SPD: Keine Schnittmenge mit Vernunft?

Im Jahr 2021 wird der 20. Deutsche Bundestag gewählt. Das beflügelt unkalkulierbare Machtphantasien für eine neue Bundesregierung. *1)

1. Machtwechsel in schwerster Krise?

Die Bürgerinnen und Bürger erleben das Jahr 2020 als eine Zeit, in der sich schwerste Krisen häufen:

  • Die schlimmste Virus-Pandemie seit über 100 Jahren
  • und die härteste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit führen zu einer
  • Stabilitätskrise in der EU und der Eurozone.
  • Zugleich gefährde beschleunigter Klimawandel die natürlichen Lebensgrundlagen.

Ausgerechnet in dieser Gleichzeitigkeit krisenhafter Entwicklungen, die auch das Wahljahr 2021 prägen werden, mutet die SPD den Menschen weitere Unsicherheit zu:

2. SPD: Erst die Partei, dann das Land.

Für die SPD, obwohl Regierungspartei, schien das letzte Quartal von 2019 unter das Motto gestellt: Erst die Partei, dann das Land.

23 Regionalkonferenzen, zwei Wahlgänge durch die SPD-Mitglieder und ein Bundesparteitag Anfang Dezember 2019 führten zu den neuen SPD-Vorsitzenden Saskia Esken/Norbert Walter-Borjans (53 %, rd.115 Tsd. Mitgliederstimmen im 2. Wahlgang). Der bei der Wählerschaft angesehene Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz und seine Mit-Kandidatin Klara Geywitz fielen als Doppelspitze durch (45 %, rd. 96 Tsd. Mitgliederstimmen im 2. Wahlgang). *2)

Dieses Resultat dürfte einer entschlossenen Führung von rd. 80 Tausend SPD-Jungsozialisten durch deren Vorsitzenden Kevin Kühnert geschuldet sein, der vehement gegen die CDU/CSU-SPD-Regierungskoalition Stimmung machte.

Die neue SPD-Führung mag dies der Wählerschaft erklären, die in Krisenzeiten politische Stabilität sucht, was sich in ungewöhnlich hoher Zustimmung zur Regierung von CDU/CSU und SPD sowie zu ihren maßgebenden Akteuren ausdrückt. *3)

Nun hat Bundeskanzlerin Merkel, die seit 2005 für Stabilität stand, angekündigt, die Politik nach Abschluss der Wahlperiode im Jahr 2021 zu verlassen. Wer die CDU/CSU als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf 2021 führen wird, ist offen und wird wohl spätestens bis Ostern 2021 entschieden. Zwei Ministerpräsidenten — entweder Armin Laschet (CDU)/NRW oder Markus Söder (CSU)/Bayern scheinen aussichtsreich.

3. Mit Olaf Scholz in ein Bündnis mit der Linkspartei.

Die derzeit dritte Große Koalition von CDU/CSU und SPD, die sich bisher als politischer Stabilitätsanker erwies, findet in der von Esken/Walter-Borjans geführten SPD anscheinend keinerlei Unterstützung mehr.

Zwar hat die SPD-Spitze bereits den für Regierungsführung aus ihren Reihen bestgeeigneten Olaf Scholz, Bundesfinanzminister und Vizekanzler, zum Kanzlerkandidaten für 2021 benannt. Das ist indes vor allem durch das sehr überschaubare Ansehen des Führungsduos Esken/Walter-Borjans in der Wählerschaft zu erklären.

Für Olaf Scholz sprechen Jahre solide geführter Finanzpolitik. Scholz wuchs eine Schlüsselrolle in der Krisenpolitik des Jahres 2020 zu.

