Sorgen des Außenministers.

Zu Recht hat der Bundesminister des Auswärtigen, Frank-Walter Steinmeier, festgestellt, dass die Welt aus den Fugen geraten sei. Da ragt ein Berg schwierigster Aufgaben.

Diese Herausforderungen sehen auch wir Bürger mit Sorge:

Der globale Terror. Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Die getarnte Kriegspolitik Russlands, die Bedrohung der Ukraine und anderer Nachbarn Russlands. Die Rolle der Östlichen Partnerschaft der Europäischen Union angesichts der Aggression und Unberechenbarkeit Präsident Putins. Die Europapolitik gegenüber maßloser Frivolität der Syriza-Regierung. Die Konflikte im Nahen und Mittleren Osten. Die Mittelmeerunion und die Flüchtlingsströme aus den südlichen Anrainerstaaten des Mare Nostrum. Die Türkeipolitik der EU bei unerfüllter Bringschuld des EU-assoziierten Landes, nach nun einem Jahrhundert den Völkermord an Armeniern, pontischen Griechen, Assyrern und Aramäern (Bundespräsident Gauck) anzuerkennen.

Zielkonflikte und Uneinigkeit der EU erschweren die außenpolitischen Aufgaben zusätzlich.

Das zeigen Forderungen seitens der Parteivorsitzenden der GRÜNEN, Simone Peter, und des Mit-Vorsitzenden der GRÜNEN im Europäischen Parlament, Reinhard Bütikofer.

Beide beschuldigen die Bundesregierung, es auf ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone ankommen zu lassen. Und das für eine „Austeritätspolitik … (die) sich als ´fataler Irrweg` erwiesen“ habe. Um dies zu erkennen, brauche man „nur etwas gesunden Menschenverstand“. *1)

Diese Aussage mag nicht wenige Bürger beleidigen, mich auf jeden Fall. Denn die GRÜNEN habe ich immer hoch geschätzt, weil sie die forstwirtschaftliche Idee der Nachhaltigkeit auf die Politik übertragen haben. Dass sie nun gegen die nachhaltige Finanzierung des Staates zu Felde ziehen und dies mit “gesundem Menschenverstand“ begründen, ist kabarettreif.

Zumal die Pflicht zum Abbau übermäßiger Staatsdefizite im Europäischen Fiskalvertrag verankert ist. Und diese Pflicht anzuerkennen und zu erfüllen, ist für das Euro-Mitglied Hellas zwingend notwendig, um Notkredite und Bürgschaften aus der EU-Finanzierungsinstitution „Europäischer Stabilitätsmechanismus“ (ESM) zu erhalten.

Aber es kommt noch schlimmer. Ihre Forderung, Hellas gefälligst entgegenzukommen, verbinden Frau Peter und Herr Bütikofer mit einem Menetekel gegen die Außenpolitik der Europäischen Union: „Wenn die Europäische Union eine solche Krise im eigenen Haus nicht zu lösen vermag, wie sollte sie gegenüber den zahlreichen Krisenherden in seiner direkten Nachbarschaft, von der Ukraine über Syrien bis hin zu Libyen, noch glaubwürdig und wirkungsvoll auftreten können?“ *1)

Frau Peter und Herr Bütikofer verkennen zweierlei.

Erstens, liegt nach einer europäischen Solidarleistung von inzwischen über 300 Mrd. Euro die Pflicht zu Solidarität längst nicht mehr im Haus der EU, sondern jetzt und dringend im Haus der griechischen Regierung. Und das Ausscheiden von Hellas aus der Eurozone (Grexit) ist inzwischen eine Lösungsmöglichkeit der besagten Krise.

Zweitens, gerade der von Frau Peter und Herrn Bütikofer eingeforderte faule Kompromiss gegenüber der Dreistigkeit der Syriza-geführten Regierung würde die Glaubwürdigkeit der EU-Außenpolitik zerstören.

Und zwar dort, wo diese Glaubwürdigkeit am nötigsten ist. Bei den ärmsten Ländern und Menschen in der Dritten Welt, vor allem in Afrika. Nicht einmal der Geschäftsführenden Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Frau Christine Lagarde, die diesen Punkt gegenüber Hellas immer wieder hervorhebt, haben die beiden GRÜNEN-Chefs zugehört.

Dieses grüne Gebräu von unsinnigen Forderungen zu Lasten der Steuerzahler und von außenpolitischen Horrorwarnungen laden die beiden führenden GRÜNEN vor der Haustür Außenminister Steinmeiers ab. Ein geistiges Abdanken der Opposition auf dem bei heutigen Bedrohungslagen so wichtigen außenpolitischen Gebiet!

Bei allen Kontroversen auf einzelnen Problemfeldern ist Herrn Bundesminister Steinmeier sicher eine insgesamt überzeugende Politik gelungen, deutsche und europäische Werte mit den Interessen Europas zu verbinden.

Aber Herr Bundesminister Steinmeier hat nicht nur schwere Sorgen, bei denen wir Bürger ihn unterstützen. Steinmeier verursacht auch Sorgen, zumindest bei mir.

Diese Sorgen durch Herrn Steinmeier lassen sich sich in zwei Sachverhalten zusammenfassen:

Überpräsenz in Medien und scheinbar nachlassende außenpolitische Zielbindung.

