Theaterdirektor.

Je kleiner die Bühne und die Zahl der Zuschauer, desto tiefer verneigt er sich. Zur Mitte, nach rechts, nach links! An wen das erinnert?

An den SPD-Vorsitzenden, Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Grundsätzlich stört mich das nicht, das Verbeugen nach rechts, links, zur Mitte hin. Gabriel versucht, seinen Intrigenstadel zusammenzuhalten.

Nun bekommt er von mir, neben Beifall für einige Kernsätze seiner Rede beim „Wertekongress“ der SPD, auch Pfiffe.

Und zwar für seinen Satz: „Ausgerechnet die Partei der Arbeit hat beim damaligen gesellschaftlichen Mainstream mitgemacht und leistungslose Kapitalerträge mit niedrigen Steuern belohnt und harte Arbeit mit höheren Steuern bestraft.“ *1) Was soll man bloß zu solchem Satz sagen?

Politiker und ihr Öffentlicher Dienst werden bekanntlich vom Steuerzahler versorgt, wenn sie in den Ruhestand gehen. Dann erhalten sie — um Gabriels Formulierung aufzugreifen — „leistungslose“ Versorgungsbezüge.

Um solches Versorgungsniveau zu erreichen oder eine selbständige finanzielle Absicherung für das Alter und einen möglichen Pflegefall aufzubauen, muss ein Ehepaar mittlerer Einkommenslage, das nicht der politischen Klasse und ihrem versorgungs- und bei Erkrankung beihilfeberechtigten öffentlichen Dienst angehört, ein beträchtliches Geldvermögen ansparen.

Für diese verantwortungsbewusste Vorsorge sind Kapitalerträge die Gegenleistung des sowohl durch harte Arbeit erworbenen Einkommens als auch des nicht minder harten Verzichts auf Konsum, diesen oder jenen Spaß, also des harten Sparens. Dass für solche Bürger harte Arbeit und ein wohlverdientes Einkommen ein Ziel hat, nämlich Sparen und Vorsorge für die Familie, dieser Gedanke scheint dem künftigen Großpensionär Gabriel fremd.

Die mühsam durch vielfältigen Verzicht aufgebauten Kapitalerträge zur eigenverantwortlichen Vorsorge diffamiert unser Wirtschaftsminister nun als „leistungslose Kapitalerträge“.

Zinsen, Kapitalerträge, Herr Bundesminister für Wirtschaft, sind selbstverständlich Leistungseinkommen — wie Ministergehälter oder Gewinne. Das lernt bereits jeder Schüler, der in Grundzügen über Wirtschaft unterrichtet wird.

Ganz abgesehen von dem ökonomischen Unverstand des Wirtschaftsministers: Welch erbärmliche Idee zum Thema „Werte“ steckt denn hinter diesem herabsetzenden Gerede über die Leistung verantwortungsbewusster Sparer? Ausgerechnet auf dem „Werte“-Kongress der Sozialdemokratie?

Wie unsinnig Gabriels Gerede von leistungslosen Kapitalerträgen ist, lässt sich leicht illustrieren.

Die vielfach von Sozialdemokraten und Gewerkschaftlern in Aufsichtsräten kontrollierten Landesbanken und ihre Sparkassen sind Eigentum von Ländern und Kommunen. Das Geschäftsmodell dieser nicht selten als sozialdemokratische Bastionen bezeichneten Sparkassen besteht aus Kapitalerträgen für gewährte Kredite. Die Rentabilität beruht darauf, dass den Sparern geringere Kapitalerträge für den der Bank gewährten Kredit (Spareinlage) zugestanden werden. Die Zinsdifferenz zur Sicherung der Rentabilität von Sparkassen/Banken ist beträchtlich, wie jeder Kunde weiß. Sparkassen als Profiteure mittels leistungsloser Kapitalerträge?

Für den Kredit, den der Sparer seiner Sparkasse/Bank z. B. durch Sparbriefe oder der Bundesrepublik Deutschland z.B. durch Erwerb von Bundesschatzanweisungen einräumt, erhält der Sparer — so Gabriel — einen leistungslosen Kapitalertrag.

Der Bundeswirtschaftsminister Gabriel scheint dreist genug, selbst jene Sparer herabsetzend zu behandeln, die der Bundesrepublik Deutschland noch Kredit geben.

Die Möglichkeit, Kapitalerträge über das Verfahren der Abgeltungssteuer zu versteuern, ist für das Vorsorgesparen zum Aufbau eines Geldvermögens zur eigenständigen Alterssicherung eine wesentliche Vereinfachung.

