Schweiz lässt „leiden“.

Die Schweiz bestätigt eine alte Erfahrung: Einen festen Wechselkurs kann kein Land im Alleingang über längere Zeit verteidigen. So musste die feste Bindung des Schweizer Franken (CHF) an den EURO (€) von 1 € = 1.20 CHF kürzlich aufgegeben werden.

Nachdem der Wechselkurs des CHF zum € den Kräften der Devisenmärkte überlassen wurde, sackte der € zeitweise auf 1 € = 0.86 CHF. Entsprechend verteuerte sich der CHF.

Schweizerische Exporteure haben es schwer, wenn der CHF gegenüber den Ländern der Eurozone, an die sie liefern, teurer wird. Das gilt vor allem für Klein- und Mittelbetriebe (KMB) wie z.B. in der Schweizer Uhrenindustrie. Konnte sich z. B. ein deutscher Kunde für 10.000 € eine Schweizer Uhr im Wert von 12.000 CHF gönnen, reichte es nach der CHF-Freigabe nur noch für eine Uhr der 8.600 CHF-Kategorie. Bitter!

Solche Schweizer Betriebe können nicht so leicht wie Großunternehmen, sagen wir wie die Nestlé S.A., ihren Exportwert in € mit dem €-Wert von Importen oder Investitionen in Deutschland ausgleichen. Dann wäre eine Verteuerung des CHF gegenüber dem € ertragsneutral, das Wechselkursrisiko vermieden.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) musste die Bindung des CHF an den € wegen dessen Schwäche durch ständig steigende €-Käufe gegen Hergabe von CHF bezahlen. Sie blähte ihre Bilanz mit schwachen € und vergrößerte die CHF-Geldmenge. Dies schwächte den CHF gegenüber der Weltwährung Dollar und gefährdete den guten Ruf des CHF als weltweit sicheres Mittel zur Bewahrung des Wertes von Kapitalanlagen in der Schweiz.

Rechtzeitig bevor die Europäische Zentralbank (EZB) mit dem Programm für den Ankauf von Staatsanleihen der Eurozone die €-Geldmenge weiter hochtrieb und den €-Außenwert weiter schwächte, stoppte die SNB die inflationäre Geldvermehrung und gab den CHF zum € frei. Die höhere Bewertung des CHF an den Devisenmärkten wird nun hingenommen. Die schweizerischen Exporteure „leiden“.

Und sogar ein US-„Hedgefonds“ soll „leiden“, soll gar pleite gegangen sein. Kein Bedauern, wenn der „leidet“. Mit dem grob irreführenden Namen bereits — Hedging bedeutet, Risiken durch absichernde Geschäfte vermeiden — sind sogenannte „Hedgefonds“ eine für Anleger gefährliche Täuschung. Denn in Wahrheit treiben sie riskante Spekulationsgeschäfte. Oft genug auf Kosten ihrer Geldgeber.

Der besagte bankrotte US-„Hedgefonds“ kalkulierte vielleicht, der durchaus hohe CHF-Festkurs zum € (1 € = 1.20 CHF) habe die schweizerische Exportwirtschaft geschwächt und die Importneigung und -abhängigkeit gesteigert. So mag er auf mittelfristig fallenden Außenwert des CHF spekuliert haben.

Vielleicht hat er in vergangenen Monaten massiv (Hunderte von Mio. sind üblich) CHF auf Termin, d.h. gegen Lieferung in z. B. drei Monaten, verkauft. Und bei diesen Devisen-Termingeschäften erwartet, dass er am künftigen Fälligkeitsdatum des Verkaufsvertrags den CHF dann zu einem aktuell billigeren Wechselkurs erwerben kann. Nun ist jedoch der CHF-Kurs gestiegen und der Spekulant kann derzeit seine Verpflichtung, den Käufern CHF zu liefern, wider Erwarten nur mit horrenden Verlusten erfüllen. Wer Währungsrisiken eingeht, kann Kalkulationsfehler schnell mit der Pleite büßen.

