Sultanat Bayern?

 

Führt sich der Bewerber um die gemeinsame Kanzlerkandidatur von CDU und CSU, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), wie ein Sultan auf?

Das könnte ein Blick in Presseberichte nahelegen, die Söders Auftritte gegenüber NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) beschreiben.

Wahlergebnisse vs Umfragen

Beginnen wir mit den letzten Wahlresultaten statt schwankenden Stimmungsbildern aus Umfragen, die derzeit fraglos Söder gegenüber Laschet begünstigen:

  • Bei der Landtagswahl Bayern 2018 hat die CSU unter Ministerpräsident Söders Führung, wie die SPD, fast 11 Prozentpunkte verloren.
  • Armin Laschet dagegen hat als Oppositionsführer die NRW-Landtagswahl 2017 mit einem Plus von fast 7 Prozentpunkten gewonnen und die NRW-Regierungspartei SPD in ihrem “Stammland“ in die Opposition verwiesen.

An Dreistigkeit grenzt,

  • wie Söder sich auf sein derzeitiges Umfrage-Hoch beruft, das ihm bescheinigt, was die CSU und ihre Anhänger verbreiten lassen: Zupackende Führungskraft etc. im Unterschied zu „fehlender Euphorie bei der CDU, seit Laschet sich gemeldet hat.“ *2)
  • Niemand wagt offenbar in Bayern oder in der Konsens mit der CSU suchenden CDU, Söder an die Korruptionsvorwürfe gegen hochrangige CSU-Politiker zu erinnern.
  • So kann Söder feststellen: „´Noch nie sei die Union so schnell in den Umfragen gesunken, wie jetzt, davon könne sich niemand in der Union abkoppeln.` Dass nicht die Person Laschet dafür verantwortlich ist, sondern die Maskenaffäre, die vor allem die CSU umtreibt, oder das Durcheinander in der Coronapolitik, sagt Söder nicht.“ *2)

„Überbordendes Selbstbewusstsein“ Söders

Die Stichelei gegen seinen Mitbewerber Laschet treibt Söder so weit, dass er sich selbst Sex-Appeal bescheinigt, im Gegensatz zu Laschet offenbar. So wird in Medien jedenfalls der Kommentar Söders gedeutet, „dass es für eine Kanzlerkandidatur Sex-Appeal brauche“.*1)

Wortbrüchige Doppelzüngigkeit Söders

  • Am Sonntag, dem 11.04.2021, “hatte Markus Söder noch erklärt, er akzeptiere jede Entscheidung der CDU in der K-Frage. Einen Tag später sieht das anders aus. Präsidium und Vorstand der Schwesterpartei sind für ihn nicht die entscheidenden Gremien.“ *2)
  • „Einen Tag nach seiner Zusage, er werde sich jedem Votum der CDU beugen, stellt (Söder) kurzerhand die Autorität der CDU-Führungsgremien in Frage. Es sei nicht überraschend, sagt er, wenn Präsidium und Vorstand der CDU sich hinter Armin Laschet als Kanzlerkandidaten stellen. ´Das sind ja zehn, zwanzig Leute, bei denen es erwartbar ist, dass sie dahinter stehen.`“ *2)
  • Umfragen, unzählige E-Mails und SMS, „viele Diskussionsbewegungen“, „eine Fülle von Meldungen, die sehr sorgenvoll auf die Stimmen von der Basis verwiesen haben“ *2) — so wird in der CSU die Grundlage zusammengekratzt, auf der Söder etwas anmaßend fordert, „die CDU müsse in sich hinein hören und die Signale verstehen, ´die aus vielen Landesverbänden kommen.`“ *2)
  • Söder auf die Frage, „ob er wortbrüchig werde, wenn er nicht zurückziehe“: „´Nein`, sagt er, ,das kann man nicht sagen.` Es gehe doch ´um Klarheit`, um ´die breite Mehrheit`. Man müsse das ´vom Ergebnis her denken. Es gibt nur ein Problem: Ob am Ende der Wähler unsere Entscheidung, unser Angebot akzeptiert.`“ *2)

