 2017 „offen extremistische Strukturen in der Partei DIE LINKE“ benennt:

„Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE“ (KPF), „Sozialistische Linke“ (SL), „Arbeitsgemeinschaft Cuba Sí“ (AG Cuba Sí), „Antikapitalistische Linke“ (AKL), „Marxistisches Forum“ (MF), „Geraer/Sozialistischer Dialog“ (GSoD), „marx21″. *2)

Man mag sich ausmalen, wie diese Truppe von Extremisten in der Partei DIE LINKE und eine mit Zitaten aus ihren „Programmen“ gewürzte Information auf die Wählerinnen und Wähler wirkt, wenn die SPD-Linken ihre ROT-ROT-GRÜN-Phantasie verkünden.

Aber auch im Umfeld extrem linker GRÜNER, militanter „Tierschutz- und Umwelt-Aktivisten“ wie z. B. bei der Kampagne „Ende Gelände“ gegen den Braunkohleabbau, ist der Verfassungsschutz tätig (*2), S. 124 ff.)

Zum rechtsextremistischen Parteienspektrum zählt der Maaßen-Bericht die NPD, die RECHTE und den III. WEG. Aber nicht die AfD. Die taucht im Bericht vor allem als Opfer, als Ziel linksextremistischer Angriffe und Anschläge auf (*2), S. 123 ff.). Wird Maaßen deshalb zu Recht Nähe zur AfD unterstellt?

Deshalb die Kopfjagd auf Maaßen? Insgesamt mag schon einiges gegen diesen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz sprechen: bei einer Kampagne bleibt ja immer etwas hängen.

Um die Zuständigkeit für die Personalie Maaßen festzustellen, greift der noch immer auf eine stabile GroKo 3-Regierung hoffende Sozialdemokrat zum Koalitionsvertrag 2018, Abschnitt XIV, Arbeitsweise der Regierung und Fraktionen. 2. Kooperation der Parteien. Und liest: „Für Personalfragen nachgeordneter Behörden gilt das Ressortprinzip.“

Damit ist glasklar: Maaßen, Präsident der dem Bundesministerium des Innern nachgeordneten Behörde für den Verfassungsschutz, ist nach dem Ressortprinzip allein vom Bundesminister des Innern, Horst Seehofer, dienstlich zu beurteilen, zu unterstützen oder zu entlassen. Seehofer, Vorsitzender der CSU, ist damit auch verantwortlich für Maaßens dienstliches Gebaren.

Wieso fordert die SPD allen Ernstes — in Kenntnis der Koalitionsvereinbarung — von Bundeskanzlerin Merkel, die nach Koalitionsvertrag 2018 gar nicht zuständig ist, Maaßen zu entlassen? Gegen das ausdrücklich in der Koalitionsvereinbarung verankerte Ressortprinzip, das für Personalfragen nachgeordneter Behörden anzuwenden sei. Gegen die ausdrückliche Positionierung des zuständigen Ressortchefs Seehofer. Man merkt die Absicht und … na ja, Wahl in Bayern, 14. Oktober 2018, SPD bei 11 bis 12 Prozent Zustimmung.

Will die SPD es wegen Maaßen auf den Koalitionsbruch ankommen lassen? Dann möge sie doch der oben zitierten Erkenntnis folgen, „wer Parteifreunde wie Kevin Kühnert hat, braucht keine Wähler mehr“. Und Kevins Forderung nachkommend, die GroKo 3 verlassen. Und damit der CDU/CSU Gelegenheit zu Neuwahlen geben. Und die Sozialdemokratie nach 155 Jahren auf 15,5 Prozent der Wählerstimmen bringen, falls es nicht schlimmer kommt.

Denn für Kopfjäger zählen bekanntlich nicht Wähler, sondern nur die Trophäen …

*1) BUSCHKOWSKY UND SARRAZIN. Die tödliche Kevin-Dosis für die SPD. Von Don Alphonso. 31.08.2018; welt.de.

*2) https://www.verfassungsschutz.de/embed/vsbericht-2017.pdf, S. 154 ff.