Da im Alter das Risiko der Vermögens-Anlage reduziert werden sollte, sind Aktien oder sonstige risikohaltige Vermögensteile (z. B. Immobilien, Gold, Devisen) in sichere Anlagen zu überführen, z. B. in Wertpapiere des Bundes, wenn die Bundesrepublik Deutschland noch als Kreditnehmer ohne Risiko beurteilt wird.

Kann das Verfahren der Abgeltungssteuer genutzt werden, spielt es keine Rolle, ob diese Transaktion in einem Zuge erfolgt. Auch wenn sämtliche Kapitalerträge in diesem Zeitpunkt anfallen, wird doch der gleiche Abgeltungssteuersatz angewendet. Wird die Abgeltungssteuer abgeschafft, sind alt gewordene Sparer gezwungen, diese Transaktion zur Risikominderung über Jahre zu strecken — zweifellos ein Risiko für den Werterhalt der Ersparnisse. Andernfalls werden sie steuerlich durch die Umstellung hart bestraft. *2)

Gabriel setzt mit seinem sonderbaren Gerede von leistungslosen Kapitalerträgen auch die Reformleistung des sozialdemokratischen Bundesministers der Finanzen, Peer Steinbrück, herab. Steinbrück ist nicht nur die Reform zur Vereinfachung der Steuer auf Kapitalerträge über die Abgeltungssteuer, sondern auch die Schuldenbremse für staatliche Haushalte im Grundgesetz zu danken.

Umso unwürdiger sind Gabriels Worte in Richtung Peer Steinbrück und in Bezug auf die Abgeltungssteuer: „Wenige Maßnahmen zeigen so sehr, wie auch wir Sozialdemokraten uns den gesellschaftspolitischen Schneid haben abkaufen lassen.“ Gesellschaftspolitischer Schneid — darauf haben die Bürger gerade gewartet! Abkaufen! Soll das ein Hinweis auf Korruption sein?

Ein niederträchtiger Satz gegen Peer Steinbrück, einen der verdienstvollsten Sozialdemokraten im Amte des Bundesministers der Finanzen.

Mit dieser letzten, sehr tiefen und durchaus niedrigen Verbeugung nach links hat sich der Theaterdirektor vielleicht unumkehrbar von der Mitte des Publikums abgewandt.

*1) Sigmar Gabriel, MdB, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Rede anlässlich der Wertekonferenz Gerechtigkeit am Montag, 9. Mai 2016 in Berlin, https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Reden/Rede_Sigmar_Gabriel_beim_Wertekongress.pdf. (Hervorhebung RS).

*2) Zur Illustration ein Beispiel aus meinem Blog „Es ist nicht Mario Draghi. AM 09. JUNI 2014.“

„… Abschaffung der Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge: äußerst beliebt im linken Spektrum der GroKo! Diese von uns Steuerzahlern Vollversorgten haben natürlich das Sparen und die Vermögensbildung allesamt nicht nötig.

Denken die an die Fleißigen, Sparsamen, die für ihr Alter und ihre Lieben durch Aufbau von Geldvermögen oder Grundeigentum vorsorgen?

Stellen wir uns vor, diese Steuerenthusiasten kommen ab 2017 an die Macht. Sie schaffen die derzeitige Kapitalertragsteuer ab, die wird mit der Einkommensteuer zusammengefasst.

Da ist dann Frau Martha Baumeister, 2017 70 Jahre alt. Witwe eines Handwerkers. Der hat ihr ein Aktienpaket hinterlassen, damit sie sich keine Sorgen machen muss.

Frau B. hat keine Rente, keine Pension. Sie will nun wegen ihres Alters vernünftigerweise aus dem Aktien-Risiko heraus. Frau B. will das Aktienpaket umtauschen in sichere Anlagen.

Dabei stellt sich heraus, dass die langjährige Vorsorge ihres guten Mannes und Jahrzehnte gemeinsamer Sparsamkeit beim Verkauf des Aktienpakets einen Gewinn von 300 Tsd. Euro bedeuten. Für den Lebensabend nicht zu viel.

Aber für Carsten Schneider, MdB, und Co. die Gelegenheit, die „Reichen“ richtig zur Kasse zu bitten. Frau Baumeister hätte jetzt, 2017, nach Abschaffung der 25 % Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge ein einmaliges „Einkommen“ von 300 Tsd. Euro zu versteuern. Da bleibt ihr noch die Hälfte!“