  • Zum einen durch das Konjunktur- und Investitionsprogramm der Bundesregierung (etwa 220 Mrd. €), von dem die SPD zu Recht sagt, dass es “kurzfristige konjunkturelle Impulse mit längerfristigen Zukunftsinvestitionen kombiniert und in der Geschichte unseres Landes beispiellos ist.“ *4)
  • Weiterhin durch das Ergebnis beim EU-Gipfel-Treffen vom 17. bis 21. Juli 2020: 750 Mrd. € Corona-Hilfspaket und der mehrjährige EU-Haushaltsrahmen von 2021 bis 2027 von 1074 Mrd. €. Sicher hat Olaf Scholz als deutscher Bundesfinanzminister und Vizekanzler maßgeblich an dem hart umkämpften Kompromiss mitgewirkt, den die 27 Staats- oder Regierungschefs der EU erreichten.

Dennoch muss Olaf Scholz nunmehr mit konservativ-liberaler Kritik bis zum Wahltag 2021 rechnen:

  • Seine politischen Gegner erinnern immer wieder an die völlig desorientierte Vorhersage zum G20-Gipfel am 7. und 8. Juli 2017, die der damalige Erste Bürgermeister Hamburgs Olaf Scholz traf: “Wie Hafengeburtstag“. Linke Extremisten straften seine Prognose Lügen durch wüste Ausschreitungen, bei denen sich die Polizei weitgehend machtlos erwies.
  • Scholz scheinbare Anbiederung bei der politischen Linken stößt auf Ablehnung auch bei Fachleuten: Seit Jahren fordert er einen Mindestlohn von 12 €. Ohne Rücksicht auf die seit 2015 aus Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften bestehende Mindestlohnkommission der Bundesregierung, die im Januar 2020 für Deutschland den neuen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn mit € 9,35 brutto je Zeitstunde festsetzte.
  • Der angesehene haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Eckhardt Rehberg (CDU), kritisiert Scholz` Äußerungen in der Presse, wo Scholz weiteres Aussetzen der Schuldenbremse ankündige und den europäischen Wiederaufbaufonds als einen Fortschritt preise, „der sich nicht mehr zurückdrehen lässt“ (Scholz). Demgegenüber betont Rehberg die bisherige Rechtsposition der Bundesregierung: „Das ganze Konstrukt des Wiederaufbaufonds und auch das Aussetzen der Schuldenbremse im Grundgesetz basieren auf einer Ausnahmesituation und müssen temporär begrenzt werden“. *5) Obwohl das Aussetzen der Schuldenbremse auch in 2021 wirtschaftspolitisch noch vertretbar erscheint, könnten diese Vorwürfe an den Finanzpolitiker Scholz dessen Ansehen gefährden, da die Sorge vor einer EU als “Schulden- und Transferzahlungsunion“ auf Kosten Deutschlands sehr verbreitet ist. Das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz, das einen wertstabilen Euro und Schutz vor Schuldenpolitik einzelner Partnerländer durch Haftungsausschluss (“Nichtbeistandsklausel“) zusicherte, wird von den Euro-Südländern unter Führung Frankreichs zunehmend infrage gestellt. Olaf Scholz scheint sich mit Blick auf die LINKEN dieser Position anzuschließen.

Die SPD-Vorsitzenden, Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken, haben sich auf eine rot-rot-grüne Option auf Regierungsmacht festgelegt. Damit wird dem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz zugemutet, sein Renommee in der Wählermitte für den Linkskurs der SPD einzusetzen.

4. Harte Bedingungen an Kanzlerkandidat Olaf Scholz.

Zwar ließ Scholz in der Presse verbreiten, er stelle “harte Bedingungen für eine Koalition mit der Linkspartei im Bund.“ *6) Seine vier äußerst vage formulierten  “Bedingungen“ dürften jedoch von den nach Regierungsmacht strebenden LINKEN kaum als “hart“ empfunden werden: „Erstens: Deutschland muss eine starke Wirtschaftsnation sein mit vielen zukunftsfähigen Arbeitsplätzen. Zweitens müsse man mit dem Geld vernünftig umgehen. Drittens: Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Sicherheit gewährleistet bleibt — auch in der NATO. Außerdem müsse man dafür sorgen, dass Europa vorankomme.“ *6) Welcher LINKE unterschreibt solche Allgemeinplätze nicht, wenn die Regierungsmacht winkt?

