Solidarität — Missbrauch.

War das Verhalten der Regierungsführungen von Frankreich, Italien, Spanien und ihrer linken deutschen Sympathisanten in der Frage von Coronabonds Episode? Zweifel bleiben, ob die solidarischen Hilfspakete nachhaltig befriedet haben.

Das nahezu erpresserisch drohende Gerede über die Zukunft der EU wird Conte, Macron und Sanchez von vielen Bürgern der sparsam wirtschaftenden “Nordländer“ nicht vergessen werden.

1. Solidarität für Zusammenhalt in der EU.

Für die Stabilisierung der europäischen Staatsfinanzen in der Coronakrise (EU-Kommission, Europäische Investitionsbank (EIB), Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM)) stehen 540 Mrd. € bereit. Dazu kommt der Wiederaufbau-Fonds im Rahmen des EU-Haushaltes von rund 1200 Mrd. €. Maßgeblich haben Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und Vizekanzler/Finanzminister Olaf Scholz (SPD) dieses Ergebnis bewirkt.

Solidarität durch Erpressung, die vor allem gegen Deutschland gerichtet ist? Feine “Schicksalsgemeinschaft“ (Bundeskanzlerin Merkel) bei EU-Partnern wie Italiens Conte, Frankreichs Macron, Spaniens Sanchez …

Deutschland wird beim EU-Haushalt und auch bei den beiden Corona-Paketen von rd. 1740 Mrd. € den mit Abstand größten Anteil aufbringen müssen. Bei einem Anteil Deutschlands von mindestens 25 % an der EU-Wirtschaftsleistung (Großbritannien wird die EU verlassen) könnte der Anteil Deutschlands 435 Mrd. € an diesen Corona-Paketen ausmachen: rd. 12.5 % der jährlichen deutschen Wirtschaftsleistung und 20 % mehr als der Bundeshaushalt. Der Löwenanteil davon wird wohl als Beitrag zur Solidarität in der EU an Frankreich, Italien und Spanien überwiesen.

Dabei führen Macron, Conte und Sanchez keine armen Länder; die Pro-Kopf-Einkommen von Frankreich, Italien und Spanien entsprechen ungefähr dem EU-Durchschnitt! Diese stolzen Regierungsführer werden sich wohl verbitten, nach der Verwendung der EU-“Solidaritäts“-Beiträge befragt zu werden. Diese sollen bekanntlich gegenüber der Corona-Erkrankung das Vorbeugen und Heilen finanziell erleichtern, sowie auch durch Reformen das wirtschaftliche Wachstum wieder in Gang bringen.

Bürger und Wähler in Frankreich, Italien und Spanien dürften ihre “politische Klasse“ fragen, wo deren Solidarität mit der eigenen Bevölkerung zu sehen ist, wenn trotz hoher Staatsschulden sich die Systeme zum Schutz der Gesundheit ihrer Bevölkerung so defizitär erwiesen haben. Dann wird wohl wieder auf “Brüssel“ (= EU) oder wieder auf Berlin gezeigt und moralisch empört von fehlender Solidarität geredet — man wird sehen, ob dies die Wähler in Frankreich, Italien und Spanien ihren Politikern abnehmen.

2. Hilfe zur Selbsthilfe — das Subsidiaritätsprinzip in der EU.

Gewiss werden in Deutschland, Dänemark, Finnland, den Niederlanden, Schweden und Österreich nach dieser gewaltigen europäischen Solidarleistung nicht wenige Bürger an das Subsidiaritätsprinzip erinnern.

Die europäischen Verträge von Maastricht (1992), von Amsterdam (1997) und auch der 2009 in Kraft getretene Vertrag von Lissabon bestimmen als Legitimationsbasis der Europäischen Union das Subsidiaritätsprinzip. *1)

Weder die EU noch die Mitgliedsstaaten sollen durch Macht-, Bürokratie- und Zentralisierungsstreben die Fähigkeit der verschiedenen selbstbestimmten Entscheidungsebenen — Individuen, Unternehmen, zivilgesellschaftliche Organisationen, Gemeinden, Regionen bzw. Bundesländer im Föderalstaat — zur Selbstorganisation und Selbsthilfe aushebeln.

