Qualität öffentlich-rechtlicher Politikinformation.

Aus der Sicht des politisch interessierten Bürgers gibt nur einen Grund für öffentlichen Rundfunk, der für die Demokratie von überragender Bedeutung ist: die Vermeidung von Missbrauch politischer Information durch mächtige Private, durch Verbände, durch politische Macht.

Wie steht es mit der Qualität politischer Information bei den öffentlich-rechtlichen Sendern? Insgesamt kann der Bürger zufrieden sein. Der Deutschlandfunk setzt exzellente Moderatoren ein, deren Interviews mit Führungspersonal aus Politik und Gesellschaft uns frühmorgens beispielhaft informieren.

ARD und ZDF haben mit PHOENIX einen TV-Kanal geschaffen, der die politische Informationssparte bedient: „PHOENIX dient der politischen Meinungs- und Willensbildung der Bürgerinnen und Bürger, es sollen Hintergründe erhellt und Zusammenhänge dargestellt werden. Damit soll der Spartenkanal den demokratischen Parlamentarismus und die europäische Integration fördern. Dem Programmauftrag von ARD und ZDF entsprechend, ist PHOENIX überparteilich und inhaltlich ausgewogen.“ (Programmgrundsätze).

Lasst den Bürger wenigstens einmal im Jahr „grundsätzlich“ seine Meinung zu den u.a. von Phönix gebotenen Informationen über die politischen Ereignisse des Tages sagen. Keiner der Moderatoren soll kritisiert werden. Für stets sorgfältig vorbereiteten Inhalt und präzise Gesprächsführung möchte ich nur einen Moderator hervorheben: Herrn Hans-Ulrich Stelter.

Leicht resigniert bleibt dann aber für das öffentlich-rechtliche TV nur der Satz: Wo Licht, ist auch Schatten. Oder grauer Alltag. Etwas traurig, denn gerade, wenn das TV-Bild hinzukommt, kann der Bürger sich leichter ein Urteil bilden, wie glaubwürdig und sachlich kompetent das Führungspersonal aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft seine Positionen vertritt.

Deshalb sei ein Blick über die Grenzen erlaubt: Seht Euch doch mal ZIB/ORF in Österreich an. Die Moderatoren Frau Lou Lorenz-Dittlbacher, Frau Marie-Claire Zimmermann und Herr Armin Wolf bieten derart fundierte und konsequent zum Kern der Probleme und Kontroversen vordringende Gesprächsführung mit den Hochrangigen, dass ich nur mit Notizblock diesem Können folge. Da werden ganz hohe Maßstäbe journalistischer Qualität gesetzt und vorgelebt.

Warum ist solches Niveau in Deutschland nicht zu sehen? Ist es karrieregeleitete Rücksicht der TV-Mitarbeiter auf die mächtigen Vertreter der „gesellschaftlich relevanten Gruppen wie politische Parteien, Gewerkschaften, Sozialverbände, Kirchen usw.“ in den Aufsichtsgremien (s. wikipedia)? Nun wäre die Frage berechtigt, wie man auf diese Idee kommen kann? Langjährige Berufserfahrung kann helfen.

Zur Illustration nur ein Beispiel: Am 11.12.2011 führte der ausgezeichnete Moderator Gerhard Schröder (Name vielleicht herbe Belastung für den Gesprächspartner) im DLF ein Interview mit DGB-Chef Michael Sommer. Eine beträchtliche Sympathie für die unerschütterliche Bereitschaft zu Diskussion und Polemik des DGB-Vorsitzenden möchte ich nicht verhehlen.

Herr Schröder schaffte es, im Verlauf des Interviews Herrn Sommer zu zwei Aussagen zu veranlassen.

Aussage 1: Angesichts häufig beschworener Rezession stellt Herr Sommer fest, „Jetzt, in dieser Situation, ist Sparen allein und Kaputtsparen eine Katastrophe … ( Frage Schröder: Geld einsetzen, wofür?) Ja, zum Beispiel für öffentliche Konjunkturprogramme“ (M. Sommer).

Aussage 2: Bei drohender Krise und Rezession werde, fragt Herr Schröder, „2012 also ein mageres Jahr, was die ..Tarifrunden anbetrifft?“ Wenn es um die Löhne geht, muss selbst Herr Sommer sich vorsichtig äußern. Da könnten ihn die mächtigen Chefs der Einzelgewerkschaften zurückpfeifen, wie bei der großherzigen Berufung in den SPD-Parteivorstand durch Sigmar Gabriel. Herr Sommer sagt also: „Nun warten wir erst einmal ab, wie die wirtschaftliche Situation ist…Noch ist die deutsche Wirtschaft stabil. Der deutsche Außenhandel ist stabil.“

Auch im schwierigen Amt an der Spitze des DGB lebt der Mensch mit seinem Widerspruch. Aber solche Interviews helfen dem Bürger, politische Einschätzungen zu gewinnen.

Da nimmt man auch nicht übel, dass Herr Sommer in besagtem Interview schon mal den mächtigen Bonzen durchschimmern lässt: „Vielleicht wollen Sie es nicht verstehen oder Sie können es nicht verstehen. Ich wiederhole es gern noch einmal.“ Das würde sich jedenfalls bei ZIB/ORF kein hochrangiger Gesprächspartner von Frau Lorenz-Dittlbacher, Frau Zimmermann oder Herrn Wolf erlauben.

Im Qualitätskanal DLF können wir uns auf den Mut der Moderatoren verlassen. Im Massengeschäft des TV braucht man wohl „sensiblere, geschmeidigere“ Leute. So wird ein Bürger zum Dauerkunden bei ORF-ZIB. Denn es wird in Deutschlands Öffentlich-Rechtlichen wohl nicht mal versucht werden, solchen Maßstäben journalistisch-kämpferischer Qualität zu folgen.