Eine Antwort der CDU

  • Die Initiative „Union für Laschet“ *3) wurde vor einigen Tagen von dem früheren Bundestagsabgeordneten Stephan Eisel (CDU) gegründet. Eisel ist heute als Autor angesehen, der mit bedeutenden Berufungen zur Erinnerungsarbeit gegen die Nazi-Vergangenheit, auch von Bundespräsident Steinmeier, geehrt wurde.
  • Eisel erreichte, dass sich bereits „mehr als 350 CDU-Politiker für den Rückzug des CSU-Chefs Markus Söder im Kampf um die Kanzlerkandidatur der Union ausgesprochen“ haben.
  • Eisel schreibt in einem offenen Brief an Söder:  „Sie haben ihre eigenen Ambitionen selbst unter den Vorbehalt gestellt, dass diese von der CDU in ihrer Breite getragen sein müssten … Nicht nur die Voten der von den Parteimitgliedern gewählten Gremien, also des Präsidiums und des Bundesvorstandes der CDU, zeigen, dass es diese breite Unterstützung nicht für ihre Bewerbung, sondern für die von Armin Laschet gibt.“ *3)
  • Eisel fordert Söder auf, „den Weg für die Unions-Kanzlerkandidatur des CDU-Chefs Laschet frei zu machen.“ Hinter dieser Forderung stehe „die breite Basis der CDU mit fast 50 aktuellen und früheren Abgeordneten auf Landes- und Bundesebene, fast 200 aktuellen kommunalen Mandatsträgern und etwa 100 früheren kommunalen Amts- und Funktionsträgern.“ *3)
  • „Machen Sie also bitte dem unwürdigen Schauspiel der letzten Tage ein Ende und halten Sie sich an Ihr eigenes Wort, dass Sie sich ´ohne Groll` zurückziehen und Armin Laschet unterstützen, wenn die CDU in ihrer Breite nicht Sie, sondern ihn unterstützt“. *3)

Fazit

Im Sultanat Bayern mag der CSU-Ministerpräsident wie ein Herrscher agieren und “führen“. In der Berliner Republik muss der Bundeskanzler vor allem “zusammenführen“, wie Ministerpräsident Laschet betont.

Die CSU hat über Jahrzehnte die Doppelrolle der bayerischen Regionalpartei mit nicht nur bundes- und europapolitischem Anspruch, sondern auch dem Anspruch auf “Parität“ in der gemeinsamen Bundestagsfraktion von CDU und CSU spielen können. Dahinter standen in der Vergangenheit CSU-Wahlergebnisse in Bayern zwischen 50 und bis zu 60 %.

In dem größeren Deutschland mit 16 Bundesländern seit der Wiedervereinigung ist das bundespolitische Gewicht der CSU geschrumpft. In Bayern erreichte die CSU 2018 noch 37.2 Prozent der Wählerstimmen.

Greifen die CSU und Söder als ihr Kandidat für das Kanzleramt jetzt gegenüber dem Kanzlerkandidaten der „Schwester-Partei“ CDU, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, aus Schwäche oder aus Stärke zum letzten Mittel der Verweigerung und der Erpressung?

Wollen die deutschen Wählerinnen und Wähler solche Methoden, die vielleicht im Sultanat Bayern üblich sind, in der Regierung Deutschlands erleben?

*1) Kanzlerkandidatur in der Union. Markus Söder gewinnt so oder so. Die Kanzlerkandidatenkür der Union sei eine Win/win-Situation, aber nur für Markus Söder (CSU), kommentiert Dlf-Bayernkorrespondent Michael Watzke. Denn auch wenn CDU-Chef Armin Laschet Kanzlerkandidat werde, werde der forsche Franke Söder in Bayern an Popularität gewinnen. Ein Kommentar von Michael Watzke. 11.04.2021; https://www.deutschlandfunk.de/kanzlerkandidatur-in-der-union-markus-soeder-gewinnt-so.720.de.html?

*2) Roland Englisch. Nürnberger Nachrichten. Söder: „Das war erwartbar, dass sie sich hinter Laschet stellen“. MÜNCHEN – Am Sonntag hatte Markus Söder noch erklärt, er akzeptiere jede Entscheidung der CDU in der K-Frage. Einen Tag später sieht das anders aus. Präsidium und Vorstand der Schwesterpartei sind für ihn nicht die entscheidenden Gremien. Das klingt nach Ärger. 12.04.2021; https://www.nordbayern.de/region/soder-das-war-erwartbar-dass-sie-sich-hinter-laschet-stellen-1.10992190 (Hervorhebung RS).

*3) Kanzlerkandidatur. Mehr als 350 CDU-Politiker fordern Söder zum Rückzug auf. Hunderte teils prominente Mitglieder sprechen sich in der „Union für Laschet“ gegen Söder aus. CDU-Vize Bouffier kritisiert den Umgang mit dem CDU-Vorstand durch Söders CSU, auch die Ex-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer erhebt schwere Vorwürfe. Für die Entscheidung, wer Kanzlerkandidat der Union werde, könnten nicht Meinungsumfragen ausschlaggebend sein, argumentiert Bundestagspräsident Schäuble. Noch immer ist unklar, bis wann die CSU und die CDU eine Entscheidung über die Kanzlerkandidatur treffen.17. April 2021; https://www.sueddeutsche.de/politik/cdu-csu-laschet-soeder-offener-brief-1.5261741