Stil und Strategie: Betreuungsgeld.

Es ist richtig, über das sog. Betreuungsgeld politisch zu streiten.

Das ist Aufgabe politischer Parteien und politisch engagierter Bürger. Berechtigt sind auch Fragen nach Stil und Strategie der Debatte.

Das Betreuungsgeld soll bekanntlich gezahlt werden, wenn Kinder, die das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in der Familie und nicht in einer „Kita“ (Kindertagesstätte, früher Kindergarten genannt) betreut werden. Die Fragen des Für und Wider sind seit Jahren von Fachleuten zur Familienpolitik durchaus kontrovers diskutiert worden.

Mit Interesse habe ich den Informationsservice der SPD-Internetredaktion für Mitglieder konsultiert. Das hat allerdings Nachdenken ausgelöst: Weniger der Artikel von Jan Almstedt zum Thema (16.04.2012). Vor allem aber der Kommentar einer Genossin zu diesem Artikel, doch davon später. Zunächst ein kurzer Rückblick

Heinz Buschkowsky, Oberbürgermeister Berlin-Neukölln, hatte ja über das Betreuungsgeld geurteilt: „Die versaufen das.“ Aber gut, er meint die Deutschen ohne Migrationshintergrund in seinem Bezirk.

Sigmar Gabriel, bei dem man auf alles gefasst sein kann, wenn es um Wortwahl geht, hatte ausgerechnet im Deutschen Bundestag den Begriff „Herdprämie“ geprägt. Offenbar fand er ihn so gelungen, dass er ihn gleich dreimal in den Saal rief (Plenarprotokoll, Stenografischer Bericht, 17/58/15.09.2010, S. 6033 (B), 2x und S. 6038 (B)).

Man muss nicht zur Union gehören, um sich dazu eine abschließende Meinung zu bilden. Jedenfalls hat er damit in SPD-Kreisen die Tonart vorgegeben. Zum Beispiel  SPD/AfA Rheinneckar: „Herdprämie widerspricht dem Recht auf Chancengleichheit bei Frauen und Männern“ (www.spd-rn.de/19.04.2012).

Kongenial dazu Florian Pronold, MdB, SPD-Chef Bayern: „Ich gehe auch nicht auf den Stadtplatz und gebe jedem einen Euro in die Hand, der nicht in die Oper oder ins Kino geht.“ (merkur-online, 17.04.2012). Ein Großmeister des Analogie-Schlusses! Wie wäre es denn mit der Pflege-Analogie? Dort wird auch gezahlt, wenn die Eltern statt im Pflegeheim zu Hause betreut werden …

Es ist ja schon zu würdigen, dass der SPD-Ton etwas weniger rüde geworden ist. Jan Almstedt zitiert in seinem Artikel Michael Sommer mit „Abmeldebonus“, Andrea Nahles mit „Kita-Fernhalteprämie“.

Sozialministerin Manuela Schwesig will, dass alle Kinder in Kitas „geschickt werden“ (22.04.2012, nachrichten.t-online.de).  Folgerichtig wirft sie Ministerin Schröder vor, „mit ihrer Fernhalteprämie Eltern dafür (zu) bezahlen, dass sie ihre Kinder nicht in die Kita schicken“, wo die Kleinen unter Drei-Jährigen offenbar hingehören (stern.de, 19.4.2012).

Und hierher gehört jetzt auch der Kommentar einer Frau zum Almstedt-Artikel der SPD-Internetredaktion. Sie schreibt: „Dass es arbeitsmarkt- und bildungspolitisch ein Rückschritt wäre, Eltern eine Prämie dafür zu zahlen, dass sie ihre Kinder von Kitas fernhalten, bezweifelt in der Fachwelt niemand. Aber es wäre ein Gewinn für die Kinder, die ihre Mütter/Väter in den ersten Jahren als feste Bezugspersonen brauchen … Kinder sind unser höchstes Gut, also unterstützt es, dass die Eltern ihr Kind gerade in den ersten Jahren selbst erziehen können. Diese Zeit kommt nicht nochmal und es profitieren davon sowohl die Eltern als auch die Kinder. Ein wenig Menschlichkeit und Gefühl würde der SPD inzwischen nicht mehr schaden.“

Eine einsame Stimme für die Kinder im linken Beifall. Beifall für eine von der SPD geplante Kampagne mit Postkartenaktion, mit Klage beim Bundesverfassungsgericht u.ä. Aktionen gegen das Betreuungsgeld bzw. die „Herd- oder Fernhalteprämie“.

Ein flüchtiger Blick in Presse und TV etc. zeigt, woher die Zustimmung kommt, auf die die SPD zielt: Eloquent artikulierende urbane Frauen und Männer der gehobenen Mittelschicht, die alle „gute“ Arbeit haben. „Gute“ Arbeit, der man mal oder auch öfter mal fernbleiben kann, wenn irgendetwas mit Kindern oder Kita nicht klappt. Nicht gerade Arbeit bei Schlecker, wenn man der linken Propaganda gegen dieses Unternehmen Glauben schenkt.

Klientelpartei oder Volkspartei?