Somit zeichnet sich das rot-rote Bündnis SPD-Die LINKE bereits ab. “Harte Bedingungen“ jedoch werden vom neuen SPD-Führungs-Duo nicht der LINKS-Partei, sondern dem SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz gestellt:

  • Die SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken haben die Zielvorgabe für ihren Kanzlerkandidaten Olaf Scholz deutlich erhöht „Wir wollen stärkste Kraft im Bundestag werden.“ *7) Wer Umfragen verfolgt, sieht derzeit allerdings die CDU/CSU bei 37 % und die SPD bei 16%. *8)
  • Und die voraussichtlich neue SPD/Juso-Vorsitzende und profilierte Kritikerin von Olaf Scholz, NRW-Juso-Chefin Jessica Rosenthal, verspricht gönnerhaft: „Wir geben Olaf Scholz eine ernst gemeinte Chance“. *9) Für eine neue Richtung der SPD. Stichworte: Abschaffung von Hartz IV, eine Vermögenssteuer, hohe staatliche Zukunftsinvestitionen, Linkskurs. Zur Frage “Warum hat die SPD keinen profilierten linken Kandidaten für die Bundestagswahl gefunden?“ weist Jessica Rosenthal Olaf Scholz die Rolle des nützlichen Stimmenfängers als “ernst gemeinte Chance“ für den “Linkskurs“ zu: Man brauche einen Kandidaten, „der die besten Chancen hat, ins Kanzleramt einzuziehen. Und da sticht Olaf Scholz natürlich durch seine Regierungserfahrung und sein Krisenmanagement in der Corona-Krise heraus.“ Gleichwohl habe „die gesamte SPD sich grundsätzlich zu einer linken Machtoption bekannt“ (Rosenthal). *9)

Wird so Wählerbetrug vorbereitet? ZEIT ONLINE will es von Jessica Rosenthal wissen: Die SPD „soll im Wahlkampf linke Politik versprechen, aber einen Mann nach vorne stellen, der der politischen Mitte suggeriert: So radikal wird es schon nicht kommen? Rosenthal: Ich war nicht dabei, als Parteipräsidium und Parteivorstand diese Entscheidung getroffen haben“ … *9)

5. In Krisenzeiten rot-rot-grünes Chaos?

Keine Schnittmengen mehr mit der Union von CDU/CSU, so ließ sich gestern SPD-Generalsekretär Klingbeil im TV vernehmen.

Geben sich die Grünen für eine rot-rot-grüne “linke Machtoption“ her? Die Grünen können zwei bundesweit sehr angesehene Spitzenpolitiker vorweisen: Wilfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, und Robert Habeck, mit Annalena Baerbock gemeinsam Bundesvorsitzender der Grünen. *10)

Die Grünen werden mit der SPD im Wahlkampf 2021 in scharfem Wettbewerb stehen, welche Partei die meisten Wähler anzieht. Die Grünen haben sich vor allem mit Kretschmann und Habeck für eine sozialliberal-ökologische Position der Mitte profiliert. Warum sollten sich die Grünen selbst schwächen, indem sie einer tief gespaltenen SPD auf Kurs mit der ex-kommunistischen LINKEN folgen?

6. Fazit.

Die SPD mag sich mit Generalsekretär Klingbeil rühmen, keinerlei inhaltliche Schnittmengen mit ihrem langjährigen Koalitionspartner CDU/CSU zu teilen, trotz Koalitionsvertrag. Solche Ansagen und ihr “Linkskurs“ bringt die SPD bei der Mehrheit der Wählerschaft in den Verdacht, auch keine Schnittmenge mit politischer Vernunft zu kennen. Welcher Wähler traut solcher Partei?

Demgegenüber zeichnen sich die Grünen durch sozialliberal-ökologische Schnittmengen im Themenspektrum der politischen Mitte unseres Landes aus. Dass sie einem Bündnis von SPD und LINKS-Partei zur Regierungsmacht verhelfen werden, ist sehr unwahrscheinlich und äußerstenfalls unter einem Bundeskanzler Habeck oder Kretschmann denkbar.

