Strafprediger Trump.

Vor einem Jahr hatte der scheidende französische Staatspräsident François Hollande sein europapolitisches Vermächtnis formuliert. Der Staatspräsident warnte die Länder der Europäischen Union (EU) eindringlich vor den „Leitlinien“ des Präsidenten Donald Trump: „Isolationismus, Protektionismus, Abschottung“. *1)

Und François Hollande rief die EU auf, dem Präsidenten Trump „den politischen Zusammenhalt der EU zu demonstrieren, ihr wirtschaftliches Gewicht, ihre strategische Unabhängigkeit.“ *1) Wäre die EU dem Rat Hollandes gefolgt, hätten die größten marktwirtschaftlichen Handelsblöcke der Welt — die USA und die EU — die den internationalen Handel schädigende Unsicherheit vermeiden können, die heute von den „Strafzöllen“ Trumps auf Importe ausgeht.

Nachdem Trump nun ein längst erwartetes protektionistisches Programm — hohe „Strafzölle“ auf Stahl- (25 %) und Aluminium-Importe (10 %) in die USA — angekündigt hat, zeigen deutsche Medien eine beunruhigende Mischung von Großmäuligkeit oder Anbiederei.

Einerseits: „Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) droht den USA offen mit einem Handelskrieg.“ *2). Und andererseits: BDI (Industrie)-Chef Dieter Kempf könne doch als ein „guter Golfpartner für Donald Trump“ diesen über die Schäden eines Handelskrieges aufklären. *3) Wie international bekannt: Die Deutschen hat man entweder an der Gurgel (Außenminister Gabriel) oder zu Füßen (BDI Kempf).

Obendrein hat sich die Warnung des Staatspräsidenten François Hollande bestätigt: Europa verteidige nicht hinreichend seine wirtschaftlichen Interessen. Und EU-Entscheidungen seien „meist richtig — aber zu spät, immer zu spät!“ *1) Nun debattiert man in der EU, ob Trumps Zollpolitik mit Zusatz-Zöllen auf Whiskey, Jeans oder Harley-Davidson Bikes zu vergelten sei. Was für eine Komödie, wenn es nicht so gefährlich wäre!

Der große Ökonom Erich Preiser (1900-1967) hat die von amerikanisch-europäischen „Handelskriegen“ entscheidend verschärfte Weltwirtschaftskrise ab 1929 beschrieben: „Sie war so schwer und ihre soziale Folge, die langjährige Massenarbeitslosigkeit, war so bestürzend, dass“ (damit) „das ganze System der freien Marktwirtschaft in Frage gestellt“ wurde. *4) Man muss hier auch an die verheerenden politischen Folgen dieser Krise erinnern, insbesondere an die Nazi-Diktatur in unserem Land.

Preiser skizzierte die Elemente des „Handelskrieges“ nach Ausbruch der damaligen Weltwirtschaftskrise, als „Milliarden kurzfristiger Kredite in kürzester Frist an die Gläubiger, vor allem die Vereinigten Staaten, zurückzuzahlen“ waren. Deutschland und auch England „seien mit dem Versuch nicht fertig geworden, durch deflationistische Maßnahmen (RS d.h. Einsparungen für Preissenkungen und bessere Wettbewerbsfähigkeit) den Export zu forcieren … ; anders war ja eine Kreditrückzahlung nicht möglich“. Dies musste misslingen, weil „sich die amerikanische Industrie gegen vermehrte Importe wehrte.“ (*4) S. 91)

Gerade wegen der Gefahr durch Eskalation bei Handelskonflikten sollte seitens der EU und vor allem von deutscher Seite das so öffentlichkeitswirksam verführerische Gerede von handelspolitischer Vergeltung unterbleiben, das Sigmar Gabriel inszeniert hat.

Die USA sind Deutschlands wichtigstes Exportziel *5): Rund 112 Mrd € Exportwert nehmen die USA auf (2017), gefolgt von Frankreich (105 Mrd. €). Der Gesamtwert der deutschen Exporte beträgt etwa 1.3 Bio. €.

