Politische Parteien: Teil der Zivilgesellschaft.

Heute behandelten der Publizist Dr. Michel Friedman und der ehemalige EKD-Vorsitzende Bischof Wolfgang Huber in einem TV-Gespräch unter anderem das Thema Religion und Politik. Wer kennt unsere Demokratie besser – der Jurist oder der Theologe?

Diese Frage schien beantwortet, als Professor Huber der Behauptung Dr. Friedmans widersprach, die politischen Parteien und der Staat seien gleichzusetzen und klarstellte: „Die Parteien sind nicht der Staat.“ Herr Friedman erweckte den Eindruck, diesen Satz nicht gelten zu lassen. Und die Frage blieb für viele Zuschauer, die solche Gespräche für ihre Urteilsbildung nutzen, offen. Das schmälert den Wert der temperamentvollen und scharfsinnigen Dialoge, die Michel Friedman führt, gar nicht. Bei seinem knappen Zeitbudget und dem Tempo des Austausches, das er vorlegt, bleibt manches Denkanstoß, und darum geht es ja auch.

Die Frage des Verhältnisses von Parteien und Staat ist jedoch für das Verständnis der Bürger von unserer Demokratie fundamental. Denn die Behauptung, die Parteien seien der Staat, wird gern weitergesponnen zum Vorwurf, dass sie den Staat für ihre Zwecke missbrauchen. Trotz der nicht unbeträchtlichen öffentlichen Förderung der Parteien und der ihnen verbundenen politischen Stiftungen! Solche Verdrehungen können Politikverdrossenheit und Distanz zum politischen Geschehen nähren.

Das Staatslexikon stellt dazu fest: Die politischen Parteien „… gehören auch nach dem GG (Grundgesetz, RS) nicht zu den obersten Staatsorganen, sondern bleiben ´frei gebildete, im gesellschaftlichen Bereich wurzelnde Gruppen`… Sie sind unentbehrlich, um den Staatsorganen die Meinungen und den Willen des Volkes zu vermitteln, damit diese die empfangenen Impulse im förmlichen Prozess der Staatswillensbildung, vor allem in der Gesetzgebung, umsetzen können. Zwischen P. (Parteien, RS) und Staat besteht eine intensive und rechtlich abgesicherte Wechselbeziehung, aber keine Identität. Damit sich die durch die P. vermittelte Willensbildung des Volkes in einem offenen Prozeß vollziehen kann, dürfen sie nicht in die organisierte Staatlichkeit einbezogen werden. Sie müssen bei ihrer Tätigkeit vom Staat unabhängig bleiben.“ (Bd. 4, 7. Auflage, Herder, Freiburg 1995, S. 480 f.)

Auch der gewählte Abgeordnete soll sich nach unserem Grundgesetz „… nicht als Vertreter seiner Partei fühlen … Abgeordnete sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“ (Model/Creifelds/Lichtenberger, Staatsbürger-Taschenbuch, 26. Auflage, Beck, München 1992, S. 89).

Deshalb: Herr Professor Huber hat Recht. Die Parteien sind nicht der Staat. Sie sind – ungeachtet ihrer Rechtsbeziehungen zum Staat – vor allem Teil der Bürger- oder „Zivil“-gesellschaft. Ebenso wie andere Organisationen, z.B. Kegelclubs, Gewerkschaften, Künstler- oder Umweltverbände!

Der Begriff Zivilgesellschaft umfasst in diesem Zusammenhang „… die vielfältigen Gruppen, Organisationen, Initiativen, Vereine, Verbände oder Beziehungsnetzwerke, in denen sich Bürger freiwillig zusammenfinden, um nicht nur Anliegen wie Familie, Glauben, Interessen oder Weltanschauungen zu verfolgen, sondern auch aus dem reinen Selbstzweck der Geselligkeit.“ Diese Definition verwendet der angesehene amerikanische Gesellschafts- und Politikwissenschaftler Michael Walzer (vgl. Transatlantischer Dialog, Website, S. 84).

Wie ich gestern von einem alten Freund hörte, dominiere der von Walzer letztgenannte Zweck die Treffen mancher Ortsvereine politischer Parteien. Aber ich kann das nicht beurteilen, weil ich in mehr als 50-jähriger Parteimitgliedschaft nur zwei solcher Treffen besuchte und jedes Mal feststellen musste, dass ich leider für diese spezielle Form politischer Arbeit nicht wirklich geeignet bin.

Geselligkeit ist aber grundsätzlich eine schöne Sache, auch für Parteien. Und deshalb forderte Sigmar Gabriel die SPD-Mitglieder in einer seiner eindrucksvollen Reden vehement auf: „Geht dahin, wo das Leben ist, wo es brodelt, wo es stinkt!“ Hätte Herr Friedman da zugehört, wäre dem Juristen die öffentliche Korrektur durch den Theologen Professor Huber erspart geblieben.

Schnitt an dieser Stelle und mehr als zwei Jahrzehnte zurück: Wie oft haben sich viele mokiert, dass in der Wende und der deutsch-europäischen Vereinigung Theologen bis hin zu Papst Johannes Paul II führende, wenn nicht entscheidende Rollen spielten. Theologen haben jedenfalls von Christus gelernt, Gott zu geben, was Gottes ist, und dem Kaiser, was des Kaisers ist. An dieses Jesus-Wort hatte Professor Wolfgang Huber erinnert. Am Ende kennen sich Theologen in beiden Welten gut aus. Die kommu