Hände weg deshalb von Devisenspekulation! Währungsrisiken sind kaum kalkulierbar. Und nach dieser Lehre, die uns Devisenmärkte immer wieder erteilen, stoßen wir Zeitungleser auf einen ganz ärgerlichen Sachverhalt. Die FAZ berichtet mitfühlend über eine Folge des freigegebenen, nun gegenüber dem € verteuerten CHF: „Auch deutsche Kommunen leiden.“ *1)

Wie das? Die FAZ informiert: „Vor allem in Nordrhein-Westfalen haben in den vergangenen Jahren viele Städte und Gemeinden Kredite in Franken aufgenommen, um Zinsen zu sparen. So hat die Stadt Essen etwa laut ihrem Stadtkämmerer Lars Martin Klieve Kredite in Höhe von 450 Millionen Schweizer Franken in den Büchern … Müsste der Kredit, der damals etwa 290 Millionen Euro wert war, heute zurückgezahlt werden, müsste die Stadt dafür ungefähr 450 Millionen Euro berappen.“ *1)

Nun galten die Schweiz und der Schweizer Franken schon immer als sicherer Hafen für Kapitalanleger, die vor Risiken — und auch vor Finanzämtern — Schutz suchten. Dass NRW von schweizerischen Datendieben als Hehler Informationen über Steuerflüchtlinge erwirbt, mag ja angehen. Dass ausgerechnet NRW aber gleichzeitig seinen Kommunen erlaubt, sich hochriskant in einer stets „aufwertungsverdächtigen“ Währung wie dem CHF zu verschulden, kann der Bürger kaum fassen. Zumal die „Landesmutter“ Hannelore Kraft ständig Steuersenkungen mit dem Hinweis auf die „Kommunen“ in NRW verweigert. Da hätte sie Grund genug gehabt, verlustträchtige Währungsrisiken ihrer Kommunen „vorbeugend“ zu verhindern. Sie rühmt ja auch sonst häufig ihre „vorbeugende“ (Schulden-)Politik.

NRW-Kommunen „leiden“ also unter der Wechselkurspolitik der Schweiz. Bevor „Wir in NRW“ nun alle flennen, sollten wir uns erstmal über eines klar werden. Nicht die Kommunen „leiden“, nicht deren von allen guten Geistern verlassene Kämmerer „leiden“. Es sind wir NRW-Steuerzahler, die wirklich leiden werden! Wir werden die Zeche für kommunale finanzwirtschaftliche Inkompetenz zahlen müssen. Jetzt greift zu den Taschentüchern und lasst den Tränen freien Lauf!

Übrigens erfahren wir dankenswert von der FAZ noch mehr. Die Kämmerer haben bei ihrer Kreditaufnahme in Schweizer Franken auf jede Art von Sicherung vor dem Wechselkursrisiko durch Aufwertung des CHF verzichtet. Der Essener Stadtkämmerer gebe dies auch „unumwunden“ zu: Kurssicherung vor dem Aufwertungsrisiko des CHF wurde „bewusst nicht gemacht, um den Zinsunterschied in Höhe von anfänglich 2,5 Prozentpunkten nutzen zu können“. *1) Wechselkurssicherung gibt es eben nicht kostenlos.

Was bedeutet die CHF-Verteuerung für die „leidenden“ NRW-Kommunen? Vor der Wechselkursfreigabe konnten NRW-Kämmerer — bleiben wir nur zur Illustration bei o.a. Wechselkursen — mit 1 Million Euro CHF-Schulden in Höhe von 1,2 Mio. CHF tilgen, danach reichten die 1 Million € nur für eine Schuldentilgung von 860 000 CHF. Da sprechen solche Experten von einem „schwarzen Tag für die Stadtfinanzen“ *1). Vor allem ist das ein schwarzer Tag für die NRW-Steuerzahler!

Besorgt fragen wir NRW-Bürger: Was macht eigentlich die „vorbeugende“ NRW-Kommunalaufsicht unserer Landesmutter Hannelore Kraft? Die versichert uns: Die NRW-Kommunalaufsicht „hat den gesetzlichen Auftrag, Sorge dafür zu tragen, dass die Gemeinden und Gemeindeverbände ihr im Grundgesetz verankertes Recht auf kommunale Selbstverwaltung im Einklang mit den Gesetzen ausüben. Die beiden Schwerpunkte der Kommunalaufsicht bilden die Allgemeine Kommunalaufsicht und die kommunale Finanzaufsicht.“ *2)

Da haben wir es ja. Der NRW-Bürger bleibe ruhig: „Eingehüllt in feuchte Tücher, prüft er die Gesetzesbücher … Und er kommt zu dem Ergebnis: ´Nur ein Traum war das Erlebnis. Weil`, so schließt er messerscharf, ´nicht sein kann, was nicht sein darf.`“ *3)

*1) Schweizer Währung. Auch deutsche Kommunen leiden unter Franken-Krediten; faz.net, 16.01.2015, von Daniel Mohr, Tim Kanning und Christian Geinitz.

*2) Dezernat 31. Kommunalaufsicht, Katasterwesen NRW. UNSERE AUFGABEN. (Hervorhebung RS)

*3) Christian Morgenstern. Die unmögliche Tatsache.