Der deutsche Exportwert von Metallen, wie u.a. den vielen verschiedenen Sorten und Formen von Stahl und Aluminium, beträgt etwa 54 Mrd. €. Das sind rund 4 % des Gesamtexports, etwa die Größenordnung des Exports von Nahrungs- und Futtermitteln. Der Exportwert von Kraftwagen und Kraftwagenteilen ist dagegen rd. 230 Mrd. € , der von Maschinen 170 Mrd. €. *5)

Die deutsche Exportwirtschaft wird also von den derzeitigen Ankündigungen Trumps nicht schwer geschädigt werden: Die große EU wird durch den 25%-„Strafzoll“ auf Stahl etwa im gleichen wertmäßigen Umfang getroffen wie das wirtschaftlich deutlich kleinere Kanada. Dann folgen mit klarem Abstand die Stahl-Exporte von Südkorea, Mexico, Brasilien und Japan in die USA. Alles nachbarschaftlich oder bündnispolitisch eng verbundene Partnerländer der USA! *6)

Daher ist nicht verwunderlich, dass bereits jetzt innerhalb der US-Wirtschaft und seitens qualifizierter Organisationen wie des IMF (Internationaler Währungsfonds) erhebliche Bedenken gegen Trumps neue Zollpolitik erhoben werden. Deren Kern: Die USA schaden sich selbst am meisten. Somit sollte gerade auf inneramerikanische politische und wirtschaftliche Gegenkräfte gesetzt werden.

Die Gründe dafür können wir bei großen US-Ökonomen unseres Zeitalters der Globalisierung nachlesen. Zölle, wie sie Trump ankündigt, hätten zunächst drei Effekte *7):

  • Heimische Produzenten könnten durch den Preisschirm des Zollschutzes ihre Produktion ausweiten.
  • Konsumenten sähen sich steigenden Preisen gegenüber und reduzierten ihren Verbrauch.
  • Der Staat erhielte zusätzliche Zolleinnahmen.
  • Die Gesamtanalyse des Nobelpreisträgers Prof. Paul A. Samuelson und seines Mit-Autors Prof. William D. Nordhaus ergibt jedoch: Wegen der nachhaltigen Schäden durch Unwirtschaftlichkeit und wegen der Wettbewerbsverzerrungen dieser Zollpolitik werden die Verluste der Konsumenten die Gewinne der Regierung und der begünstigten Produzenten übersteigen.

Der IMF warnt eindringlich vor den negativen Folgen der Zollpolitik des Präsidenten Trump innerhalb (v.a. auf Industrie und Bauwirtschaft, die viel Stahl und Aluminium benötigen) und außerhalb der USA. *8)

Die größte Gefahr für den Wohlstand der USA selbst wie auch ihrer Handelspartner würde jedoch durch eine protektionistische Spirale von Vergeltung und erneuten Gegenmaßnahmen hervorgerufen. Trump antwortet auf die internationale Kritik und die handelspolitischen Reaktionen bereits mit zollpolitischen Drohungen gegen die KFZ-Importe in die USA. Deshalb die erkennbaren Sorgen an den Aktienbörsen!

Zu suchen ist endlich das vom ehemaligen Staatspräsidenten François Hollande weitblickend und wohl bisher vergeblich geforderte strategische Gespräch mit der Trump-Administration. Und mit all den Kräften in den USA, die aus eigenem Interesse den Argumenten wirtschaftlicher Vernunft zugänglich sind.

