Schwarz-Rot-Gold.

„Diese drei Farben spiegeln das Streben der Deutschen nach Einheit und Freiheit und die bewegte Geschichte unseres Landes“, sagte uns Bundesratspräsidentin Malu Dreyer als Gastgeberin des Festaktes zum Tag der Deutschen Einheit an diesem 3. Oktober 2017. Über diesen Satz sollten die Deutschen einmal radikal nachdenken.

„Zu­sam­men sind wir Deutsch­land!“ Gerade dieses Wort der Sozialdemokratin Malu Dreyer fordert zum Nachdenken über unser vereintes Land heraus.

Wie steht es denn um das „Zusammen“, das „Wir“ in Deutschland?

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte in seiner Festrede zum Tag der Deutschen Einheit: „Ja, die große Mauer quer durch unser Land ist weg. Aber am 24. September wurde deutlich: Es sind andere Mauern entstanden (…) die unserem gemeinsamen ´Wir` im Wege stehen.“ *2)

Steinmeier zielte mit diesem Satz auf ein weltweit diskutiertes Ergebnis der Bundestagswahl vom 24. September 2017: Die rechtsextreme AfD wurde im Osten Deutschlands (ehemalige DDR) mit 21.9 Prozent zur zweitstärksten Partei, im Bundesland Sachsen mit 27 Prozent sogar die stärkste politische Kraft. In Westdeutschland erreichte die AfD 10.7 Prozent.

Wie kann diese Differenz in der Wirkung von AfD-„Parolen der Empörung“ (Steinmeier) zwischen West und Ost erklärt werden?

Seit Jahren ist durch Umfragen belegt, dass die Bilanz der Deutschen Einheit in Ost- und Westdeutschland sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. *3)

  • 2014 teilte im Osten jeder Zweite die Einschätzung (2010: 55 Prozent), dass Ost und West nicht zusammengewachsen sind, sondern dass die Unterschiede „noch relativ groß“ sind. Im Westen meinte dies mit 32 Prozent der Befragten nur etwa jeder Dritte (2010: 38).
  • „Immens fallen die Unterschiede zwischen Ost und West beim Rückblick auf die DDR aus. Mehr als die Hälfte der Ostdeutschen attestieren ihrem 1990 aufgelösten Staat überwiegend positive Seiten, während nur 28 Prozent der Westdeutschen dies tun.“

Am heutigen Tag der Deutschen Einheit zitierte die BILD-Zeitung aus einer von ihr in Auftrag gegebenen repräsentativen INSA-Umfrage. Die Frage „Wie denken die Deutschen 28 Jahre nach dem Fall der Mauer über die Wiedervereinigung?“ ergab die folgenden Resultate: *4)

  • Fast zwei Drittel der Deutschen (64,6 %) haben das Gefühl, dass in den Köpfen der Bundesbürger noch immer eine Mauer besteht.
  • Nur knapp jeder Vierte (22,9%) ist anderer Meinung.
  • Diese unsichtbare Trennmauer empfinden Ostdeutsche (74 %) sehr viel stärker als Westdeutsche (62,3%).

Ein Ergebnis der bpb-Umfragen weist auf eine „unverändert große Gruppe von Menschen“ in West- wie in Ostdeutschland mit einem „pessimistischen“ Urteil über die Zukunft des Zusammenwachsens: „2010 wie 2014 waren 18 Prozent der Ostdeutschen und 12 Prozent der Westdeutschen der Meinung, dass es ´auch in 50 Jahren noch gravierende Unterschiede geben` werde.“ *3)

Auf die Frage „Wie steht es denn um das „Zusammen“, das „Wir“ in Deutschland?“ legen solche Stimmungsbilder zur Deutschen Einheit eine eher pessimistische Antwort nahe.

Die zitierten Umfragen und Stimmungsbilder belegen Zweifel am „Zu­sam­men sind wir Deutsch­land!“ (Malu Dreyer), zumindest was das festliche Empfinden am Tag der Deutschen Einheit in Ost und West betrifft.

Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz mag auf solche Differenz anspielen. Schulz hatte im Tag der Deutschen Einheit Anlass gesehen, „Respekt“ für die „Lebensleistung der Ostdeutschen“ zu fordern. *5)

Schwarz-Rot-Gold „steht für Freiheit, Demokratie und Zusammenhalt … das sind die Farben unseres Festes!“ Lange mag der Bürger über diese Worte Malu Dreyers nachdenken. Und über „Respekt“ für die ostdeutschen Menschen, den Martin Schulz einfordert.

Und dann könnte er zu einem Ergebnis und einem Vorschlag an die deutsche Politik kommen:

Den Menschen in Ostdeutschland habt ihr 1990 „Hammer, Zirkel und Ährenkranz“ als Staatssymbol genommen. Bis zum 1. Oktober 1959 hatte bekanntlich die DDR wie die Bundesrepublik die schwarz-rot-goldene National-Flagge der Weimarer Republik.

An diese Gemeinsamkeit könnte angeknüpft und den Ostdeutschen ein Zeichen des Ausgleichs und Respekts erwiesen werden: Entfernt den „Adler“ restlos als Symbol des deutschen Staates. Vom Plenarsaal des Bundestages, von der Bundesdienstflagge bis hin zu den Kasernen.

Wie Malu Dreyer feststellt: Schwarz-Rot-Gold „steht für Freiheit, Demokratie und Zusammenhalt … das „sind die Farben unseres Festes!“ Schwarz-Rot-Gold — nicht der Adler — steht für „das Streben der Deutschen nach Einheit und Freiheit und die bewegte Geschichte unseres Landes“. *1)

Der Adler steht für zuviel Krieg in unserer Geschichte. Das demokratische Deutschlandbild braucht keinen Raubvogel.

Schwarz-Rot-Gold ist das würdige Symbol unseres geeinten Landes.

*1) Rede von Bundesratspräsidentin Malu Dreyer beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit. Zu­sam­men sind wir Deutsch­land! http://www.bundesrat.de/SharedDocs/reden/DE/dreyer-2016-17/20171003-rede-dreyer-festakt-tdde.html

*2) NACH AFD-WAHLBEBEN. … „Mauern der Unversöhnlichkeit abtragen“: Frank-Walter Steinmeier nahm in seine ersten großen Rede als Bundespräsident die neue Regierung in die Pflicht. Von ALBERT LINK, 03.10.2017, bild.de.

*3) Die Stimmung zur deutschen Einheit/bpb. Wie beurteilen West- und Ostdeutsche die Deutsche Einheit? Wie bewerten sie ihre Vergangenheit in der DDR? Und wie die Zukunft im geeinten Deutschland? 26.8.2015; http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-einheit/zahlen-und-fakten-zur-deutschen-einheit/211265/die-stimmung-zur-deutschen-einheit.

*4) FEIERN ZUM TAG DER DEUTSCHEN EINHEIT. Steinmeiers große Rede zur Lage der Nation. Mehrheit hat noch immer Mauer im Kopf; 03.10.2017, bild.de

*5) Martin Schulz. ‏Verifizierter Account @MartinSchulz. „Die Lebensleistung der Ostdeutschen verdient Respekt. Und Respekt bedeutet auch verlässliche Renten und gerechte Löhne.“ https://twitter.com/martinschulz?lang=de.