Saskia Esken, SPD-Chefin, hat bereits eilfertig erklärt, dass in solchem Fall Olaf Scholz als Kanzlerkandidat fallen gelassen wird. *11) Bei dieser SPD: keine Schnittmenge mit politischer Vernunft und auch nicht mit Anstand.

*1) Über den Termin für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag werde Anfang 2021 Bundespräsident Steinmeier informieren. Infrage komme ein Sonntag oder ein gesetzlicher Feiertag zwischen Mittwoch, dem 25. August 2021, und Sonntag, dem 24. Oktober 2021; https://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahlen/2021.html

*2) Artikel Wahl zum SPD-Vorsitz 2019; https://de.wikipedia.org/wiki/Wahl_zum_SPD-Vorsitz_2019

*3) Sehr zufrieden/zufrieden: mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) 71 %, mit Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) 59 %. „Wie die Kanzlerin können auch die Kabinettsmitglieder ihre hohen Zufriedenheitswerte etwa halten oder sogar ausbauen. Die Spitzen der Berliner Opposition bleiben hierhinter erkennbar zurück … Die hohen Unterstützungswerte für die Kanzlerin und ihre wichtigsten Ressortchefs gehen weiterhin Hand in Hand mit einem großen Vertrauen in die Arbeit der Bundesregierung insgesamt.“ Siehe ARD-DeutschlandTREND Juli 2020, S. 6 f.; https://www.infratest-dimap.de/fileadmin/user_upload/DT2007_Bericht.pdf

*4) SPD-Fraktion. Post/Rohde zum Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket. Nr. 220/2020 – 02.07.2020. Arbeitsgruppe: Haushalt; aboservice@spdfraktion.de

*5) Union nennt Scholz` Schulden-Position unverantwortlich. Äußerungen des Bundesfinanzministers und SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz zur Schuldenpolitik stoßen beim Koalitionspartner auf Widerspruch. Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 23.08.2020.

*6) Politik. SPD-Kanzlerkandidat stellt harte Bedingungen für Linksbündnis. Nachrichtenagentur: Redaktion dts. 17.08.2020; https://www.wallstreet-online.de/nachricht/12839191-politik-spd-kanzlerkandidat-stellt-harte-bedingungen-linksbuendnis

*7) SPD will stärkste Kraft im Bundestag werden. Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 23.08.2020.

*8) Sonntagsfrage (bundesweit) vom 21.08.2020. Ferner: AfD 10 %; FDP 6 %; Linke 8%, Grüne 17 %, Andere 6 %; https://www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundesweit/sonntagsfrage/

*9) Jessica Rosenthal. „Wir geben Olaf Scholz eine ernst gemeinte Chance“. Jessica Rosenthal will neue Juso-Vorsitzende und die Nachfolgerin von Kevin Kühnert werden. Ein Gespräch über den Zustand der SPD und den umstrittenen Kanzlerkandidaten. Interview: Lisa Caspari, Essen. 22. August 2020; https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-08/jusos-jessica-rosenthal-olaf-scholz-kevin-kuehnert/komplettansicht

*10) Habeck amtierte von 2012 bis 2018 als Stellvertretender Ministerpräsident in Schleswig-Holstein und als Minister für u.a. Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und Digitalisierung, einmal im Kabinett Ministerpräsident Torsten Albig (SPD), seit 2017 im Kabinett Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). 2018 verließ Habeck die Regierung Günther, um mit Annalena Baerbock  gemeinsam den Bundesvorsitz der Grünen wahrzunehmen.

*11) SPD. Saskia Esken. SPD-Chefin Saskia Esken würde grünen Kanzler wählen. RND. Redaktionsnetzwerk Deutschland. 09.08.2020; https://www.rnd.de/politik/spd-chefin-saskia-esken-wurde-grunen-kanzler-wahlen-B3WPEGMQA3ZZXJK3THYP344LWQ.html