Denn wie der IMF zurecht feststellt: „Die vorgebrachten Maßnahmen der USA erweitern Gelegenheiten und Vorwände, in denen Länder das Argument nationaler Sicherheit benutzen, um weit gespannte Importbeschränkungen zu rechtfertigen. Dies gibt Anlass zu Sorge.“ *8) Deshalb fordert der IMF „konstruktive Zusammenarbeit zwischen den USA und ihren Handelspartnern, um die handelspolitischen Konflikte zu lösen.“ *8)

Nicht von den lange angekündigten Trump`schen „Strafzöllen“ selbst geht derzeit die größte Gefahr aus. Gefährlich ist das populistische Gerede von Vergeltung, das ausgerechnet der noch geschäftsführende deutsche Außenminister Gabriel für angemessen hält.

*1) Das Gespräch habe ich in meinem Blogbeitrag „Weckruf für Europa“ vom 08. MÄRZ 2017 referiert. *1)

Das Interview mit dem Staatspräsident der Französischen Republik, François Hollande, führten Angelique Chrisafis (The Guardian), Sylvie Kauffmann (Le Monde), Lluís Uría Massana (La Vanguardia), Marco Zatterin (La Stampa) und Christian Wernicke (Süddeutsche Zeitung) in Zusammenarbeit mit Gazeta Wyborcza. Vgl. Süddeutsche.de. Politik. 6. März 2017. Interview mit François Hollande. „Sonst explodiert Europa“. Interview von Christian Wernicke.

*2) Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) droht den USA offen mit einem Handelskrieg. DTS-Meldung vom 02.03.2018, 09:45 Uhr. Hinweis RS: Die alleinige handelspolitische Zuständigkeit liegt bei der EU-Kommission (Lissabon-Vertrag 2009).

*3) BDI-CHEF DIETER KEMPF. Ein guter Golfpartner für Donald Trump. VON CARSTEN KNOP UND JULIA LÖHR. AKTUALISIERT AM 03.03.2018; faz.net.

*4) Erich Preiser, Nationalökonomie heute. Eine Einführung in die Volkswirtschaftslehre. 14. Auflage. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Karl Heinrich Oppenländer. Beck, München 1990. S. 19 f. und S. 91 f. Hinweis RS: Exportüberschüsse gegenüber den USA hätten den Kapitalexport und damit die Rückzahlung von kurzfristigen Dollar-Krediten an die USA ermöglicht. Diesen Handelsüberschuss verwehrten amerikanische Politiker und Sektoren der US-Wirtschaft. Mit solchem „Handelskrieg“ stürzte die Weltwirtschaft in die katastrophale Krise der 1930er Jahre. Die Industrieproduktion in den USA und Deutschland brach um über 40 % ein; eine Arbeitslosenquote von 30 % (1932) zerrüttete die Weimarer Republik (vgl. Weltwirtschaftskrise, Wikipedia).

*5) Außenhandel; verschiedene Länder- und Güterstatistiken sowie Länder- und Güter-Rangfolge im deutschen Export; Statistisches Bundesamt; https://www.destatis.de/DE.

*6) Trump steel tariffs: IMF warns plan would hurt US. 03.03.2018; http://www.bbc.com/news/world-us-canada-43267520.

*7) Economics, 15th Edition, Paul A. Samuelson, William D. Nordhaus, International Edition, 1995, S. 691 ff. (O. a. Übertragung ins Deutsche RS).

*8) Wegen der Bedeutung hier wörtlich wiedergegeben: „IMF Statement on Announced U.S. Import Tariffs. March 2, 2018. Gerry Rice, the International Monetary Fund’s spokesperson, made the following statement today: The import restrictions announced by the U.S. President are likely to cause damage not only outside the U.S., but also to the U.S. economy itself, including to its manufacturing and construction sectors, which are major users of aluminum and steel. We are concerned that the measures proposed by the U.S. will, de facto, expand the circumstances where countries use the national-security rationale to justify broad-based import restrictions. We encourage the U.S and its trading partners to work constructively together to reduce trade barriers and to resolve trade disagreements without resort to such emergency measures“; http://www.imf.org/en/News/Articles/2018/03/02/pr1870-imf-statement-on-announced-us-import-tariffs (Obige deutsche Übertragung RS).