Schlupflöcher

und Lücken im Syriza-Paket der Reformzusagen, von Syriza falsch berechnete Finanzierung für mittelfristige Ausgaben (mindestens € 20 Mrd. zu wenig), und das alles für Solidar-Kredit zu Freundschaftszins und maßvoll gestreckter Tilgung. Nacharbeit für Syriza-Planungsmängel durch 18 Finanzminister der Eurozone scheint Daueraufgabe zu werden.

Kredit, erst recht der neue mittelfristige Solidar-Kredit in Höhe von rd. € 80 Mrd. an Griechenland, setzt das „Credere“, das Vertrauen in korrekte Finanzplanung und Reform-Gegenleistung voraus. Und schon hören wir von voreiligen Nicht-Zuständigen, Nicht-Kompetenten „credimos“, „wir vertrauen“.

Und nicht nur das. Wir lesen seitens bekannter Syriza-Sympathisanten von „grünem Licht“, von notwendigen „schnellen, nachhaltigen“ Entscheidungen, auch dass „Griechenland schneller Zugang zu den € 35 Mrd. Investitionsgeldern“ einzuräumen sei. *1)

Solidar-Kredit und „Investitionsgelder“ von mehr als € 100 Mrd. „schnell“ in eine Regierung und Verwaltung pumpen, die erfahrungsgemäß solchen Mittelzufluss gar nicht zielführend und wirtschaftlich investieren kann?

Für eine Regierung, die mit einer 61 % siegreichen „Nein-OXI“-Kampagne ein „Mandat“ gegen Reformen, gegen Solidar-Kredit-„Konditionen“ vor sich her trägt? Die damit das Vertrauen der Partner-Institutionen (Internationaler Währungsfonds IWF, Europäische Zentralbank EZB, Europäische Union und Euroländer) „auf unfassbare Weise zerstört“ (Schäuble) hat?

Bundesfinanzminister Schäuble, der die Öffentlichkeit rechtzeitig auf die Mängel des Syriza-Reformpakets hingewiesen hat, ist bereits von der Mehrheit seiner europäischen Fach-Kollegen bestätigt worden. Sie alle erwarten deshalb aus Verantwortung für die öffentlichen Finanzen ihrer Länder „Garantien“, Zeitpläne für die Umsetzung der Reformen, verbindliche Reformgesetze und Kontrollmöglichkeiten.

Überdies habe Finanzminister Schäuble seine Analysen und Empfehlungen zu den Syriza-Vorschlägen mit Bundeskanzlerin Merkel und Vizekanzler Gabriel abgestimmt. Unfassbar erscheint daher, wie der hochrangige SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider, MdB, sich in den aktuellen Verhandlungsprozess einschaltet, offenbar um die Position des Bundesfinanzministers Schäuble zu untergraben.

Auf Twitter gibt Carsten Schneider von sich: „Es wird eine Einigung im Euro geben. Scheinbar muss das BMF (Bundesfinanzministerium, RS) seine Rolle a. d. Seitenlinie kompensieren.“ *2)

Dies hinterlässt einen ganz negativen Eindruck von Carsten Schneider in der Öffentlichkeit, die das Geschehen in Brüssel mit Sorge verfolgt. Die nicht nur dem Bundesfinanzminister und der Bundesregierung vertraut. Sondern auch der Pflichterfüllung, die Herr Schäuble gegenüber dem Grundgesetz (Art. 112) und der darauf fußenden Bundeshaushaltsordnung (§ 38 Absatz 1 Satz 2 BHO) beweist. *3)

Danach können „überplanmäßige und außerplanmäßige“ Ausgaben und auch solche — z.B. im Zuge der Syriza-Verhandlungen geforderten — Verpflichtungsermächtigungen nicht ohne Zustimmung des Bundesfinanzministers erfolgen. Mag sein, dass die Bürger diese Rechtsgrundlagen einer finanzpolitisch besonders starken Position des Bundesfinanzministers nicht sicher beurteilen können.

Gleichwohl zeigen die Gesetzestexte, dass es in dem derzeitigen Verhandlungsprozess mit der Syriza-Regierung völlig abwegig erscheint, dem Bundesfinanzminister eine „Rolle an der Seitenlinie“ zuzuweisen. Und Schäuble obendrein ein Bedürfnis zu unterstellen, diese angeblich reduzierte Rolle zu „kompensieren“, ist eine ganz besondere Schäbigkeit, mit der Carsten Schneider, SPD-MdB, sich selbst öffentlich diskreditiert.

Wichtiger noch als Vertrauen in die Rechtslage, die Bürgern sicher nicht leicht zugänglich, ist das Vertrauen, das Bundesfinanzminister Schäuble als Hüter unserer staatlichen Finanzen genießt.

Deshalb ist es nicht nur „interessant“, sondern politisch klug, öffentlich die Überlegung zu verbreiten, „dass Kanzlerin Angela Merkel ihren Finanzminister angeblich mitnehmen wird zu den Treffen der EU-Regierungschefs an diesem Sonntag.“ *4)

Der maßgebliche Vertreter der Bundesregierung in den finanz- und wirtschaftspolitischen Verhandlungen über solidarische Hilfen für und reformpolitische Gegenleistungen von Griechenland, Bundesfinanzminister Schäuble, verdient dieses öffentlich bekundete Vertrauen durch die Bundesregierung.

Der heutige Euro- und EU-Gipfel in Brüssel sollte ein glaubwürdiges, faires Abkommen anstreben, das für Griechenland wirtschaftliches Wachstum, sozialen Ausgleich, Finanzstabilität und Reformen in Staat und öffentlicher Verwaltung überprüfbar einleitet.

Darauf hoffen europäisch denkende Bürger an diesem Sonntag.

*1) A Workable Reform Programme For Greece, by Gustav Horn and Gesine Schwan on 11 July 2015; http://www.socialeurope.eu/2015/07/workable-reform-programme-greece/. (Übersetzung, RS).

*2) Carsten Schneider, verifizierter Account, nach FAZ-Wirtschaft, https://twitter.com/schneidercar/status/619911402774503424; am 11.07.2015.

*3)http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Oeffentliche_Finanzen/Bundeshaushalt/Haushaltsrecht_und_Haushaltssystematik/das-system-der-oeffentlichen-haushalte-anl.pdf?_).

*4) Eurofinanzminister-Treffen. Schäuble bringt „Grexit“ auf Zeit ins Gespräch. Die neuen Vorschläge aus Griechenland reichen dem Bundesfinanzministerium nicht. Das Ressort von Wolfgang Schäuble macht zwei dramatische Vorschläge. Kann er sich durchsetzen? Und fordert er damit die Bundeskanzlerin heraus? 11.07.2015; faz.net.