Staatsschuldenkrise – Wissenschaft und Medien, Teufelsgebräu!

Auf das Problem der Staatsschuldenkrise im Euroraum lassen sich einige Erfahrungen mit der Lösungskapazität von Politik und Politikberatung übertragen.

Erstens: Die Opposition stellt in Krisen medienwirksame Behauptungen und Forderungen auf. Diese führen oft zum angestrebten Ergebnis, den Bürger zu ängstigen. In dieser Verfassung greift er dann leichter zum Strohhalm der nicht umsetzbaren, dafür aber plakativen Forderungen der Opposition. Manche Politiker appellieren nicht eben selten an ein etwas subalternes Bedürfnis nach Führung. Die liegt aber trotz starker Worte nicht bei der Opposition, sondern bei der Regierung.

Zweitens: Probleme, die sich in Jahrzehnten aufbauten, lassen sich in der Regel nicht durch Federstrich und stramme Führung lösen. Sondern erfordern meist schwierigste Verhandlungen, im aktuellen Fall noch dazu auf europäischer Ebene. Das gilt offenkundig für die Staatsschuldenkrise im Euroraum. Hier kann Erfolg nur über nachhaltige Vertrauensbildung erreicht werden. Das bedeutet, es kommt auf mehrjährig nachgewiesene Verlässlichkeit solider Haushaltspolitik zum Teil unkalkulierbarer Regierungen an.

Welcher Kapitalmarktteilnehmer würde denn z.B. an das Versprechen einer Wende zu finanzpolitischer Solidität in Hellas glauben, wenn dies nicht durch Quartalsprüfungen der IWF/EZB/EU-Troika für mindestens ein Jahr über den nächsten Regierungswechsel hinweg bewiesen würde? Hier gilt genau, was Paul Nolte kürzlich zur Demokratie anmerkte: Politik für Finanzstabilität im Euroraum „ist Wursteln und Werkeln.“

Manche Wissenschaftler setzen sich in solcher Lage durch ihre öffentlichen Ratschläge einem Dilemma aus: 1. Das Bedürfnis nach Publizität und Einfluss in der Politik wird 2. verbunden mit dem Bedürfnis, die wissenschaftliche Reputation im Kreis der Fachkollegen nicht zu gefährden. Beides kann aber im Konflikt stehen. Und dann kann das Ergebnis eines großen öffentlichen Aufrufs so aussehen:

Erstens: Eine vom Autor etwas verdeckt formulierte „Wenn-Bedingung“: „Sicher bedarf es beim ESM noch der Optimierung. So fehlen griffige Sanktionsmechanismen, verbindliche Umschuldungsverfahren und Rückzahlungsmodalitäten. Vor allem aber müsste der Rettungsschirm ein Mehrfaches des bisherigen Volumens haben. Ja, im Grunde müsste er unbegrenzt groß sein.“

Zweitens folgt der Aufsehen erregende „Dann-Schlußsatz“: „Dann endlich könnten Bundeskanzlerin Merkel und der französische Präsident Sarkozy gemeinsam jenen Kernsatz aussprechen, der schlagartig jeglicher Spekulation auf einzelne Euro-Länder und damit auf Euroland insgesamt den Boden entzöge: ´Deutschland und Frankreich garantieren mit den anderen Euro-Ländern zusammen, dass kein Euro-Land pleitegeht.`“

So der angesehene HWWI-Direktor Professor Thomas Straubhaar am 19.07.2011 in WELT ONLINE. Herr Professor Straubhaar ist so klug, dass er annimmt, die Öffentlichkeit versteht genau, dass er einen Wenn-Dann-Bedingungssatz formuliert hat. Außerdem weiß er, dass die Öffentlichkeit und die Opposition verstehen, wie leicht seine Bedingungen zu erfüllen sind. Z.B. „griffige“ Sanktionsmechanismen, „verbindliche“ Umschuldungsverfahren und vor allem der „unbegrenzt große“ Rettungsschirm …

Und nach diesen Feinheiten und Kleingedrucktem bricht das Patentrezept aus dem Professor heraus: Der von ihm für den französischen Staatspräsidenten und die deutsche Regierungschefin vorgeschriebene „Kernsatz“, der „schlagartig jeglicher Spekulation … den Boden entzöge.“ Oben steht er, fett gedruckt.

Herr Professor Straubhaar: Denken Sie noch an die Krise des britischen Pfund Anfang der 1990er Jahre, als Kernsätze, Erklärungen von Regierungen und solidarische Hilfe europäischer Partner nichts bewirkten als den Spekulanten George Soros zum Milliardär zu machen?

Richtig, da haben Sie noch nicht das Kleingedruckte für die Märkte geschrieben.