Das Subsidiaritätsprinzip soll die Aufgabenverteilung und Verantwortlichkeit auf den Entscheidungsebenen der EU, der Staaten, deren Regionen und Gemeinden regeln. So sichert das Subsidiaritätsprinzip in der EU und ihren Mitgliedsstaaten den solidarischen Zusammenhalt, die Eigenverantwortung, die Selbstbestimmung, das Eigentum, die sozial-marktwirtschaftliche Ordnung der Wirtschaft und damit die Demokratie.

Ist eine Entscheidungsebene in eigener Selbstbestimmung nicht imstande, die ihr obliegenden Aufgaben zu erfüllen, schließt das Subsidiaritätsprinzip planwirtschaftlichen Zentralismus aus, indem es vorschreibt, „Wege zu suchen, auf denen sich die Selbsthilfekräfte stärken lassen. Dem Subsidiaritätsprinzip eignet also eine positive, den Staat aktivierende, und eine negative, ihn abwehrende und zugleich vor Überforderung schützende Dimension. Beiden Dimensionen zugleich gerecht zu werden, ist das dauernde und häufig kontroverse Geschäft der Politik.“ *1)

Der Missbrauch der Solidarität, des europäischen Zusammenhaltes, ist also leicht erkennbar:

  • Wer mit erpresserischen europapolitischen Drohungen Solidarität einfordert,
  • zugleich Geld ohne Grenze von Dritten will,
  • Kredite und eigene Haftung für die Rückzahlung ablehnt oder mit “gesamtschuldnerischen Coronabonds“ zu unterlaufen sucht,
  • jede Frage nach “wieviel, wofür, warum“ vom Kredit- oder Zuschuss-Geber zurückweist,
  • keine eigene Verantwortung für seine Überschuldung und die Defizite elementarster Daseinsvorsorge, wie die Gesundheit seiner Bevölkerung, anerkennt —
  • da sehen wir die politischen Täter des Missbrauchs europäischer Solidarität.

Dieser Sorte von Moral- und Solidaritäts-Politikern kommt das Wort “Subsidarität“ oder “Hilfe zur Selbsthilfe“ nicht über die Lippen.

“Schicksalsgemeinschaft“ nennt Bundeskanzlerin Merkel zu Recht die Europäische Union. Verkommt die Solidarität in Europa durch Missbrauch und durch Missachtung des Subsidiaritätsprinzips, werden die Briten nicht die einzigen sein, die der EU den Rücken kehren.

*1) Subsidarität; https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/handwoerterbuch-politisches-system/202191/subsidaritaet. Hier heißt es zum Prinzip der Subsidiarität: „Die klassische Formulierung des Prinzips der Subsidiarität findet sich in Ziffer 79 der Sozialenzyklika ´Quadragesimo anno` von Papst Pius XI., die 1931 ´im vierzigsten Jahr` der ersten Sozialenzyklika ´Rerum Novarum` und vor dem Hintergrund der Expansion der totalitären Bewegungen des Kommunismus, des Faschismus und des Nationalsozialismus veröffentlicht wurde: ´Wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnetere Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen […] Jede Gesellschaftstätigkeit ist ihrem Wesen nach subsidiär, sie soll die Glieder des Sozialkörpers unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen`. Das Subsidiaritätsprinzip ist ein Strukturprinzip einer freiheitlichen und menschenwürdigen Staats- und Gesellschaftsordnung. Es verpflichtet den Staat ebenso zur Aktivität wie zur Selbstbeschränkung. Es verpflichtet ihn zur Hilfe für die kleineren und untergeordneten Gliederungen (Länder, Kreise, Kommunen, Selbstverwaltungseinrichtungen), um der einzelnen Bürger und der Familien willen, aber es verbietet ihm auch die Intervention in deren Aufgaben, wenn diese sie aus eigenen Kräften erfüllen können.“ (Hervorhebung RS).