Die stark auffallende Präsenz von Außenminister Steinmeier in den TV-Medien erscheint zunächst plausibel, könnte sie doch mit der Orientierung am Beispiel des legendären Bundesaußenministers Hans Dietrich Genscher erklärt werden.

Herr Genscher mag schon oft kopiert worden sein, doch wurde das Original nie auch nur annähernd erreicht. Das gilt leider gerade auch für Außenminister Steinmeier: Erstens, verfügt er weder über Genschers Charisma, noch dessen Eloquenz, noch dessen Beherrschung des TV-Auftritts. Zweitens, hat er nicht das politische Gewicht des Außenministers Genscher in der Koalitionsregierung; denn Steinmeier ist weder Vizekanzler noch Vorsitzender seiner Partei, der SPD.

Vor allem der erstgenannte Nachteil gegenüber Herrn Genscher fällt auf, wirken doch Steinmeiers TV-Statements zwar bemüht korrekt, dafür aber merkwürdig fade. Zur Illustration nur ein aktuelles Beispiel.

Steinmeiers Satz „Man kann das, was damals geschehen ist, in dem Begriff des Völkermords zusammenfassen wollen“, führte zur absehbar kritischen Reaktion: „Bei Völkermord hört die Abwägung auf,“ so Norbert Röttgen, MdB, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestags, im „Falle der Geschichte der Armenier von ´Völkermord` zu sprechen, sei ´nicht eine`, sondern die ´einzige` Möglichkeit.“ *2)

Im Vergleich zu den Worten, die Bundespräsident Gauck und Bundestagspräsidenten Lammert fanden, wirkt der Satz Steinmeiers nahezu peinlich. Bundestagspräsident Lammert hat die deutsche Öffentlichkeit in der Gedenkstunde des Parlaments mit klaren Worten orientiert: „Völkermord ist ein Straftatbestand im Völkerrecht für Taten mit der Absicht, ´eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören`. Das, was mitten im Ersten Weltkrieg im Osmanischen Reich stattgefunden hat, unter den Augen der Weltöffentlichkeit, war ein Völkermord. Er ist nicht der letzte im 20. Jahrhundert geblieben.“ *2a)

Direkt im zeitlichen Anschluss an diesen Vorfall war Bundesaußenminister Steinmeier durch ein SPIEGELGESPRÄCH in den Medien präsent. Diesmal fragt sich, ob Steinmeier angemessen auf die Herausforderungen und Ziele fokussiert ist, die sich Europa und Deutschland stellen. Denn dem SPIEGEL war das Gespräch mit dem Außenminister die Schlagzeile wert: „Steinmeier eröffnet Debatte um Gauck-Nachfolge“. *3)

Steinmeier übermittelt in diesem Interview der deutschen Öffentlichkeit eine „klare Vorstellung“. Der Bürger fragt sich, über welche der großen außenpolitischen Herausforderungen, die den Außenminister und uns Bürger bedrängen, Steinmeier eine klare Vorstellung entwickelt hat.

Man staune. Der Außenminister lässt sich ausgerechnet auf die Frage des SPIEGEL ein, „ob er sich vorstellen könne, Bundespräsident zu werden.“ Antwort: „Ich habe eine klare Vorstellung, und das, was ich mir wünsche, ist, dass Joachim Gauck ein zweites Mal antritt.“ *3)

Diese Aussage über das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland gehört sich nicht und steht dem Bundesaußenminister Steinmeier auch gar nicht zu. Auch nicht als öffentlich gemachter „Wunsch“. Solche Erkenntnis dürfte wohl im Auswärtigen Amt bei jedem Aspiranten für den diplomatischen Dienst vorausgesetzt werden. Das gebietet schon der Respekt vor der völkerrechtlichen Zuständigkeit des Bundespräsidenten, der gerade vom diplomatischen Dienst zu erwarten ist. *4)

In einer Zeit, in der „die Welt aus den Fugen geraten ist“ (Steinmeier): Merkwürdige Sorgen und Wünsche hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen …

*1) DTS-Meldung vom 25.04.2015, Grüne warnen vor Euro-Austritt Griechenlands. Aussagen der LINKEN zu diesen Themen werden hier nicht berücksichtigt, da bei Ihnen nur gelegentlich respektable Einzelmeinungen (z.B. Ulla Jelpke, MdB, zum Völkermord an den Armeniern) auffallen.

*2) Genozid an den Armeniern. Ein Wort für die Erinnerung. Der Bundestag hat am Freitag des Völkermords an den Armeniern gedacht. Dass es tatsächlich ein Genozid war, darüber gab es einen überparteilichen Konsens. Auch die deutlichsten Worte zu der Causa kamen aus dem Parlament. 24.04.2015, von Günter Bannas, Berlin, faz.net.

*2a) http://www.bundestag.de/dokumente/protokolle/vorlaeufig/18101/371464. 101. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2015. Beginn: 9.00 Uhr. Präsident Dr. Norbert Lammert.

*3) SPIEGELONLINE, 25. April 2015, Bundespräsident. Steinmeier eröffnet Debatte um Gauck-Nachfolge.

*4) Artikel 59, Satz (1) Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland: „ (1) Der Bundespräsident vertritt den Bund völkerrechtlich. Er schließt im Namen des Bundes die Verträge mit auswärtigen Staaten. Er beglaubigt und empfängt die Gesandten.“